Das Berufungsverfahren gegen drei Sozialarbeiter vor dem Landgericht Karlsruhe gegen Geldauflagen wurde eingestellt. Die drei waren zuvor wegen versuchter Strafvereitelung zu Geldstrafen verurteilt worden.
Das Berufungsverfahren gegen drei Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts vor dem Landgericht wurde am Donnerstag unter Auflagen eingestellt. Darauf haben sich Angeklagte, Staatsanwaltschaft und Strafkammer geeinigt. Nach einem Pyrotechnik-Skandal im November 2022 weigerten sich die drei, als Zeugen über beteiligte KSC-Fans auszusagen.
Der Vorsitzende Richter schlug vor, das Verfahren einzustellen
Zu Beginn des Prozesses machte der Vorsitzende Richter deutlich, dass man sich fragen müsse, welches Signal der Prozess aussenden solle: weiterhin auf verhärtete Fronten beharren oder eine konstruktive Lösung finden.
Man muss sich aufeinander zubewegen. Es hat Signalwirkung, wie solche Prozesse gelöst werden können, auch wenn die Gesetzgebung so bleibt, wie sie ist.
Peter Stier, Vorsitzender Richter des Landgerichts Karlsruhe
Er machte zudem deutlich, dass einige zentrale Fragen auch nach dem Verfahren vor dem Landgericht unbeantwortet blieben. Beispielsweise, wie den drei Angeklagten konkret nachgewiesen werden kann, dass sie versucht haben, die Strafe zu vereiteln. Seiner Ansicht nach hätte eine Zeugenaussage der Sozialarbeiter kaum messbare Auswirkungen auf den Prozess und die Verurteilung der an der Pyrotechnik beteiligten KSC-Fans gehabt.
Sozialarbeiter weisen auf die Bedeutung ihrer Arbeit hin
Ein Schuldeingeständnis ist keine Vereinbarung zur Einstellung des Verfahrens. Das betonen die Verteidiger der Sozialarbeiter. Die Menschen sind sich der Bedeutung und des Umfangs des Verfahrens bewusst. Keiner der drei Angeklagten war einer Straftat schuldig.
Die Verunsicherung unter den Sozialarbeitern bundesweit ist riesig. Und das muss sich ändern.
Angela Furmaniak, Verteidigerin einer Sozialarbeiterin
Dennoch wollen sie ein Zeichen setzen und sich an die Staatsanwaltschaft wenden, um die weitere Zusammenarbeit zu verbessern. Der Kampf um das Aussageverweigerungsrecht der Sozialarbeiter muss außerhalb des Gerichts weitergeführt werden. Das Bußgeld beträgt bis auf eine Ausnahme die Hälfte des vom Landgericht verhängten Bußgeldes, also zwischen 1.500 und 3.150 Euro. Das Geld geht an den Kinderschutzverein.
Prozess gegen KSC Pyro: Sozialarbeiter legten Berufung gegen Geldstrafen ein
Vor einem Jahr hatte das Landgericht Karlsruhe die Sozialarbeiter nach einem zweitägigen Prozess wegen Strafvereitelung zu Geldstrafen zwischen 4.050 und 6.300 Euro verurteilt. Die Strafe wurde mit 90 Tagessätzen verhängt, was bedeutet, dass die Verurteilten nicht vorbestraft sind.
Den Urteilsgründen vom Oktober 2024 zufolge bestand kein Aussageverweigerungsrecht; Das hätten die drei Mitarbeiter schon früh gewusst. Sie verheimlichten bewusst Informationen über den Ablauf des folgenschweren Pyrotechnik-Ereignisses.
Legal Verhandlungsmarathon nach dem Pyro-Skandal Wildpark-Stadion
Bei dem Pyrotechnik-Skandal vor knapp drei Jahren vor dem KSC-Spiel gegen St. Pauli waren elf Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Mehrere Fans der Karlsruher Ultraszene wurden wegen Körperverletzung angeklagt und teilweise zu Gefängnisstrafen verurteilt. Seit dem Sommer laufen zahlreiche Berufungsverfahren von KSC-Fans vor dem Landgericht Karlsruhe. Teilweise waren die dort bereits gefällten Urteile niedriger als beim Landgericht.
KSC-Fanprojekt: Bundesweite Solidarität mit Sozialarbeiter
Im Vorfeld der Landgerichtsverhandlung hatten die Mitarbeiter des Fanprojekts ein breites Bündnis aus Verbänden, Gewerkschaften und Vereinen auf ihrer Seite, die ein Aussageverweigerungsrecht für Sozialarbeiter und damit eine Reform des entsprechenden Gesetzesparagrafen forderten.
Bundesweit protestierten Fanverbände gegen die Verurteilung. Sie fordern ein Aussageverweigerungsrecht, wie auch in anderen Bereichen der Sozialen Arbeit. Schon vor der Berufungsverhandlung solidarisierten sich Fanverbände mit dem Karlsruher Fanprojekt. In zahlreichen Stadien waren entsprechende Banner zu sehen.
Die Berufungsverhandlungen betreffen nicht nur das Fanprojekt in Karlsruhe, sondern stellen ein wichtiges Signal für die Zukunft der sozialpädagogischen Fanarbeit insgesamt dar.
Bundesverband Fanprojekte (BAG) in einer Pressemitteilung
Das Karlsruher Fanprojekt leiste seit Jahren engagierte, qualifizierte und unverzichtbare Arbeit an der Schnittstelle zwischen Fußball, Fanszene und Gesellschaft, so das BAG weiter. Der Arbeitskreis ist ein Zusammenschluss von 70 sozialpädagogischen Fanprojekten in Deutschland.
Bundesregierung lehnt sich Aussageverweigerung für Mitarbeiter des Fanprojekts weiter weg
Erst im vergangenen August bekräftigte die Bundesregierung ihre Position zum Aussageverweigerungsrecht bei Fanprojekten. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen wurde einerseits das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Fanprojekt-Mitarbeitern und Fans hervorgehoben.
Dennoch wird eine Ausweitung (des Aussageverweigerungsrechts) unter den Gesichtspunkten (…) einer effektiven Strafverfolgung und mangelnder Vergleichbarkeit der Sachlage (…) abgelehnt.
Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme (SPD) vom 5. August
Im vergangenen Jahr lehnte die damalige Bundesregierung auf Anfrage der Linken eine Ausweitung des Aussageverweigerungsrechts für Sozialarbeiter bei Fanprojekten aus denselben Gründen ab. In beiden Fällen wurde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen.
Ausstrahlung am Donnerstag, 16. Oktober 2025, 6:00 Uhr, SWR4 BW vormittags, SWR4 Baden-Württemberg