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Protest gegen die Bahnkürzungen in Brandenburg

So voll sind die Regionalzüge im Land Brandenburg selten. Mit rund 200 Personen ist der 10:10-Uhr-Zug von Basdorf nach Schmachtenhagen nördlich von Berlin stark ausgelastet. Viele Reisende müssen sich bei dichtem Packen mit Stehplätzen begnügen. Mit ihrer Fahrt demonstrieren Anwohner dagegen, dass der Verkehr auf ihrer Strecke ausgedünnt wird. „Verlassen Sie sich nicht auf uns“, heißt es auf einem Banner. Der rollende Protest an diesem Samstag ist die jüngste Aktion gegen die Absagen, die zum Fahrplanwechsel in Brandenburg in Kraft treten.

„Das ist absurd“, sagt Ulrike Stützer. Sie stieg am Bahnhof Zühlsdorf in die Bahn RB27. „Immer mehr Menschen ziehen hierher, aber jetzt wird die Bahnanbindung immer schlechter. Das ist kurzfristig gedacht.“ Die Ärztin ist vor vier Jahren mit ihrer Familie hierher gezogen. „Auch weil die öffentliche Anbindung gut war.“ Jetzt wird immer mehr Bürgern klar, was auf sie zukommt – daher der lautstarke Protest.

Protest an der Haltestelle Schmachtenhagen: Bürger demonstrieren gegen die Kürzungen auf der Linie RB27. Zwischen Wensickendorf und Schmachtenhagen verkehren ab dem 14. Dezember keine Regionalzüge mehr.Peter Neumann/Berliner Zeitung

Dieser Zweig der traditionsreichen Heidekrautbahn ist besonders stark von den Kürzungen betroffen, die das brandenburgische Infrastrukturministerium zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember angeordnet hat. Zwischen Basdorf, Zühlsdorf und Wensickendorf fallen von Montag bis Freitag acht Zugpaare aus. An Wochenenden und Feiertagen, wenn die Züge weiter nach Schmachtenhagen fahren, fallen alle 33 Fahrten aus. Damit ist Schmachtenhagen nicht mehr mit der Bahn erreichbar.

„Die Leute sind wütend“, berichtet Edith Janieczek. Sie nimmt auch an der Protestfahrt mit dem Wasserstoffzug der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) teil. Die 74-jährige Frau lebt seit langem in Zühlsdorf. Als ihr Mann starb, entledigte sie sich des Autos. Seitdem fährt die Anwohnerin zum Einkaufen mit der Bahn nach Basdorf. „In unserem Dorf gibt es keinen Supermarkt mehr. Wer kein Auto hat, ist auf die Bahn angewiesen.“

Die städtische Arbeitsgemeinschaft „Region Heidekrautbahn“ hat zu der Aktion eingeladen. Obwohl immer mehr Menschen in die Region ziehen, gebe es immer wieder Versuche, das Zugangebot zu reduzieren, beklagt Vorstandsvorsitzender Dietmar Seefeldt. „Im Jahr 2006 sollte sogar der gesamte Verkehr nach Wensickendorf eingestellt werden.“

Anwohner aus Wensickendorf: „Ich bin ein Autofreak“

Der RB27 ist wichtig, um die Entwicklung weiter voranzutreiben. „Wir wollen nicht weniger, sondern mehr Schiene“, fordert Seefeldt. Außerdem ärgert ihn, dass das Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme der NEB-Stammstrecke nach Berlin-Wilhelmsruh nur geringe Fortschritte macht. Die Unterlagen für den Abschnitt Brandenburg müssten neu ausgelegt werden – was wiederum Gegner anlocken würde.

