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Patienten könnten mehr Medikamente ohne Rezept in Apotheken erhalten

Mehr Impfungen, mehr Tests, mehr Medikamente ohne Rezept: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will mit einer Reform den Apotheken deutlich mehr Verantwortung übertragen und so den Alltag der Patienten erleichtern. Der entsprechende Referentenentwurf des Ministeriums liegt dem Tagesspiegel vor. „Bild“ hatte zuerst darüber berichtet.

Was sich in Apotheken ändern sollte

In bestimmten Fällen soll es Patienten möglich sein, verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept in der Apotheke zu beziehen. Den Plänen zufolge können sie sich den Weg zum Arzt sparen, wenn es sich um ein bekanntes Langzeitmedikament handelt – dieses bereits seit einem Jahr eingenommen wird oder in der elektronischen Patientenakte gespeichert ist und „solange die Fortführung der Therapie keinen Aufschub zulässt“. Dies entlastet insbesondere chronisch kranke Menschen.

In solchen Fällen soll es dem Entwurf zufolge erlaubt sein, dass Apotheker im Akutfall einmalig die kleinste Packung des Arzneimittels ausgeben. Dies sollte auch bei unkomplizierten akuten Erkrankungen gelten, beispielsweise bei einem leichten Harnwegsinfekt.

Zudem sollen Apotheker künftig verstärkt impfen dürfen. Bisher werden Impfungen gegen Grippe oder Covid-19 in Apotheken verabreicht. Künftig soll es Apothekern auch erlaubt sein, alle Impfstoffe zu spritzen, die keine Lebendimpfstoffe sind. Davon ausgenommen sind Impfungen gegen Tetanus oder FSME.

Das Apothekenlogo leuchtet während der „Langen Nacht des Impfens“ in der MediosApotheke Hackescher Markt in Berlin.

© dpa/Fabian Sommer

Der Gesundheitsminister will den Apotheken zudem ermöglichen, mehr Tests durchzuführen. Dann könnten Patienten wie während der Corona-Pandemie auf Noro-, Rota-, RS-, Adeno- oder Influenzaviren getestet werden. Gleichzeitig sollten Apotheken verstärkt Präventionsaufgaben übernehmen, die die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Problemen durch Tabakkonsum betreffen.

Die Pläne sehen außerdem vor, dass Apotheken künftig eigenverantwortlich über ihre Öffnungszeiten entscheiden können. Die Maßnahme richtet sich vor allem an Apotheken im ländlichen Raum, die ihre Öffnungszeiten „besser an die örtlichen Bedürfnisse anpassen“ können sollen. Auch für Not- und Nachtdienste sollen Apotheker besser bezahlt werden. Ländliche Apotheken sollten eine zusätzliche Entschädigung erhalten. Apotheken sollen künftig einfacher Filialen eröffnen können.

Mit dem Gesetz will das Ministerium „Apotheken verbesserte wirtschaftliche Bedingungen“ verschaffen, „um weiterhin ein flächendeckendes Apothekennetz aufrechtzuerhalten, um die Bevölkerung wohnortnah mit Arzneimitteln zu versorgen“, wie es heißt. Hintergrund ist, dass vor allem kleinere und ländliche Apotheken durch „Fachkräftemangel, Strukturwandel und sinkende Profitabilität“ besonders belastet werden.

Darüber hinaus käme es zu Veränderungen bei „lokalen Versorgungsbedürfnissen und -strukturen“. Die Apotheker hätten in den letzten Jahren bewiesen, „dass sie auch in anderen Leistungsbereichen qualitativ hochwertige Arbeit leisten und zu einem hohen Patientennutzen beitragen können“, heißt es weiter. Das Gesetz befindet sich noch im Anfangsstadium. Es kann also noch zu Änderungen kommen.

Ärzte wollen ihre Fähigkeiten nicht aufgeben

Aus der Ärzteschaft kam bereits bei der Vorstellung der Eckpunkte Kritik an den Plänen. Apotheken sollen künftig einige Kompetenzen erhalten, die bislang Ärzten vorbehalten waren.

Dieses Vorhaben sei ein „gefährlicher Irrtum“, hieß es Ende September in einer gemeinsamen Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der 17 Landeskassenverbände. Medikamente sind „keine Süßigkeiten“. Sie sollen „gezielt zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, die nur Ärzte aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung diagnostizieren und behandeln können“. Dafür sind Apotheker nicht ausgebildet.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Christos Pantazis, begrüßte den Gesetzentwurf hingegen. „Die Apothekenreform ist ein wichtiger und überfälliger Schritt, um die heimatnahe Arzneimittelversorgung in Deutschland dauerhaft sicherzustellen“, sagte er. Es stärkt Apothekenteams, entlastet Unternehmen von Bürokratie und schafft neue Kompetenzen, die den Patienten direkt zugute kommen. Die Reform sei als klares Signal zu verstehen: „Wir wollen, dass die Apotheken vor Ort eine Zukunft haben – ob in der Stadt oder auf dem Land.“ (Mitarbeit: Caspar Schwietering)

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