Der Handelskrieg zwischen den USA und China dauert schon seit Jahren an, doch in diesen Tagen laufen beide Volkswirtschaften auf Hochtouren. Ein Ende Oktober geplantes Treffen zwischen Chinas Staatschef Xi Jinping und Donald Trump in Südkorea am Rande des Gipfeltreffens der Asien-Pazifik-Wirtschaftsgemeinschaft ist in Gefahr.
Nachdem das Handelsministerium in Peking kürzlich seine Exportbeschränkungen für Seltene Erden verschärft hatte, reagierte US-Präsident Donald Trump mit zusätzlichen 100-prozentigen Strafzöllen auf chinesische Importe. Darüber hinaus erheben die Bundesstaaten seit Dienstag hohe Hafengebühren für die Schiffe der jeweils anderen. China kauft derzeit keine Sojabohnen aus den USA, und am Dienstag drohte Trump mit einem Verzicht auf chinesisches Speiseöl.
Die Chinesen sind fest davon überzeugt, die USA im Griff zu haben
Jörg Wuttke, China-Experte
Ein Ende der Eskalationsspirale ist nicht in Sicht. „Wenn die USA sich für Konfrontation entscheiden, werden wir bis zum Ende kämpfen; wenn sie sich für Dialog entscheiden, bleibt unsere Tür offen“, sagte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Dienstag.
Seine Worte werden vom heimischen Publikum im wahrsten Sinne des Wortes gefeiert. Chinesische Internetnutzer sind stolz darauf, dass sie die einzige Volkswirtschaft der Welt sind, die dem US-Präsidenten Paroli bieten kann. „Sehen Sie sich nur den Showdown zwischen der größten Industrienation der Welt und der größten Finanzwirtschaft an!“ kommentierte ein euphorischer User auf der Online-Plattform Douyin. Ein anderer fragt ironisch: „Wann beginnt der Krieg endlich?“ Vorher wollte er sich noch eine Portion Popcorn holen.
Machtkämpfe
„Die Chinesen sind völlig davon überzeugt, dass sie die USA im Griff haben“, sagt China-Experte Jörg Wuttke. „Sie denken, sie wüssten, wie sie mit Trump umgehen sollen – indem sie Stärke mit Stärke erwidern.“
Es gibt wohl nur wenige Experten, die beide Weltmächte so gut kennen wie Wuttke: Der gebürtige Heidelberger lebte mehrere Jahrzehnte in China, wo er milliardenschwere Investitionen für den Chemieriesen BASF aushandelte und später als Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking fungierte. Mittlerweile lebt der Wirtschaftsexperte in der US-Hauptstadt Washington, wo er Partner der Beratungsagentur DGA Albright Stonebridge ist.
Tatsächlich war die chinesische Regierung mit ihrer Strategie bislang vergleichsweise erfolgreich. Im Gegensatz zur Europäischen Union drängt sie nicht auf einen schnellen Deal, ganz im Gegenteil. Trump gilt als unberechenbar und unfähig, sein Wort zu halten. Chinas Verhandlungsstrategie zielt nicht auf die Erreichung eines großen Ziels ab, sondern zielt in erster Linie auf einen Zeitgewinn ab.
„Die Chinesen haben erkannt, dass sie den Mann im Weißen Haus beschäftigen müssen – und ihm regelmäßig kleinere Erfolge bescheren, die er dann als große Durchbrüche an das eigene Volk verkaufen kann“, sagt Wuttke.
Aus dem Gleichgewicht
Anzeichen dieses Zick-Zack-Kurses sind bereits zu beobachten: Trumps Rhetorik gegenüber Peking wechselt fast stündlich von aggressiv polternd zu versöhnlich-deeskalierend. Offensichtlich will der US-Präsident einerseits Stärke demonstrieren, gleichzeitig aber den angestrebten „Grand Bargain“ mit China nicht gefährden – und obendrein mögliche Kursrückgänge an der Wall Street auf ein Minimum beschränken.
In Peking zählt jedoch das Wort des Parteivorsitzenden am meisten. Und Xi Jinping weiß, dass das Jahr 2028 nicht mehr so weit entfernt ist: In den USA werden Neuwahlen stattfinden. Xi hingegen bleibt darüber hinaus im Amt.
Im Moment sieht es tatsächlich so aus, als hätte China im Handelskrieg die Oberhand. „Pekings zugrunde liegende Logik ist einfach“, argumentiert Analyst Chuchen Feng vom Beratungsunternehmen Hutong Research: China hat mit seinem De-facto-Monopol bei Seltenen Erden ein Ass im Ärmel. Die USA hingegen können der Volksrepublik mit ihren Tech-Sanktionen nicht im gleichen Ausmaß schaden: Chinesische Unternehmen haben bei Computerchips bereits extrem gut aufgeholt – und könnten bald mit dem Silicon Valley gleichziehen.
Ein Risiko bleibt bestehen
Dennoch könnte es durchaus sein, dass die chinesische Regierung ihre Position überschätzt. „Die USA haben auch ein paar mächtige Waffen im Ärmel“, sagt China-Experte Wuttke. Zwei davon haben das Potenzial, die chinesische Wirtschaft in ihrer Existenz zu gefährden: Trump könnte chinesischen Unternehmen den Zugang zur Wall Street und damit zum größten Kapitalmarkt der Welt verwehren.
Noch drastischer wäre es, wenn der US-Präsident den US-Dollar als geopolitische Waffe einsetzen und China vollständig vom US-Finanzsystem abschneiden würde. Dies würde jedoch nicht nur die Volksrepublik bedrohen, sondern auch die gesamte Weltwirtschaft aus den Fugen bringen – und insbesondere Europa schaden, dessen Handelsbeziehungen mit China nach wie vor stark sind.