Denn auch das gehört dazu: In Mühlenbeck und Schildow gibt es Anwohner, die Angst vor Lärm und Stress haben, wenn die neue Linie RB28 im Stundentakt auf der bisherigen Güterstrecke fährt. Und nicht alle, die am Samstag am Protest teilgenommen haben, nutzen die Bahn in ihrem Alltag. Die Bahn brauche es, weil seine Kinder mobil sein wollen, sagt Daniel Langhoff vom Gemeinderat Wensickendorf. Aber er nimmt nicht den Zug. „Ich bin ein Autofreak“, sagte der FDP-Politiker auf der Demo in Schmachtenhagen.

Die Ausfälle betreffen Regionalzüge, die bisher im Schnitt von weniger als zehn Fahrgästen genutzt wurden, erklärt Henry Doll, Sprecher von Brandenburgs Infrastrukturminister Detlef Tabbert (BSW). „Davon betroffen sind auch die eingestellten Fahrten auf der Linie RB27.“ Die offiziellen Zahlen liegen nicht weit von den Beobachtungswerten von Seefeldts Kollegen Helmut Knieper entfernt. Bei seinen Fahrten auf dieser Strecke habe er durchschnittlich etwa 15 Passagiere in den Zügen gesehen, sagt der Berliner.

Sind die höheren Kosten des Wasserstoffbetriebs schuld?

„Wenn so viele Menschen, wie derzeit hier demonstrieren, regelmäßig mit der Bahn fahren würden, gäbe es die Kürzungen nicht“, sagt Michael Wedel vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Es ist ein komplexes Thema. Doch die Verantwortlichen müssen an die Zukunft denken und Angebote schaffen, mahnt Dietmar Seefeldt.

Wie andere Teilnehmer und Unterstützer der Mitfahraktion kauft Nicole Walter-Mundt ein Ticket, da sie normalerweise mit dem Auto unterwegs ist. Im Oktober eröffnete in Schmachtenhagen die Caravanserei, ein Ort mit 150 Stellplätzen für Wohnmobile und Camper, 30 Tiny Houses auch zum Übernachten, einem Spa und einem Restaurant, erinnert sich der CDU-Landtagsabgeordnete aus Oranienburg. Doch am 14. Dezember stellte das Land den Zugverkehr dort ein – obwohl Touristen mit der RB27 schnell nach Berlin gelangen könnten. „Ein Schildbürgerstreich!“

Vor der Abreise in Basdorf: Helmut Knieper (78) und Dietmar Seefeldt (70) von der kommunalen Arbeitsgemeinschaft Region Heidekrautbahn und die CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Walter-Mundt.

Vor der Abreise in Basdorf: Helmut Knieper (78) und Dietmar Seefeldt (70) von der kommunalen Arbeitsgemeinschaft Region Heidekrautbahn und die CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Walter-Mundt.Peter Neumann/Berliner Zeitung

Walter-Mundt freut sich, dass bereits 3.000 Bürger die Petition gegen die Streichungen auf dem RB27 unterzeichnet haben. Für die nächste Sitzung des Verkehrsausschusses hat der Landespolitiker eine weitere Initiative angekündigt. „Minister Tabbert geht mir im Landtag aus dem Weg“, sagt der Christdemokrat. „Aber ich bleibe dabei.“

Allerdings deutet derzeit wenig darauf hin, dass die Bürger und Politiker aus der Region Heidekrautbahn mit ihrem Protest Erfolg haben werden. Alle angekündigten Streichungen werden wie angekündigt am 14. Dezember 2025 in Kraft treten, bestätigte das Infrastrukturministerium in Potsdam auf Anfrage. „Die Anpassungen werden so umgesetzt, wie sie im Juni vorgestellt wurden“, sagte Tabberts Sprecher Henry Doll.

Kritiker sagen, dass die RB27 so stark von Ausfällen betroffen sei, weil der Betrieb der Wasserstoffzüge Siemens Mireo Plus H höhere Kosten verursache. Nach Angaben des Ministeriums erhält die NEB tatsächlich mehr Geld für jeden mit Fahrgästen zurückgelegten Kilometer als bisher. „Die Mehrkosten liegen im unteren einstelligen Euro-Bereich pro Zugkilometer.“ Aber sie hatten nichts mit den Kürzungen zu tun. Die betroffenen Züge seien schlecht ausgelastet, was laut Angaben des Landes das Problem sei.

