Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der AfD bleibt bestehen. Das ist das Ergebnis einer Sitzung der Parteispitze am Sonntag. Auch eine Minderheitsregierung mit der Rechtspartei ist ausgeschlossen. Die CDU verfolgt eine andere Strategie, um weiteren Erfolgen der AfD entgegenzuwirken.
Die AfD legt in den Umfragen zu, liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union – und die CDU findet kein Konzept dagegen. Der Parteivorstand, das höchste Gremium der CDU, traf sich deshalb am Sonntag zu einer Strategiesitzung, vertraulich und zurückgezogen im eigentlich geschlossenen Gasthaus Schildhorn im Berliner Grunewald. Nach Angaben von WELT aus Teilnehmerkreisen war der Umgang mit der AfD nur ein Thema von vielen.
Das Ergebnis der Beratungen: Es wird keine Abschwächung der Abgrenzungsstrategie gegenüber der AfD geben, keine Annäherung, keine Zusammenarbeit. Der Vorschlag des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Peter Tauber und einiger anderer Unionspolitiker vor wenigen Tagen, „über eine neue Rote-Linie-Politik nachzudenken“, die auch Entscheidungen zulässt, denen die AfD zustimmt, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im Osten wurde die Möglichkeit von Minderheitsregierungen – die dann wohl von der AfD geduldet werden müssten – als Option ausgeschlossen. Der Unvereinbarkeitsbeschluss, den die CDU auf ihrem Hamburger Parteitag 2018 getroffen hatte, also das Kooperationsverbot mit AfD und Linken, bleibe bestehen, hieß es am Montagmorgen aus Teilnehmerkreisen.
Nur: Bisher konnte die AfD dadurch nicht auf Distanz gehalten werden. So weiterzumachen wäre für die CDU fatal, das war den Mitgliedern des Präsidiums bewusst. Die aktuelle Strategie muss daher überarbeitet und angepasst werden. „Eine Brandmauer ist etwas Passives, das einen Brand vorübergehend stoppen soll, bis er gelöscht ist. Aber wir müssen die Brandursachen bekämpfen“, sagten Teilnehmer gegenüber WELT.
Aber wie? Die Antwort der Spitzengruppe lautete: indem man den Wählern die Gründe vorenthält, extreme Parteien zu wählen. Und durch die Aufarbeitung der Fehler der Union in der Vergangenheit. Beispielsweise im Wahlkampf vor der Bundestagswahl im Februar. Das klingt vielleicht nicht spektakulär, aber ein schnell wirksames Konzept, das sich einfach umsetzen lässt, ist unrealistisch. So kam die Mehrheit der Mitglieder des Präsidiums nach einer Wahlkampfanalyse eines Beraters zu dem Schluss, dass es ein Fehler sei, Gesetze zur Einwanderungsbegrenzung in den Bundestag einzuführen und explizit darauf hinzuweisen, dass Mehrheiten mit der AfD für den Erfolg berücksichtigt würden, wie es im Januar geschah. Zudem hat die Union im Wahlkampf so viel versprochen, dass die Erwartungen der Bevölkerung enorm waren – und damit auch das Potenzial für Enttäuschungen.
Konzept: „Besser regieren“
Um die AfD auf Distanz zu halten, hat die CDU am Konzept des „besser regieren“ festgehalten, angereichert mit der Strategie, in Zukunft keine inhaltlichen Entscheidungen mehr zu treffen, mit Blick darauf, ob die AfD mitmachen könnte und wie sie darauf reagieren würde. Das Fazit lautet: Man muss auf seinem eigenen Kurs bleiben und darf nicht ständig prüfen, was die AfD macht. Vor allem müssen die Probleme im Land schneller und besser gelöst und das Gespür in der Partei dafür geschärft werden, was die Deutschen besonders beschäftigt.
Teil der Prüfung war ein Vortrag des Psychologen und Gründers des Rheingold-Instituts Stephan Grünewald. Vor einigen Tagen erklärte er in einem Interview mit WELT, dass sich viele Menschen angesichts von Krisen wie Corona oder dem Krieg in der Ukraine zunehmend machtlos fühlen.
Mit Blick auf die CDU erklärte Grünewald, dass die Firewall angesichts ausbleibender Reformen als „Staudamm“ wahrgenommen werde: „Dann haben die Leute das Gefühl, dass es auf der anderen Seite der Firewall Leute gibt, die es vielleicht besser können. Und dann wird die Firewall vielleicht irgendwann obsolet, weil ein Regieren ohne die AfD nicht mehr möglich sein wird.“ Diese These wiederholte und erläuterte Grünewald in der Präsidiumssitzung.
Das Fazit der Präsidiumsmitglieder lautete: Die CDU müsse stärker als bisher Lösungen präsentieren, sich stärker von der Abstiegsgeschichte, die die AfD über Deutschland erzählt, distanzieren und zum „Mutmacher“ werden. Und hüten Sie sich vor Polarisierung und „Kulturkriegen“ mit extremen Parteien – machen Sie also „ihr Ding“. Wie schwierig dies jedoch ist, zeigen die unterschiedlichen Meinungsverschiedenheiten, die derzeit mit der SPD in der schwarz-roten Koalition herrschen.
Nikolaus-Puppe Berichte über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.