
Wenn es nach Kanzler Friedrich Merz geht, ist bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur nun alles klar. „Alles, was baureif ist, wird gebaut“, sagte der CDU-Politiker nach dem Koalitionsgipfel. Dies gelte laut Merz für den Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen ebenso wie für den Ausbau des Schienennetzes.
Es ist ein vollmundiges Versprechen, das auch notwendig ist, um die Glaubwürdigkeit der schwarz-roten Koalition wiederherzustellen. In den Wochen und Monaten zuvor warnte die Bauwirtschaft und der frühere Bahnchef Richard Lutz mehrfach davor, dass der Ausbau des Autobahn- und Schienennetzes in den kommenden Jahren völlig zum Erliegen kommen könnte.
Denn in den Haushaltsplänen von Schwarz und Rot war dafür kein Geld vorhanden. Die für die Verkehrsinfrastruktur vorgesehenen Mittel reichten kaum für die Sanierung des Bestandsgebäudes. Dies war der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln.
Schließlich nahmen Schwarz-Rot 500 Milliarden Euro neue Schulden auf, um mit einem Sonderfonds in den nächsten zwölf Jahren die Infrastruktur Deutschlands in Ordnung zu bringen. Doch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den regulären Verkehrshaushalt im Bundeshaushalt gekürzt – und zwar um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr.
Beim Thema Autobahnen schlägt Verkehrsminister Schnieder Alarm
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) ließ dies zunächst geschehen und schlug erst spät Alarm. Mitte September legte er auf Druck der Unionsfraktion eine Liste mit Dutzenden Autobahnprojekten vor, die aufgrund der Finanzplanung Klingbeils nun nicht mehr gebaut werden können. Um diesen Baustopp zu verhindern, forderte er von Klingbeil zusätzlich 15 Milliarden Euro.
Auch nach dem Koalitionsausschuss konnte Klingbeil kaum verbergen, wie sehr ihn die Aktion verärgerte. Nach kurzem Zögern stufte er das Argument schließlich als nicht hilfreich ein. Allerdings erhält der Verkehrsminister nun mehr Geld – allerdings nicht die geforderten 15 Milliarden Euro.
Das Finanzministerium hielt Schnieders Liste für völlig überzogen. Es standen auch viele Projekte darauf, die in dieser Legislaturperiode ohnehin nicht vollständig planbar – also nicht baureif – seien. Klingbeil und Merz wiesen darauf hin, dass der fehlende Betrag nach einer Überprüfung auf 4,7 Milliarden Euro geschrumpft sei.
Im Sondervermögen stellt Klingbeil nun zusätzlich drei Milliarden Euro für den Autobahnausbau zur Verfügung. Dafür verwendet er Geld, das für neue Chipfabriken nicht benötigt wird. Es verbleibt eine Lücke von rund 1,7 Milliarden Euro.
Für die Schiene ist Friedrich Merz nur ein Lippenbekenntnis, für die Straße will er mehr Geld ausgeben
Matthias Gasteleisenbahnpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag
Diese soll nun durch Bürokratieabbau und damit schnellere Bauabläufe sowie durch teilweise private Finanzierung von Bauvorhaben gesteigert werden. Doch selbst die Koalition ist unsicher, ob die Lücke auf diese Weise geschlossen werden kann. In zwei Jahren wollen wir noch einmal prüfen, ob die Mittel wirklich ausreichen.
Auch den Bahnen fehlt viel Geld
Das Versprechen von Merz, dass alle baureifen Projekte umgesetzt werden, ist auch aus einem anderen Grund sehr gewagt. Auch bei der Bahn besteht eine Finanzierungslücke. Allerdings hat der Koalitionsausschuss keine Lösung gefunden, wie dieser geschlossen werden kann.
Bereits im Juli teilte das Bundesverkehrsministerium dem Grünen-Abgeordneten Matthias Gastel mit, dass bis 2029 insgesamt 2,3 Milliarden Euro fehlen würden, um alle baureifen Projekte zum Ausbau des Schienennetzes umzusetzen. Teilweise kursieren auch höhere Schätzungen. Wichtige Projekte wie die neue ICE-Strecke von Frankfurt nach Mannheim oder der Ausbau der Oberrheinstrecke drohen trotz baldiger Baureife nicht in Angriff genommen zu werden. Merz und Klingbeil verloren am Donnerstagvormittag kein Wort darüber, wie diese Lücke geschlossen werden kann.
„Friedrich Merz gibt der Schiene nur ein Lippenbekenntnis ab, während er mehr Geld für die Straße ausgeben will“, sagte Gastel dem Tagesspiegel. Bis 2039 werden der Bahn insgesamt 59 Milliarden Euro fehlen – trotz Sondermitteln.
Gastel wirft der Bundesregierung vor, falsche Prioritäten zu setzen. „Das Autobahnnetz in Deutschland ist weitgehend ausgebaut, während die Züge beispielsweise zwischen Hamburg und Hannover auf der 1847 völlig überlasteten Strecke fahren müssen.“ Mit seiner Politik zwingt Friedrich Merz die Menschen ins Auto und sorgt dafür, dass die Züge auch in zehn Jahren noch unpünktlich sind.
Der CDU-Verkehrspolitiker Michael Donth hingegen zeigte sich zufrieden darüber, dass der Bund nun auf Druck der Unionsfraktion mehr Geld zur Verfügung stelle. „Wir werden den Ausbau und Neubau sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene ermöglichen – ohne dabei die Sanierung zu vernachlässigen“, sagte er dem Tagesspiegel. Das ist ein großer Erfolg für die Verkehrspolitiker der Union im Bundestag.
Nun müssten die baureifen Projekte nacheinander in Angriff genommen werden. „Aber eines ist auch klar: Wir müssen weiter dafür kämpfen, langfristig mehr Mittel für Verkehrsinfrastrukturprojekte bereitzustellen!“