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Person der Woche: Schwarzer Dezember für Wladimir Putin

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Person der Woche


Schwarzer Dezember für Wladimir Putin

Von Wolfram Weimer

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Rubel-Absturz, Unruhen in der Provinz, hohe Frontverluste in der Ukraine und nun die spektakuläre Niederlage in Syrien. Der russische Präsident wirkt plötzlich wie ein Verlierer. Das Syrien-Debakel könnte eine Kettenreaktion auslösen. Plötzlich rumpelt es in Moskau.

Um Wladimir Putin braut sich etwas zusammen. Eine schlechte Nachricht nach der anderen erreicht derzeit den Kreml. Drei Krisen erschüttern Putins Machtgefüge.

Das Debakel begann zunächst mit dem Rubel-Absturz, ausgelöst durch neue US-Sanktionen gegen die Gazprom-Bank. Seitdem stürzt der Rubel ab und ist mittlerweile eine der schwächsten Währungen aller Zeiten. Dies macht der Welt deutlich, dass Putins Kriegswirtschaft und Russlands Staatsfinanzen stark unter Druck geraten. Die Unzufriedenheit innerhalb Russlands wächst rasant. Vor allem Haushalte und Unternehmen zahlen mit enormen Zinsen den Preis für die finanziellen Schwierigkeiten. Der wichtigste Leitzins liegt bereits bei 21 Prozent und dürfte bald weiter steigen.

Normale Russen müssen mittlerweile mehr als 25 Prozent Zinsen für kurzfristiges Geld zahlen. Das Kreditgeschäft und die Investitionen ziviler Unternehmen (Verteidigungsunternehmen werden subventioniert) kommen nahezu zum Erliegen. Im Land herrscht deshalb Unruhe, und der Russische Verband der Industriellen und Unternehmer (RSPP) wagt es inzwischen sogar, die dramatische Finanzlage offen zu kritisieren. Nach fast drei Jahren Krieg gerät Putin wirtschaftlich unter Druck.

Fortschritte an vorderster Front mit immensen Kosten

Die zweite schlechte Nachricht kommt von der Front in der Ukraine. Die russischen Truppen rücken kilometerweit langsam, aber stetig vor. Doch die Meldungen über eigene Verluste sind erschreckend hoch. Militärblogger berichten von einem „gigantischen menschlichen Fleischwolf an vorderster Front“. Die Armeeführung opfert eine alarmierende Zahl an Soldaten für minimale Geländegewinne. Allein am vergangenen Donnerstag verlor Russland laut ukrainischen Militärbeobachtern mehr als 2.000 Soldaten – sowohl getötete als auch verwundete. Das ist bisher die höchste Zahl an einem Tag.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wies in einer Rede auf dem Reagan National Defense Forum in Kalifornien darauf hin, dass die russische Armee seit Beginn des Angriffskrieges im Februar 2022 mindestens 700.000 Opfer erlitten habe. Laut Austin habe Russland zudem „mehr als 200 Milliarden Dollar“ verschwendet „Über den Krieg.

Die hohen Opferzahlen und die im Rubel-Absturz sichtbare Finanzkrise bilden für Putin eine giftige Mischung aus innerer Unzufriedenheit, zumal es keine durchschlagenden militärischen Erfolge gibt. Trotz der hohen Verluste gelingt es der russischen Armee nicht einmal, die ukrainischen Truppen aus der Region Kursk im eigenen Land zurückzudrängen. Der verantwortliche Kommandant wurde ersetzt. Bei einem Auftritt im Kremlpalast, wo Putin den „Helden Russlands“ die Goldstern-Medaille verlieh, waren im Publikum ungewöhnlich versteinerte Minen zu sehen. Kurzum: Die Stimmung verdüstert sich.

Wegen der Weltmacht

Mitten in der Dezemberkrise kommt der Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Für Putin ist dies ein militärisches Debakel und eine große geopolitische Schande. Fast zehn Jahre lang hielt Russland den Diktator mit enormen Kosten an der Macht. Jetzt war alles umsonst. Moskau muss sogar um einen sicheren Abzug seiner verbliebenen Truppen betteln. Putin hat nicht nur Einfluss und Kontrolle über einen wichtigen Verbündeten im Nahen Osten verloren, er läuft auch Gefahr, seinen einzigen Marinestützpunkt im Mittelmeer zu verlieren.

Der Sturz Assads schwächt die geopolitische Machtposition Russlands dramatisch. Die ganze Welt erkennt nun, dass Russland seine ohnehin schon wenigen Unterstützer nicht schützen kann. Das eklatante Bild der russischen Schwäche wird dazu führen, dass Russland anderswo erneut auf die Probe gestellt wird – etwa in Georgien, aber auch in seinen eigenen Provinzen, insbesondere in den überwiegend muslimischen. In der russischen Teilrepublik Dagestan kam es zu Unruhen. Islamistische Oppositionsgruppen fühlen sich durch die Ereignisse in Syrien ermutigt, Moskau herauszufordern.

Insgesamt zeigt die Situation, dass Russland mit Putins aggressiver Politik in eine klassische Krise der imperialen Überdehnung geraten ist. Auch die russische Intervention in Libyen und anderen afrikanischen Staaten scheitert weitgehend. Russland ist plötzlich von einer vermeintlichen Weltmacht zu einer Regionalmacht geschrumpft, die Grenzkriege führt.

Offen für Verhandlungen wie nie zuvor

Putin droht eine Kettenreaktion schlechter Entwicklungen. Diplomaten berichten, dass dies einer der Gründe dafür sei, dass der Kreml im Ukraine-Krieg plötzlich offener für sofortige Friedensverhandlungen sei. Hinter den Kulissen habe es in den letzten Tagen „viel Bewegung“ in Richtung Beginn der Waffenstillstandsgespräche gegeben. „Moskau scheint zu begreifen, dass es besser wäre, den Krieg in politische Verhandlungen münden zu lassen“, sagt ein Nato-Vertreter in Brüssel.

Tatsächlich äußerte sich der Kreml am Sonntag ungewöhnlich direkt, als er erklärte, Russland sei offen für Gespräche über die Ukraine, nachdem der gewählte US-Präsident Donald Trump „einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen“ gefordert hatte. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, die Friedensverhandlungen müssten auf den 2022 in Istanbul getroffenen Vereinbarungen und auf den aktuellen Realitäten auf dem Schlachtfeld basieren. Kiew müsste daher vor Beginn der Verhandlungen massive Gebietsverluste einräumen – erhält aber auch entsprechenden Druck vom designierten US-Präsidenten Donald Trump.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters wies Peskow darauf hin, dass die Ukraine Kontakte mit der russischen Führung durch ein Sonderdekret verboten habe, das aufgehoben werden müsse, wenn die Gespräche fortgesetzt würden. Der Ton ist viel offener für den Beginn und die Beendigung des Krieges. Der Rubel-Absturz, die hohen Opferzahlen, die Schande Syriens, kurz der Schwarze Dezember, scheinen Auswirkungen auf Putin zu haben.

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