Rund anderthalb Wochen nach der Wahl in Tschechien stehen die Grundzüge einer Koalition um den populistischen Babis fest – allerdings überschattet von Vorwürfen. Besonders unter Druck steht der geplante Außenminister.
Zuerst das Programm und einen Vertrag, dann die persönlichen Daten. So funktioniert es normalerweise bei der Regierungsbildung, zumindest für die Öffentlichkeit. Aber nicht mit Andrej Babis. Nur eine Woche nach seinem Sieg bei der Parlamentswahl verkündete der ehemalige tschechische Ministerpräsident in einem Facebook-Video: „Ich melde gehorsam, dass die Aufgabe erledigt ist. Ich hatte geplant, die Aufteilung der Ministerämter bis Freitag zu regeln, und das haben wir geschafft.“
Babis‘ populistische „Aktion unzufriedener Bürger“, kurz ANO, soll acht Ministerien erhalten, dazu den Posten des Regierungschefs – vermutlich für den sehr reichen Unternehmer selbst, der diesmal seinen Agrar-, Lebensmittel- und Chemiekonzern Agrofert komplett aufgeben müsste.
Erstmals wäre die rechtsextreme Partei „Freiheit und direkte Demokratie“, kurz SPD, an einer Regierung in Tschechien beteiligt. Drei Ministerien darf sie besetzen, allerdings nicht mit Politikern, sondern mit parteiunabhängigen Experten. Namen für die Ministerien Landwirtschaft, Transport und Verteidigung kursieren bereits.
Verfahren gegen Babis und Okamura
SPD-Chef Tomio Okamura hatte eigentlich das Innenministerium gefordert und wollte den Polizeichef ersetzen. „Der amtierende Innenminister und sein Establishment wollen mich wegen eines Wahlplakats für drei Jahre ins Gefängnis stecken. Es muss eine Änderung geben, denn wir wollen freie Meinungsäußerung ohne Zensur.“
Okamura wird wegen Anstiftung zu Hass und Rassismus angeklagt. Babis selbst droht eine Verurteilung wegen Betrugs mit EU-Fördermitteln. Beide Politiker genießen als Parlamentarier Immunität.
Rechtsextremisten für Verteidigungsministerium bereitgestellt
Von Referenden über den Austritt Tschechiens aus EU und NATO ist keine Rede mehr. Das fordern die Rechtsextremisten schon seit Jahren. Dennoch sollten sie das Verteidigungsministerium kontrollieren.
Die tschechische Verteidigungsindustrie dürfe weiterhin in die Ukraine exportieren, kündigt Babis an. Aber: „Wir werden der Ukraine keine einzige Krone aus dem Staatshaushalt für Waffen zur Verfügung stellen. Wir haben kein Geld für Tschechien. Wir haben der Ukraine bereits geholfen. Jetzt tut es die EU.“
Die scheidende Mitte-Rechts-Regierung bereitet derzeit eine Lieferung modernisierter Panzer vor. Es unterstützte Kiew schnell mit schweren Waffen. Ihre Munitionsinitiative leistet einen wichtigen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit gegen Russland. Auch Babis will sie stoppen.
Als kleinster Koalitionspartner soll die Nachwuchspartei vier Ministerien besetzen dürfen – darunter ein neues für Sport und Prävention sowie Kultur und Umwelt. Naturschutzorganisationen protestieren, weil Autofahrer Klimaschutzmaßnahmen ablehnen. Der Spitzenkandidat der rechtsliberalen Partei, der EU-Abgeordnete Filip Turek, will Außenminister werden. Der ehemalige Rennfahrer steht wegen rassistischer, sexistischer und homophober Äußerungen besonders unter Druck.
Auf Fotos soll zu sehen sein, wie Turek eine Hitlergruß-Geste ausführt
„Letzte Woche tauchten in sozialen Netzwerken neue Fotos von Filip Turek mit der Geste des Hitlergrußes auf, die ich vorher noch nicht gesehen hatte“, erklärt die Investigativjournalistin Zdislava Pokorná. „Also habe ich Leute kontaktiert, die mehr Screenshots seiner alten Beiträge hatten.“
Der 40-jährige Turek glaubt, dass es sich um eine gezielte Kampagne handelt. „Ich habe viel Unsinn geschrieben, aber nirgends stand, dass ich es wirklich ernst meinte. Das sind nicht meine Ansichten, das ist schwarzer Humor aus 15 Jahren.“
Babis hält die Vorwürfe jedoch für schwerwiegend. Er fordert die Autofahrer auf, externe Experten in die Regierung zu schicken – dies lehnt die Partei bisher ab. Der Präsident könnte das letzte Wort haben. Petr Pavel, der ehemalige NATO-General, ernennt jedes einzelne Mitglied der Regierung und hat bereits deutlich gemacht, dass dies kein Selbstläufer sein muss. „Ich mag es nicht, voreilige Schlüsse zu ziehen. Deshalb warte ich lieber, bis wir mehr Informationen haben. Wenn das wahr wäre, wäre das natürlich ein grundlegendes Problem.“
Marianne Allweiss, ARD Prag, tagesschau, 14. Oktober 2025 13:55 Uhr

