„Planet der Affen: Neues Königreich“ markiert einen weiteren Ausgangspunkt der Serie. Es zeigt, welches explosive politische Potenzial noch in ihr steckt – und wo sie ins Stocken gerät.
Von diesem Film soll eine ganz besondere Version erscheinen: In einem Interview kündigte Regisseur Wes Ball eine CGI-freie Version von „Planet der Affen: Neues Königreich“ fürs Heimkino an. Im Bonusmaterial soll das Publikum das Spiel der meist in grünen Anzügen und aufgeklebten Punkten gekleideten Darsteller unverfälscht erleben können. Man raubt ihnen im Grunde ihr digital erstelltes Pelzkostüm, ihre äußere Hülle. Aus menschenähnlichen Tieren werden wieder Menschen, die Tiere spielen und sich einfach als das sehen wollen und müssen, was sie nicht sind. Der Illusionismus auf der Kinoleinwand wird in seiner Inszenierung zur Schau gestellt.
Unabhängig davon, ob eine solche Fassung tatsächlich auf DVD und Blu-ray erscheint oder nicht: Es wäre die noch konsequentere, cleverere, spannendere Version von „Planet der Affen: Neues Königreich“. Dieser Neustart könnte mit seinem erzählerischen Ballast und seinem Erbe deutlich subversiver und verspielter ausfallen. „New Kingdom“ könnte der Beginn einer neuen Trilogie sein, nachdem die vorherige, bestehend aus „Planet der Affen: Prevolution“, „Revolution“ und „Survival“, 2017 endete Affen“. Darin ging es darum, wie ein neues Alzheimer-Medikament Menschen tötet und die rebellischen Affen mit zunehmender Intelligenz ausstattet, bis der Krieg ausbricht.
„Planet der Affen: Neues Königreich“ spielt viele Jahre nach der vorherigen Trilogie
Das „Neue Reich“ beginnt nun viele Generationen später. Der Schimpanse Cäsar, die Hauptfigur der vergangenen Teile, die sich noch für ein friedliches Zusammenleben einsetzte, ist zu einer Legende und religiösen Figur geworden, die manche vergessen und andere beschimpfen. Ein junger Schimpanse namens Noa erfährt davon zu Beginn der Reise seines Helden, nachdem sein Dorf von einem außerirdischen Affenstamm überfallen und unterworfen wurde. Der brutale Proximus Caesar macht das Motto „Affen gemeinsam stark“ zum Motto eines imperialistischen Regimes. Er will die Kontrolle über alles erlangen und sich das letzte Wissen der Menschheit – vor allem die Kriegsausrüstung – aneignen, um alle unter seiner Führung zu vereinen.
Und dann ist da noch der Mensch, einer der wenigen, die noch anwesend sind: Die geheimnisvolle Mae treibt ihr Unwesen in den Wäldern und wird auch Proximus‘ Reich erreichen, wo es zum Kräftemessen zwischen Menschen und Tieren, aber auch unter den Tieren kommen wird Ort wieder wird eskalieren. „Planet der Affen: Neues Königreich“ erzählt eine komplexe, nachvollziehbare Geschichte über hegemoniale Rassisten, die gewaltsam versuchen, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten. Auch wenn es in gegenseitiger Unterdrückung gipfeln muss. Der Film erzählt vom Hüten und Teilen von Wissen und Ressourcen. Schätze werden gehortet und weggesperrt. Güter, über die sich eine Zivilisation (auch) definiert. Sie wehren sich, sobald andere drohen, diese Schätze für sich zu beanspruchen, die Machtverhältnisse auszugleichen oder gar umzukehren.
Der Kampf um die Vorherrschaft geht weiter
Der Raum der Begierde wird zum Silo, einem versiegelten Bunker mit Büchern, Reliquien, Panzern und Waffen, zu dem die Kriegsparteien Zutritt erlangen wollen. Wes Balls Film öffnet sich für Diskurse, die im Kontext aktueller wirtschaftlicher Konkurrenz, aber auch kolonialer und postkolonialer Umbrüche, insbesondere im Umgang mit Ländern des globalen Südens, äußerst brisant sind. In seinen Fragen der Souveränität, der Angst vor, aber auch der Möglichkeit einer Umverteilung von Privilegien ist „Planet der Affen: Neues Königreich“ das gründlich reflektierte, selbstkritische Produkt einer Zeit, die sich mit weiterhin dominanten Gewalterfahrungen beschäftigt – nicht nur, aber vor allem in den westlichen Verständnisländern.
„New Kingdom“ hat keine Lösung für solche Parallelen und Konflikte. Er demonstriert es und endet mit einer sowohl bedrohlichen als auch hoffnungsvollen Note, die alle Optionen offen lässt. Utopie oder Dystopie, Vernichtung oder Verständigung, beides ist hier möglich. Man könnte optimistisch sagen: Dieser Film zeigt, wie die Themen und Streitpunkte der Serie dennoch anschaulich visualisiert und aktualisiert werden können. Weniger optimistisch könnte man sagen: Er scheut immer noch das Konkrete, verlässt sich zu sehr auf vage definierte Diskurse, an denen die Serie seit Jahrzehnten arbeitet, und bleibt letztlich auf der Stelle. Nach überraschend ruhigen zweieinhalb Stunden drehte sich „New Kingdom“ im Kreis, anstatt die Serie voranzutreiben.
„Planet der Affen: Neues Königreich“ verknüpft Machtfragen mit Rassismusdiskursen
Darüber hinaus bleibt fraglich: Ist dieses Filmuniversum problemlos geeignet, die beschriebenen Fragen nach Ungleichverteilung, Hierarchien und Zugang zu Wissen und Ressourcen zu verhandeln, die verschiedene Parteien für ihre Position auf einer solch universalistischen und menschlichen Ebene beanspruchen? „New Kingdom“ lässt einen skeptisch zurück, denn im Kern greift die Affensaga stets auf ihren diskutierten und restriktiven Speziesismus und Rassismus zurück.
