Einige EU-Abgeordnete wollen Orbáns Blockaden bei den Sanktionen gegen Putins Russland nicht länger hinnehmen. Sie fordern die Aussetzung des Stimmrechts.
Brüssel/Andelsbuch – Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán droht wiederholt damit, EU-Sanktionen gegen Russland zu blockieren. Vor wenigen Tagen kündigte er ein ukraineskeptisches Bündnis mit der Slowakei und Tschechien an. Jetzt fordern einige EU-Abgeordnete Frankfurter Rundschau von Ippen.Media fordert in der Sanktionspolitik offen die Aussetzung des ungarischen Stimmrechts: Orbáns Verhalten gefährdet die europäische Sicherheit.
Mit der Unterstützung der Ukraine hätten die EU-Staaten bisher historische Einigkeit gezeigt, betont David McAllister (CDU). Doch die Ukraine-Politik stößt aufgrund einzelner Länder zunehmend an ihre Grenzen. „Diese Blockaden sind oft von innenpolitischem Kalkül geprägt“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses unserer Redaktion. Dass beispielsweise Ungarn das Prinzip der Einstimmigkeit für seine eigenen Zwecke ausnutzt, ist inakzeptabel.
Europaabgeordnete wollen Orbáns Ungarn ihr Stimmrecht entziehen – McAllister fordert eine Prüfung
Mit Artikel 31 Absatz 3 EUV bietet der EU-Vertrag einen Mechanismus, mit dem Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei sehr wichtigen Entscheidungen – mit qualifizierter Mehrheit entscheiden können. Die EU muss dies prüfen, um ihre kollektive Handlungssicherheit zu gewährleisten.
Nach Angaben des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten plädiert das Europaparlament seit langem dafür, dass mehr außenpolitische Fragen mit qualifizierten Mehrheiten entschieden werden. McAllister betont aber auch, dass die Europäische Union bei sensibleren Fragen – etwa Militäreinsätzen – am Prinzip der Einstimmigkeit festhalten sollte.
fordert Bernd Lange im Interview mit Frankfurter Rundschau Diese Frage müssen wir sorgfältig prüfen: „Der Entzug des Stimmrechts ist die schärfste Waffe innerhalb der Europäischen Union. Daher sollten wir diesen drastischen Schritt sorgfältig abwägen“, sagt der Vorsitzende des EU-Ausschusses für internationalen Handel.
Der Sozialdemokrat hielt sein Amt offen. Allerdings betonte Lange auch: „Weil Ungarn zunehmend gegen europäisches Recht verstößt, die europäische Solidarität immer wieder in Frage stellt, dabei seine anderen Partner bewusst brüskiert und offen mit den autoritären Machthabern in Russland und China kooperiert, sollten wir alle Optionen ernsthaft diskutieren.“
EU-Mitglied Ungarn: Reintke will Orbán das Stimmrecht entziehen
Terry Reintke, Co-Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen im Jahr 2024, fand klarere Worte: „Wir müssen Ungarn in dieser Situation das Stimmrecht entziehen“, sagte sie. Für Reintke spielen nicht die ungarischen Blockaden die entscheidende Rolle in der Sanktionspolitik, sondern die Verstöße Ungarns gegen EU-Werte. „Ungarn ist de facto keine funktionierende Demokratie mehr und wir könnten Artikel 7 nutzen, um den Entzug des Wahlrechts zu rechtfertigen“, argumentierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament.
Das Artikel-7-Verfahren zum Schutz der Grundwerte der EU wurde 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam eingeführt. Es dient der Feststellung, ob ein Verstoß gegen EU-Werte droht oder ob bereits ein schwerwiegender Verstoß vorliegt. Die härteste Sanktion im Verfahren ist die Aussetzung des Stimmrechts des Mitgliedsstaates. „Mit dem Artikel-7-Verfahren wollen wir verhindern, dass einzelne Mitglieder die EU zerschlagen, und genau das tut Orbán derzeit, indem er Putins Politik vielerorts in den Europäischen Rat einbringt. Damit will Orbán Europa destabilisieren“, begründete Reintke ihre Position.
Prominenter Orbán-Kritiker bezeichnet Ungarn als Sicherheitsrisiko
Ein Grünen-Kollege geht noch einen Schritt weiter: „Insgesamt bin ich dafür, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU abzuschaffen – insbesondere in der Sanktionspolitik“, sagte Daniel Freund. Er fordert seit langem öffentlich eine Aussetzung des ungarischen Wahlrechts. „Die EU sollte handlungsfähiger werden und Ungarn verstößt eklatant gegen den EU-Vertrag“, sagt der bekannte Orbán-Kritiker.
Der ungarische Regierungschef nutzt ständig sein Vetorecht, um alle anderen zu erpressen. Dies stellt einen Verstoß gegen Grundwerte der Solidarität dar. „Orbán ist ein eklatantes Sicherheitsrisiko für uns. Er versucht, die EU auf Geheiß des russischen Präsidenten Wladimir Putin lahmzulegen“, sagte Freund.
Ähnlich sieht es der SPD-EU-Abgeordnete Tobias Cremer: „Ich kann meinen Wählern nicht mehr klar machen, warum wir unsere Sicherheit von Viktor Orbán abhängig machen“, sagte der Sicherheitspolitiker unserer Redaktion. Es könne nicht sein, dass „Orbán im Europäischen Rat geradezu als Sprachrohr Moskaus fungiert und mit seinen Vetos immer wieder die Sicherheit von uns allen gefährdet“, sagte der SPD-Politiker und fügte hinzu: „Ich bin per se gegen solche Zwangsmaßnahmen, aber vielleicht hilft die Diskussion über solche Maßnahmen, Orbán zur Vernunft zu bringen, denn am Ende hängt auch die Sicherheit Ungarns von der Sicherheit Europas ab.“ Auch Orbán muss im nächsten Jahr eine Abwahl befürchten. (Jan Frederik Wendt)
 
			 
					