![Polizist notoperiert, Bombenexplosionen, 390 Festnahmen – Berlins vorläufige Bilanz Polizist notoperiert, Bombenexplosionen, 390 Festnahmen – Berlins vorläufige Bilanz](https://bwabtk.com/wp-content/uploads/2025/01/new-year-s-celebrations-in-berlin.jpeg)
Ein schwer verletzter Polizist in Prenzlauer Berg, ein entglaster Straßenzug nach der Explosion einer Kugelbombe, ein evakuiertes Haus in Schöneberg, ein erblindeter Mann und viele weitere Böller-Opfer, 390 Festnahmen und 16 verletzte Einsatzkräfte – das ist die vorläufige Silvesterbilanz für Berlin.
Ein Polizist wurde in der Nacht schwer verletzt. Das sagte Polizeisprecher Florian Nath dem Tagesspiegel. Um ein Uhr wurde der Beamte an der Kreuzung Prenzlauer Allee, Danziger Straße nach ersten Erkenntnissen der Polizei von einem mutmaßlich illegalem Feuerwerkskörper am Bein getroffen.
Der Polizist blutete sehr stark, deshalb bestand der Verdacht, dass lebenswichtige Blutgefäße beschädigt worden sein könnten. Ein Beamter mit Sanitäterausbildung legte seinem Kollegen einen sogenannten Tourniquet an, um den Blutfluss ins Bein zu stoppen. Zur Erklärung: Wenn etwa durch einen Messerstich ins Bein die Arterie verletzt wird, verbluten die Opfer und sterben binnen weniger Minuten.
Der Polizist wurde in ein Krankenhaus gebracht und dort notoperiert. Bei demselben Einsatz in Prenzlauer Berg ist auch eine Polizistin verletzt worden. Splitter trafen laut Sprecher Nath ihre Hand. „Das ist einer der Tiefpunkte des heutigen Abends“, sagte Nath. Polizisten seien bei dem Einsatz auf der Kreuzung von umstehenden Personen angegriffen worden.
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390 Festnahmen, 16 verletzte Helfer
Mindestens 390 Menschen wurden in der Silvesternacht wegen unterschiedlicher Straftaten festgenommen. Das teilte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Neujahrsmorgen der Deutschen Presse-Agentur mit. Nach einer vorläufigen Bilanz seien 15 Polizisten und eine Einsatzkraft der Feuerwehr verletzt worden. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatten allein 34 Polizeibeamte Verletzungen erlitten.
„Für den weitaus überwiegenden Teil der Berlinerinnen und Berliner und der Gäste war es ein friedliches Silvester“, sagte die SPD-Politikerin. „Dennoch kam es zu Straftaten, bei denen Unbeteiligte und Einsatzkräfte verletzt wurden. Ich verurteile diese Taten aufs Schärfste und erwarte, dass sie konsequent aufgearbeitet und strafrechtlich verfolgt werden.“ Solche Gewalt sei ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft und werde in Berlin nicht toleriert.
Wegner will Silvester-Täter mit hohem „Ermittlungsdruck“ verfolgen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte intensive Ermittlungen nach den Angriffen auf Einsatzkräfte an. „Mit Kugelbomben auf Polizisten schießen, mit Pyrotechnik oder Steinen die Einsatz- und Rettungskräfte der Feuerwehr angreifen – unfassbar“, sagte Wegner dem Tagesspiegel. „Wir werden diese Angriffe auf unsere Einsatzkräfte niemals hinnehmen und auch im Nachgang den Ermittlungsdruck hochhalten. Solche Straftäter müssen die volle Härte des Rechtsstaats spüren. Dabei vertraue ich auf die Berliner Polizei und Justiz.“
Der Regierungschef dankte Polizei und Feuerwehr für den „sehr intensiven Einsatz in der SIlvesternacht“, der vielen Menschen einen friedlichen Start ins neue Jahr ermöglicht habe. „Der Einsatz hat aber auch Schlimmeres verhindert, wie die Festnahmen von rund 400 mutmaßlichen Straftätern zeigen.“ Den verletzten Polizistinnen und Polizisten wünschte er eine schnelle Genesung. Zugleich dankte Wegner den Berliner Wasserbetrieben, die mit der Feuerwehr den folgenreichen Wasserrohrbruch in Wedding „in Rekordzeit“ in den Griff bekommen hätten.
Feuerwehr mit fast 1900 Einsätzen – vermehrt auch in Wohngebäuden
Die Berliner Feuerwehr bilanzierte über den Jahreswechsel zwischen 19 Uhr und 6 Uhr 1892 Einsätze. Das waren 294 mehr als im Vorjahr. Darunter waren laut einer Mitteilung 825 Brände, 847 Rettungsdiensteinsätze sowie 220 technische Hilfeleistungen und sonstige Einsätze. In 13 Fällen wurden Einsatz- und Rettungskräfte laut Feuerwehr angegriffen oder bei ihrer Arbeit behindert.
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© dpa/Soeren Stache
„Auffällig waren in diesem Silvester vermehrt Brände in Wohngebäuden mit gefährdeten Personen, die durch die Berliner Feuerwehr gerettet und versorgt wurden“, hieß es in einer Mitteilung. Außerdem sei die Feuerwehr zu zwei Einsätzen ausgerückt, bei denen es durch pyrotechnische Erzeugnisse zu erheblichen Personen- und Gebäudeschäden gekommen sei.
