Mit dem Waffenstillstand in Gaza kehren Zehntausende Menschen in ihre Heimatorte zurück. Doch dort finden sie oft nur Zerstörung. Unterdessen sehnt man sich in Israel nach der Rückkehr der Geiseln.
Seit Freitagnachmittag gilt der Waffenstillstand im Gazastreifen. Bilder zeigen Zehntausende Palästinenser, die zurück nach Norden strömen – dorthin, wo einst ihre Häuser und Wohnungen waren. Von vielen ist nicht mehr viel übrig. Auf den Bildern sind auch bewaffnete Milizen in Uniform zu sehen, die dort Stellung beziehen, wo sich die Armee zurückzieht.
Fidaa Haraz, die es nach Gaza-Stadt geschafft hat, sagt: „Ich kam morgens hierher, als ich hörte, dass sich die Armee zurückzog. Ich suche mein Haus, laufe umher, aber ich erkenne nichts. So viel Zerstörung. Ich kann die Kreuzung zu meinem Haus nicht finden. Ich weiß, dass es eingestürzt ist. Aber wo? Wo sollen wir leben? Es war ein mehrstöckiges Haus, von dem nichts mehr übrig war.“
Israels Armee bleibt drin Alarm
Während die Menschen in Gaza nach ihrem ehemaligen Zuhause suchen, sagt die israelische Armee, sie habe sich entlang der vereinbarten Linie positioniert, damit die Übergabe der Geiseln innerhalb der nächsten 72 Stunden erfolgen könne. Dies bestätigte auch der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump, Steve Witkoff.
Der Sprecher der israelischen Armee, Effie Defrin, warnte, dass die Menschen weiterhin in höchster Alarmbereitschaft seien und auf jede Bedrohung reagieren würden. Über die Hamas sagte er: „Die Hamas von heute ist nicht die Hamas von vor zwei Jahren. Die Terrororganisation ist dort besiegt, wo wir gegen sie gekämpft haben. Wir sind tief im Gazastreifen und halten die Stellung. Wir werden den Staat Israel und seine Bürger von hier aus schützen.“
Nach eigenen Angaben hält die Armee noch immer 53 Prozent der Küstenstreifenfläche. Der Waffenstillstand scheint vorerst zu gelten, bleibt aber fragil.
Landesweite Ansprache von Netanyahu
In einer landesweit ausgestrahlten Ansprache bekräftigte Premierminister Benjamin Netanjahu, dass israelische Truppen in weiten Teilen des Gazastreifens bleiben würden, um die Hamas zur Entwaffnung zu drängen.
„Wir greifen die Hamas von allen Seiten an und bereiten die nächste Phase vor, die Entwaffnung der Hamas. Gaza wird entmilitarisiert. Wenn wir es auf die einfache Art und Weise schaffen, dann gut. Wenn nicht, werden wir es auf die harte Art und Weise tun“, sagte Netanjahu. Die Hamas stimmte dem Deal nur zu, weil sie das Messer an ihrer Kehle spürte, das immer noch da war.
„Wir werden nicht atmen können, bis alle Geiseln hier sind“
Auch die Menschen auf dem Hostage Square in Tel Aviv hörten den düsteren Worten des Premierministers zu. Ein Mann, sein Name ist Doron, spielt dort Klavier. Das Klavier erinnert an den entführten Alon Ohel, der ebenfalls Klavier spielte und noch am Leben sein soll. „Das ist meine Art zu beten, meine Hoffnung auszudrücken. Ich bete, dass wir gute Nachrichten erhalten“, sagt Doron.
Chelie steht neben ihm und wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Überall hängen Bilder der Geiseln. Menschen kleben Zettel mit kleinen Botschaften darauf. „Sie sind wie meine Kinder“, sagt Chelie. „Ich kenne Alon Ohel nicht persönlich. Aber ich habe einen Freund, der mit den Eltern der Geisel befreundet ist. In Israel sind wir alle verbunden und das bringt uns zusammen. Wir werden nicht atmen können, bis alle 48 Geiseln wieder hier sind.“
Yigal und seine Tochter malen eine Nachricht auf ein Blatt Papier und befestigen es an einem Baum, an dem Bilder der Geiseln hängen. Viele Leute machen das hier so. „Das ist sehr emotional für uns“, sagt er. „Wir wollen, dass der Krieg aufhört und das Leid aufhört. Nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen in Gaza.“
Geiselübergabe am Montag möglich
Alle hier hoffen, dass Netanjahu sein Versprechen einlöst, dass alle 48 Geiseln in den kommenden Tagen zurückkehren werden. Nach Angaben des Premierministers sind 20 von ihnen noch am Leben und 28 sollen tot sein.
In Israel wird erwartet, dass die Geiseln frühestens am Montag übergeben werden. An diesem Tag wird auch die Ankunft von US-Präsident Trump im Land erwartet.