Woher kommt dieses Textil? Woher kommt dieser Rechtsextremismus? Diese beiden Fragen musste der Traditionsverein BSG Stahl Brandenburg vor einem Jahr im September beantworten. In sozialen Netzwerken kursierten Fotos eines blau-weißen Schals. „Stahlgewitter“, der Name einer berüchtigten rechtsextremen Hooligan-Bande, stand in Frakturschrift auf der Vorderseite, auf der Rückseite stand eine Botschaft an den verhassten Stadtrivalen BSC Süd 05: „Süd-Schwein die“.
Friedhelm Ostendorf, Präsident von Stahl Brandenburg, distanzierte sich umgehend von dieser Arbeit und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Der Verein steht für Toleranz und Offenheit. Er erklärte den damaligen Ursprung des Schals Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ): „In jedem Bus sind immer drei dumme Leute. Und jemand wie sie muss dieses Stück geschaffen haben.“
Nun sieht es für den Sechstligisten aus der Brandenburgliga ziemlich dämlich aus, denn genau diesen Schal hielt der bei der Berliner Polizei arbeitende Trainer Robert Pocrnic am vergangenen Samstag nach dem Derbysieg gegen den BSC Süd den eigenen Fans entgegen. Der Verein, der zu DDR-Zeiten erstklassig war und eine Saison (1986/87) sogar im UEFA-Pokal spielte, schien erneut eine der seltensten Sternstunden zu erleben. Das Derby in der Brandenburgliga lockte eine Rekordkulisse von 4.703 Zuschauern an.
Inzwischen war die Szene von Trainer Pocrnic und dem Schal im MAZ am Montag in der Sportrubrik abgebildet, im begleitenden Artikel wurde der Vorfall jedoch nicht erwähnt. Leider sei dies, so die Aussage der Sportredaktion, durch die Lappen gegangen. Der diensthabende junge Redakteur kannte die Geschichte nicht. Das Foto wurde inzwischen aus der Online-Version des Artikels entfernt.
Dumme Idee von jemandem
Friedhelm Ostendorf, der Präsident von Stahl Brandenburg, sagte, er sei schockiert gewesen, als er das Foto in der Zeitung gesehen habe. „Jemand hat dem Trainer den Schal gegeben.“ Der Trainer hielt es hoch, ohne zu wissen, was darin stand. „Wir wissen nicht, wer auf diese blöde Idee gekommen ist. Aber wir werden es herausfinden und Anzeige erstatten.“
Ostendorf erklärte am Donnerstagmorgen, fünf Tage nach dem Vorfall, dass man eine Pressemitteilung vorbereite, um sich deutlich von diesem Schal zu distanzieren. Das Zeitungsfoto war bisher kein öffentliches Thema. Auch aus dem Rathaus in Brandenburg an der Havel, wo die MAZ Möglicherweise wird es vor der Bürgermeisterwahl im November eine detailliertere Studie geben, aber bis Donnerstag war davon nichts zu hören. Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU) saß am Samstag auf der Tribüne und postete via Instagram: „Ich freue mich, dass Brandenburg an der Havel eine so lebendige Sportkultur hat. Sie verbindet Menschen über Generationen hinweg und stärkt unseren gemeinsamen Geist.“ Das Schweigen der letzten Tage ist besonders, weil auch Bürgermeister Scheller vor einem Jahr Anzeige wegen des verunglimpfenden und rechtsextremen Schals erstattete, weil darauf das Wappen der Stadt Brandenburg zu sehen war.
Der Vorfall lässt sich ohnehin nicht länger verschweigen. Auf Nachfrage der taz erklärte der Brandenburgische Fußballverband, er habe davon erfahren. Ein sportgerichtliches Verfahren wurde eingeleitet. Eine Stellungnahme zu weiteren Details ist daher nicht möglich. „Grundsätzlich gilt: Der FLB distanziert sich klar von diskriminierenden, beleidigenden oder extremistischen Inhalten – auf und neben dem Spielfeld.“
Stahl-Präsident Ostendorf bedauert, dass diese Geschichte nun im Vergleich zum „großen Fußballfest“ am Samstag in den Hintergrund treten würde. Der Verein, betonte er gegenüber der taz noch einmal, stehe für Migration und Offenheit. Derzeit gibt es kein Problem mit Rechtsextremismus in der Fanszene. „Wir hatten in der Vergangenheit das ein oder andere Problem.“
Massive Gewaltfantasien
Peter Janeck, der Vorsitzende des Erzrivalen BSC Süd, sieht das offenbar anders. Er erklärte letztes Jahr dem MAZStahl Brandenburg schafft es seit Jahren nicht, die rechten Kräfte im Verein einzudämmen.
Zwar fielen besonders rechtsextreme Anhänger von Stahl Brandenburg in den 1990er Jahren auf, als der Verein auf einem höheren Niveau spielte und ihnen größere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Zuletzt waren Steel-Fans diesbezüglich bei einem Landesligaspiel in Hennigsdorf im März 2024 auffällig geworden, als es Berichte über rassistische Beleidigungen, Volksverhetzung und Sachbeschädigung gab. Auf eine Anfrage der taz nach einer genaueren Einschätzung der Steel-Fan-Szene und ihrer Aktivitäten antwortete der Brandenburger Fußball-Verband vor einem Jahr: „Bezüglich der konkreten Zahlen geben wir keine detaillierten Informationen an Dritte weiter, um die Vereinsarbeit nicht zu beeinträchtigen.“
Für viele Menschen in Brandenburg dürfte das Wochenendderby ein friedliches Fußballfest gewesen sein. Bemerkenswert sind jedoch die massiven Gewaltfantasien, die dieses Stadtduell begleiteten. Steel-Fans hängten zwei Puppen an eine Brücke – in der roten Vereinsfarbe des verhassten Stadtrivalen. Darüber hinaus wurden Flugblätter verteilt, in denen den BSC South-Fans gedroht wurde, ihre Autos anzuzünden, wenn sie ihrerseits Fanutensilien aus Stahl im Stadion verbrannten. Darauf stand: „Für Brandenburg! Für Deutschland! Stahlfeuer.“ Die Sportkultur in Brandenburg ist bei weitem nicht so friedlich, wie manche Verantwortliche der Stadt es gerne darstellen würden.
