Zehntausende Menschen in der nordserbischen Stadt Novi Sad hielten 16 Schweigeminuten, um an die 16 Menschen zu erinnern, die vor einem Jahr beim Dacheinsturz am Bahnhof ums Leben kamen. Menschen versammelten sich auf dem Platz vor dem Bahnhof und entlang des kilometerlangen Freiheitsboulevards. Viele legten Blumen und Kränze nieder, hielten rote Herzen mit den Namen der Opfer hoch und gedachten um 11.52 Uhr – dem Zeitpunkt des Unglücks – gemeinsam schweigend der Toten.
Der Bahnhofsunfall vom 1. November 2024 gilt als Auslöser der größten Protestbewegung in der jüngeren serbischen Geschichte. Seit Monaten fordern Demonstranten, angeführt von Studenten und zivilgesellschaftlichen Gruppen, eine Strafverfolgung der Verantwortlichen und vorgezogene Neuwahlen. Das tun sie KorruptionSchlamperei und politische Einflussnahme unter Präsident Aleksandar Vučić sind für den Unfall verantwortlich. Experten hatten gravierende Mängel bei den Sanierungsarbeiten festgestellt.
Bürger aus dem ganzen Land reisten zur Gedenkveranstaltung an und viele Studenten kamen zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach Novi Sad. Die Bevölkerung entlang der Strecke versorgte sie mit Nahrung und Unterkunft. Wegen einer angeblichen Bombendrohung hatte die Regierung am Vortag den Bahnverkehr zwischen Belgrad und Novi Sad eingestellt – eine Begründung, die bereits bei früheren Protesten genannt worden war und die für viele unglaubwürdig ist.
Die Protestbewegung wirft der Regierung zudem generell Korruption, Vetternwirtschaft und Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Ein unabhängiger Bericht an das Europäische Parlament bestätigte kürzlich Korruption und schlechte Baustandards beim Bahnhofsprojekt. Die Regierung weist alle Vorwürfe zurück. Bisher gab es keine gerichtliche Anhörung gegen die Verantwortlichen des Bahnhofsdachunglücks.
