Nach dem Rückzug von Jette Nietzard und Jakob Blasel übernimmt bei der Grünen Jugend ein neues Führungsduo. Henriette Held und Luis Bobga setzen auf mehr Konfrontation statt auf Koalitionsgemütlichkeit.
Die Grüne Jugend hat ein neues Führungsduo: Auf ihrem Bundeskongress in Leipzig wählte die Grüne Jugendorganisation Henriette Held und Luis Bobga zu Nachfolgern der beiden nicht mehr kandidierenden Jette Nietzard und Jakob Blasel. Nietzard hatte mit zahlreichen provokanten Äußerungen in seiner eigenen Partei großen Widerstand ausgelöst.
Held wurde mit 93,6 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt, Bobga mit deutlich schlechteren 76,2 Prozent. Beide hatten keine Konkurrenz und hielten umjubelte Bewerbungsreden.
Klima und mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland
Die neuen Bundessprecher, wie die Grünen Jugend ihre Chefs nennt, sind beide 23 Jahre alt. Held kommt aus Berlin und studiert Klima- und Umweltrecht in Greifswald. „Denn wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie wir Klima- und Generationengerechtigkeit gezielt durch den Rechtsweg durchsetzen können“, schreibt sie in ihrem Antrag. „Die Klimakrise ist kein Naturphänomen, sie ist eine Klassenfrage und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“, sagte sie in ihrer Bewerbungsrede.
Die bisherige Vorsitzende des Grünen Jugend-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern will die Situation in Ostdeutschland stärker auf die Tagesordnung setzen: „Wir müssen zu den Menschen vor Ort gehen. Zu denen, die sich abgehängt fühlen, die nicht gehört und vertreten werden. Wir müssen Sichtbarkeit für ostdeutsche Perspektiven und Themen im Verband und in politischen Debatten schaffen“, schreibt sie.
Held und Bobga für einen schärferen Linkskurs
Held wirft den Grünen vor, in den letzten Jahren an der Verschärfung der Asylpolitik beteiligt gewesen zu sein und will sich für einen linken Kurs einsetzen: „Jetzt ist es an der Zeit, Fragen zur Verteilung zu stellen.“
Dies gilt auch für Bobga. „Wir können und wir werden diese Partei wieder nach links lenken“, kündigte er in seiner Bewerbungsrede an. Er wurde in Münster geboren, lebt heute in Köln und saß mehrere Jahre im Emsdettener Stadtrat. Mittlerweile arbeitet er für die Grünen in NRW und ist bereits Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend. Der Bundestagswahlkampf sei geprägt von „Anbietung der CDU und keiner Angst davor, Migration als Sicherheitsproblem darzustellen“. Bobga, dessen Vater aus Kamerun stammt, betonte: „Unsere Sicherheit ist nicht verhandelbar.“
Schwieriges Verhältnis zur Partei
Es gelte zu kämpfen, „damit diese Partei zu ihren Wurzeln zurückfindet“, sagt Bobga. Er möchte sich insbesondere mit sozialen Themen, Antirassismus und Diversität beschäftigen. „Ich möchte gemeinsam mit euch lautstark, unaufgeregt und solidarisch für eine gerechte Gesellschaft kämpfen“, schrieb er in seiner Bewerbung. In seiner Bewerbungsrede forderte er: „Fragen der Umverteilung müssen endlich im Zentrum grüner Politik stehen.“
Das Verhältnis zwischen der Grünen Jugendorganisation und der Partei ist seit langem schwierig. Im September letzten Jahres gab der damalige Vorstand seinen Austritt aus der Grünen Jugend und der Partei bekannt. Der Grund: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampelkoalition mit SPD und FDP. Auch Vorstände zahlreicher Landesverbände schieden aus.
Die grüne Jugend ist wieder gewachsen
Nietzard, Blasel und ihre Vorstandskollegen übernahmen eine Organisation in der Krise – und gewannen neue Mitglieder. In den Jahren 2023 und 2024 war die Grüne Jugend auf knapp über 16.000 Mitglieder geschrumpft; mittlerweile sind es nach eigenen Angaben knapp 19.000.
Allerdings werden viele bei den Grünen nicht um Nietzard weinen. Mit ihren Kommentaren in den sozialen Medien sorgte sie immer wieder für Ärger. Nutzern zufolge postete sie in der Silvesternacht in den sozialen Medien: „Männer, die beim Böllerschießen ihre Hand verlieren, können Frauen zumindest nicht mehr schlagen.“ Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.
Nietzard provozierte Feindseligkeit – und beklagte sich darüber
In einem RBB-Podcast dachte Nietzard laut über bewaffneten Widerstand nach, falls eine Partei wie die AfD an die Macht käme. Auf ihrem privaten Instagram-Kanal erschien sie in einem Pullover mit der Abkürzung „ACAB“, was für „All Cops Are Bastards“ steht. Im Hinblick auf die zweifelhaften Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stellte Nietzard die Unschuldsvermutung in Frage. Zuletzt beschimpfte sie den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder als „Hundesohn“.
Als Nietzard Ende Juli ankündigte, nicht mehr zu kandidieren, beklagte sie sich über die „ständige Feindseligkeit“ innerhalb der Partei.
Das Treffen der Grünen Jugend begann am Freitag und soll bis Sonntag dauern. Für Samstag war unter anderem eine Diskussion zur aktuellen politischen Lage und zum Leitantrag des Bundesvorstandes mit dem Titel „Radikal fair: Weil wir unsere Träume nicht vergessen wollen“ geplant, der am Abend besprochen wird. Die Antragsteller lehnen den Kapitalismus ab und bemängeln, dass die Grünen oft nur „den Status quo verwalten“.
dpa/jha/ceb