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Pflegeabschlüsse sollen bleiben – Nina Warkens neue Pläne

Allein für das Jahr 2026 fehlen zwei Milliarden Euro in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Koalition versucht derzeit, die Finanzlöcher in der Endphase zu stopfen. Langfristig helfen nur grundlegende Veränderungen in der Pflege. Daran arbeitet eine Bund-Länder-Gruppe (Zukunftspakt Pflege) und hat nun einen ersten Zwischenstand vorgelegt.

Was sind die wichtigsten Zwischenergebnisse?

Den Zwischenergebnissen zufolge soll die Soziale Pflegeversicherung (SPV) nicht zur Vollkaskoversicherung werden. Bund und Länder wollen daher weiterhin sicherstellen, dass die Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten für die Pflege pflegebedürftiger Menschen übernimmt. Die restlichen Kosten müssen die Betreuer aus eigener Tasche tragen. Laut dem Papier, das auch dieser Redaktion vorliegt, sollen diese pflegebezogenen Eigenleistungen begrenzt bzw. in ihrer Erhöhung gemindert werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, könnte der sogenannte Base-Tip-Swap sein.

Damit würde sich das bisher offene Risiko von Kostensteigerungen, das derzeit bei den Pflegebedürftigen liegt, umkehren. Es ist denkbar, dass der Pflegebedürftige künftig einen Grundbetrag zahlt. Die Pflegeversicherung würde dann die verbleibenden steigenden Kosten übernehmen. Die Arbeitsgruppe schlug vor, diese Option im Hinblick auf den stationären Bereich zu konkretisieren und eine Übertragung in den ambulanten Bereich zu prüfen. Es ist noch unklar, welche finanziellen Auswirkungen ein solcher Systemwechsel haben würde. Experten gehen von Mehrkosten in Milliardenhöhe aus.

Im Hinblick auf die Finanzierung der Pflege will die Kommission auch eine obligatorische private Zusatzversicherung prüfen. Sie hat einige Modellrechnungen zur Pflegekostenversicherung im stationären Bereich sowie zur Pflegetagegeldversicherung mit monatlicher Deckungssumme von 1.000 Euro und 2.000 Euro in Auftrag gegeben. Auch eine Opt-out-Variante sollte geprüft werden. Versicherte müssten dann einer solchen Zusatzversicherung aktiv widersprechen.

Minister Warken

Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will die bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung überprüfen.
© Soeren Stache/dpa | Sören Stache

Nach den Plänen der Arbeitsgruppe soll die Systematik der Pflegestufen grundsätzlich beibehalten werden. Dies gilt auch für die Pflegestufe 1, deren mögliche Abschaffung kürzlich diskutiert wurde. Allerdings sollten sich die Angebote dieser Versorgungsstufe „stärker auf die Prävention konzentrieren“, etwa für eine verbesserte Pflegeunterstützung. In diesem Zusammenhang empfiehlt die Fachgruppe auch, den Entlastungsbetrag künftig ganz oder teilweise umzuwidmen. Ziel war die Schaffung einer „frühfachpflegerischen, präventionsorientierten Betreuung“. Der Entlastungsbeitrag für die Pflegestufe 1 beträgt derzeit 131 Euro monatlich. Betroffene können das Geld für verschiedene Formen der Pflegeunterstützung und Hilfe im Haushalt verwenden.

Es wurde auch gefordert, die Leistungen der Pflegeversicherten stärker zu dynamisieren, also automatisch und regelmäßig an steigende Kosten anzupassen. Die letzte Erhöhung erfolgte zu Jahresbeginn, die nächste ist erst 2028 geplant. Nichtversicherungsbezogene Leistungen sollen künftig aus Steuermitteln finanziert werden. Die Vorschläge sollen nun bis zur Abschlusssitzung der Arbeitsgruppe im Dezember dieses Jahres konkretisiert werden. Warken hatte den AG erst im Juli ernannt und Arbeitsaufträge dargelegt.

Was sagen Gesundheitspolitiker dazu?

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) forderte mit Blick auf den Zwischenbericht eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Ständige Beitragserhöhungen und zusätzliche Belastungen könnten keine Lösung sein. „Um die Effizienz zu steigern, müssen die Potenziale in der Pflege stärker gehoben und die Wirkung bisheriger Leistungen überprüft werden. Die Einnahmen im System müssen ausreichen, um das Leistungsversprechen zu finanzieren“, sagte sie laut Mitteilung.

Capital Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE-Zentralredaktion

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Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Simone Borchardt, nannte den Zukunftspakt Pflege einen „wichtigen ersten Schritt, um die Pflege in Deutschland zukunftsfähig zu machen“. Viele Ansätze seien zusammengestellt, entscheidende Fragen seien aber noch offen, sagte Borchardt unserer Redaktion. „Pflege muss nicht nur gemanagt werden, sie muss neu gedacht werden. Wir brauchen weniger Bürokratie, mehr Prävention und eine echte Stärkung der häuslichen Pflege“, fuhr sie fort.

Warum sind überhaupt Reformen nötig?

Dies stellt auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe in ihrem Zwischenbericht sehr deutlich dar. „Das aktuelle Leistungsrecht (…) mit einem konstanten, rechnerischen Beitragssatz von 3,8 Prozent und der erwarteten demografischen Entwicklung wird künftig zu einem jährlich steigenden Finanzierungsdefizit führen, das im Jahr 2033 sein Maximum von rund 15 Milliarden Euro erreichen könnte“, heißt es in dem Papier. Grundsätzlich besteht in der SPV – ebenso wie in den anderen Sozialsystemen, der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Rentenversicherung – eine finanzielle Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben. Nach Informationen dieser Redaktion beträgt die Deckungslücke für 2026 noch gut zwei Milliarden Euro, die voraussichtlich mit einem neuen Kredit des Bundes an die SPV geschlossen wird.

Welche Kritik gibt es am Zwischenbericht?

Der Verband der Deutschen Alten- und Behindertenhilfe. V. (VDAB), der die Interessen von über 1.800 Mitgliedsunternehmen in der ambulanten und stationären Alten- und Behindertenhilfe vertritt, greifen die Vorschläge jedoch zu kurz. Angesichts der Herausforderungen erschienen die geplanten Schritte zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung „bisher eher zögerlich“, sagte VDAB-Geschäftsführer Thomas Knieling dieser Redaktion. „Eine verlässliche Dynamisierung der Leistungshöhen könnte die Eigenbeiträge dämpfen, allerdings würden sich die Finanzierungsprobleme in der Pflegeversicherung verschärfen, wenn die Kostensteigerungen nicht wirksam begrenzt werden“, so Knieling weiter. Er plädierte außerdem für mehr unternehmerische Flexibilität bei Pflegeeinrichtungen und weniger Bürokratie.

Auch der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschlands (ASB) kritisierte die Zwischenergebnisse: Viele zentrale Vorschläge seien genannt, aber nicht geprüft worden. „Das ist das alte Muster“, sagte ASB-Geschäftsführer Uwe Martin Fichtmüller dieser Redaktion. „Begriffe aufgreifen, Debatten andeuten, Erwartungen wecken – und dann im Kleingedruckten zurückrudern.“ Aber der Mensch braucht Sicherheit – keine Rechenmodelle, die keiner versteht.

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