Schöneberg: Bewohner suchen Zuflucht in Kältebus der Feuerwehr
In Schöneberg explodierte in der Nacht nach ersten Erkenntnissen eine Kugelbombe. Die Fenster der Fassaden mehrerer Wohnhäuser im Bereich Hauptstraße, Ecke Vorbergstraße und Belziger Straße sind durch die Druckwelle zerstört worden. Nach vorläufige Angaben der Polizei sind mehrere Personen verletzt worden.
„So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte ein Beamter. Auf der Hauptstraße hätten sich den ganzen Abend schon Gruppen mit Böllern beschossen. Zum Zeitpunkt der Detonation sei seine Einheit nur zehn Meter entfernt gewesen. „Wären wir nur ein paar Meter weiter gewesen, hätte es uns voll erwischt.“ Ein anderer Beamter sagte: „Sowas haben wir noch nicht erlebt. Die haben Silvester mit Krieg verwechselt.“
Das Haus in der Vorbergstraße 1 wurde von der Polizei evakuiert, für die Bewohner stellte die Feuerwehr einen Kältebus bereit. Auch eine Familie mit kleinem Kind musste dort in den frühen Morgenstunden Zuflucht suchen. Nach Angaben der Polizei mussten Kriminaltechniker anrücken, um weitere Gefahren auszuschließen. Auch die Fenster einer Apotheke gegenüber gingen zu Bruch.
Ein Sprecher der Feuerwehr sagte am Neujahrstag, dass 36 Wohnungen infolge der Explosion vorerst unbewohnbar seien. Zwei Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden. Der Sprecher beschrieb die Szenerie als „Schlachtfeld“.
Zuvor soll schon in Tegel soll eine Kugelbombe im Eingangsbereich eines Wohnhauses detoniert sein, wie die Polizei mitteilte. Acht Menschen wurden nach Feuerwehrangaben verletzt, darunter zwei lebensbedrohlich. Unter den beiden Schwerstverletzten sei auch ein Kleinkind.
Auch andernorts waren im Verlauf der Nacht bombenartige Detonationen zu hören, die weit über das normale Maß von Silvesterfeuerwerk hinausgingen.
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© REUTERS/Christian Mang
In der Kreuzberger Ritterstraße stand laut Angaben der Feuerwehr nach Mitternacht ein ehemaliges Parkhaus auf zwei Etagen in voller Ausdehnung in Flammen. Rund 90 Einsatzkräfte rückten allein zu diesem Brand aus. Es gab keine Verletzten. Am Silvesterabend hatten in einer Tiefgarage in der Waldemarstraße, ebenfalls in Kreuzberg, fünf Autos und ein Motorroller gebrannt.
Fünf Verletzte durch Kugelbomben im Krankenhaus, ein Mann erblindet
Das Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) musste bis zum Neujahrsmorgen 15 Böllerverletzte, ausnahmslos männlich, behandeln. Diese waren zum Teil schwerstverletzt, allein fünf von ihnen wurden Opfer von Kugelbomben. Auch Kinder seien unter den Verletzten, teilte Kliniksprecherin Angela Kijewski dem Tagesspiegel mit. Ein Mann sei vollständig erblindet. Andere hätten Finger oder Teile von Händen verloren. Neben Verbrennungen seien auch viele Gesichtsverletzungen und ungewöhnlich viele Augenverletzungen zu verzeichnen gewesen.
Es sei eine „anstrengende Nacht“ in der Klinik gewesen, sagte Kijewski – nicht nur für die Brandspezialisten und Handchirurgen, sondern auch für die Mund-/Kiefer-/Gesichtschirurgie sowie die Fachleute der benachbarten Augenklinik, die mit dem UKB besonders zum Jahreswechsel eng kooperiert.
„Wir erwarten am Neujahrstag mindestens noch mal so viele Verletzte“, sagte Kijewski, die schon viele Jahreswechsel als Kliniksprecherin miterlebt hat. „Viele werden sich jetzt erst wach und werden sich der Schwere ihrer Verletzungen bewusst, wenn die Wirkung des Alkohols nachlässt.“ Außerdem beschere das Aufsuchen von Blindgängern meist eine hohe Anzahl weiterer Bölleropfer.
Einsatzkräfte wiederholt mit Pyrotechnik beschossen
In den Böllerverbotszonen am Alexanderplatz, im Steinmetzkiez in Schöneberg und im Reuterkiez in Neukölln sei es weitgehend ruhig geblieben, sagte Polizeisprecher Nath. Es habe dort keine größeren Zwischenfälle gegeben.
Allerdings seien drumherum immer wieder Rettungskräfte der Feuerwehr und Polizisten „immer wieder mit Pyrotechnik beschossen worden“, sagte Nath. Bis zum Jahreswechsel sei es weitgehend ruhig gewesen, zwischen null und zwei Uhr sei Polizei besonders gefordert gewesen. Wo es Angriffe gegeben habe, sei die Polizei sofort energisch eingeschritten. Das zeigen auch Videos in den sozialen Medien.
Die Polizei habe nach vorläufiger Bilanz Verstöße gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz festgestellt, sagte Nath. Es habe nur wenige Gewaltdelikte und einige Widerstandshandlungen gegen Beamte gegeben. Die Polizei sei vorbereitet gewesen und habe Gewalt unterbunden.