Die „Planet der Affen“-Filme wurden im Laufe der Jahre immer wieder als Auseinandersetzung mit Rassismus rezipiert. Es wurden Bilder verheerender weißer Vorherrschaftsphantasien hervorgerufen, die Menschen mit dunkler Hautfarbe gewaltsam degradieren und mit wilden Tieren gleichsetzen, während sich gleichzeitig das gesellschaftliche Kräfteverhältnis neu verschiebt. Solche Lesarten liegen auf der Hand und werden auch im „Neuen Reich“ angesprochen. Sie sind thematisch miteinander verknüpft. Allerdings bewegt sich die Serie seit jeher auf dünnem Eis, wenn es darum geht, welche Darstellungen sie wählt, wo sie rassistische Bilder und Ansichten entlarvt, untergräbt oder einfach nur reproduziert.
Alle Enden sind offen
Auch „New Kingdom“ offenbart Unsicherheit, da es einerseits über abstrakte Diskussionen mit Phantasmen des unterdrückten Fremden stolpert und andererseits. Dabei ist seine Aufdeckung rassistischer, sozialdarwinistischer Denkweisen nie rein ideologischer oder weltanschauungskritischer Natur, sondern vielmehr von Konflikten um die (veränderte) biologische Natur und Evolution der Lebewesen umgeben. Ihre Trennung wird nie vollständig geklärt werden. Damit hängt nicht zuletzt die Frage nach den daraus abgeleiteten Machtansprüchen zusammen. Ist dies eine subversive Demonstration dafür, wie die Macht auch heute noch heimlich versucht, sich durch die ständige Verfolgung solch entwürdigender Denkmuster zu rechtfertigen? Oder ist nicht die gesamte allegorische Ebene äußerst schief aufgebaut?
Letzten Endes ist es genau diese Unbeholfenheit und Unlösbarkeit im Umgang mit Konflikten, die eigentlich anregend ist. Das offene Ende ist hierfür wohl die passende Form. Die „Planet der Affen“-Filme sind Denkanstöße und Denkprozesse, die derzeit keine klare Lösung oder künstlerische Überwindung bestehender Machtverhältnisse und Denkweisen erreichen können.
Ein vielversprechender geplanter Bonus für die Blu-ray
Würde die Serie nun von ihren digitalen Tricks und Transformationen befreit und aggressiver als menschlicher Spielprozess, als Beobachtung der Ideologiebildung und (un)menschlichen Zuschreibung entlarvt, könnte ihr Konzept möglicherweise noch erstaunlicher und kritischer sein. Die geplante effektfreie Version dieses Films wäre hierfür sicherlich eine interessante neue Form. Es könnte ein Versuch und eine produktive Wendung in der Optik sein, die es uns ermöglicht, diese Ausweitung sozialer Kämpfe und die Mechanismen, mit denen Parteien hier aufgebaut werden, anders zu sehen.
Doch auch in seinem aktuellen Illusionismus ist „Planet der Affen“ eine der spannendsten Filmreihen überhaupt. An Regiequalitäten mangelt es ihr keineswegs, auch wenn sie in ihrem Weltaufbau vor Fragilität zurückschreckt. „New Kingdom“ ist ein großes Spektakel, das zugleich eine Ernsthaftigkeit und Reife besitzt, wie sie das Hollywood-Blockbuster-Kino in den letzten Jahrzehnten nur selten einfangen konnte.
Visuelle Gewalt zwischen Postapokalypse und Hollywood-Western
Regisseur Wes Ball, zuvor bekannt für die „Maze Runner“-Filme, beweist ein wunderbares Gespür für die Führung seiner Charaktere und die Schaffung nuancierter emotionaler Szenen. Aber auch für die weiten, grenzenlosen Bilder: Die Postapokalypse in „New Kingdom“ wirkt verstörend und betörend schön, wenn Affen die heruntergekommenen, überwucherten Wolkenkratzerruinen hinaufklettern. Wenn verrostete, heruntergekommene Schiffsfriedhöfe neue Territorien bilden und Menschen und Tiere versuchen, gegen die Naturgewalten anzukämpfen.
Die Kameraarbeit von Gyula Pados erzeugt in solchen Szenarien üppige Panoramen und dynamische Raumbewegungen. Manchmal konzentriert sie sich auf die erstaunlich lebendig animierten Affengesichter in Nahaufnahmen. Manchmal schwingt die Kamera an einer Ranke hin und her. Anschließend inszeniert sie die rasante Verfolgungsjagd zu Pferd mit Ausritten, die an klassische Western erinnern. Auch mit solchen szenischen Anleihen schließt sich in „Planet der Affen: Neues Königreich“ ein Kreis zur Frage nach dem Umgang mit kulturellem Erbe, mit überlieferten oder vergrabenen Bildern und Ideen. Missbraucht man es für Gewalt und Allmachtsphantasien oder lernt man daraus? Werden sie genutzt, um in einen progressiven sozialen Austausch einzutreten?
Wer hätte gedacht, dass ein Science-Fiction-Blockbuster im Jahr 2024 ein so starkes Plädoyer für das Lesen und die Macht von Literatur und Büchern sein könnte? Bücher, deren Wissen Horizonte erweitert, deren materielle Zeit ihre Spuren hinterlässt. Sie bieten eine Sprache, können Netzwerke öffnen, zeigen Bilder, deren Wissen Weltbilder erhellen, zerstören oder gefährlich umschreiben kann.
„Planet der Affen: Neues Königreich“ läuft seit dem 8. Mai 2024 in den deutschen Kinos.
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