Es sei durchaus möglich, dass dies nicht die letzte Kürzungsrunde sei, betont er. Auch in den kommenden Jahren müsse der Zugverkehr im Regionalverkehr „auf seine Wirtschaftlichkeit hin kritisch geprüft werden“, kündigt Doll an. Haushaltsmittel stehen weiterhin nur begrenzt zur Verfügung.

Im Juni kündigte der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) weitere Absagen an. Betroffen sind die Regionalexpress-Linie RE13 zwischen Cottbus und Elsterwerda, die Regionalbahnlinie RB26 auf dem Abschnitt Müncheberg – Kostrzyn (Küstrin) und die RB34 zwischen Rathenow und Stendal. Auch Zugfahrten zwischen Beeskow und Frankfurt (Oder) auf der Linie RB36 sowie zwischen Falkenberg/Elster und Cottbus (RB43) entfallen. Abends stehen meist Züge im Mittelpunkt.

Unter dem Strich wächst der Regionalzugverkehr im Dezember

Unterm Strich fallen im Land Brandenburg von Montag bis Freitag 30 Regionalbahnfahrten aus. An Wochenenden und Feiertagen sind es sogar 45. Auch sechs Busfahrten des Schienenersatzverkehrs der Linie RB66 zwischen Angermünde und Szczecin (Stettin) werden zum dritten Advent aus dem Fahrplan gestrichen.

Nicht nur an der Heidekrautbahn gibt es Proteste. Im Süden des Landes Brandenburg fragen sich Pendler, wie sie morgens früh zur Arbeit und abends wieder zurück kommen sollen. In Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster bezogen die Kreistage Stellung.

Bei einem Fahrplanwechsel werde nicht nur der Stundenplan ausgedünnt, betont Henry Doll. Viele Passagiere werden von dem ebenfalls geplanten umfangreichen Angebotsausbau profitieren – bei hoher und steigender Nachfrage. Die neue Regionalexpress-Linie RE20 wird den Verkehr zwischen Berlin, Königs Wusterhausen, Lübben und Cottbus erhöhen. Außerdem entstehen neue Direktverbindungen zum BER.

Ein Siemens Mireo Plus H-Wasserstoffzug in Basdorf. Im Vergleich zum bisherigen Dieselbetrieb sind die Kosten gestiegen. Das habe aber nichts mit den Kürzungen zu tun, heißt es im Infrastrukturministerium.Peter Neumann/Berliner Zeitung

Henry Doll verweist auch auf die neue RE30-Linie zwischen Angermünde, Prenzlau, Pasewalk, Greifswald und Stralsund. Es wird die bestehende RE3-Linie ergänzen. Zusammen bilden sie einen stündlichen Dienst auf dieser wichtigen Verbindung zur Ostsee. Wenn Sie den RE30 nutzen, müssen Sie in Angermünde umsteigen. Allerdings streben die Länder an, dass diese Züge in Berlin starten, damit es durchgehend einen echten Stundentakt gibt. Schwedt soll die Direktverbindung nach Berlin beibehalten.

Unterm Strich wird laut Ministerium das Angebot an Regionalzügen tatsächlich zunehmen – auch weil zwischen Berlin-Südkreuz und Blankenfelde eine neue Strecke, die Dresdner Bahn, in Betrieb genommen wird. Henry Doll: „Das Volumen der bestellten Transportleistungen im SPNV in Brandenburg steigt um rund 2,5 Prozent.“ Wenn alle Regionalzüge in diesem Fahrplanjahr insgesamt 36,1 Millionen Zugkilometer zurücklegen, werden es im nächsten Jahr insgesamt 37 Millionen sein.

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