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Open AI kooperiert mit Walmart und führt Erotikfunktion ein

Chat-GPT soll von einem nützlichen Tool zu einem täglichen Begleiter werden. Dafür arbeitet Open AI mit der Supermarktkette Walmart zusammen – und steigt nun auch in das Erotikgeschäft ein.


Sexy Chat GPT? Der KI-Bot möchte künftig erotische Inhalte anbieten.

Getty / Bearbeiten NZZ

Stellen Sie sich vor, Sie möchten das Abendessen kochen und es Ihrem KI-Assistenten sagen. Er schlägt ein Rezept vor, erstellt die Einkaufsliste, vergleicht die Preise – und tätigt den Kauf. Ohne Ihr Zutun.

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So oder ähnlich könnte die Ära des sogenannten „Agentic Commerce“ aussehen. Klingt nach Science-Fiction? In den Vereinigten Staaten nimmt eine solche Realität nun Gestalt an.

Der Einzelhändler Walmart hat eine Kooperation mit Open AI angekündigt, um Einkäufe direkt über Chat-GPT zu ermöglichen. Das bedeutet: Verbraucher kaufen künftig auf der Plattform ein, ohne den Chat verlassen zu müssen. Die Funktion heißt „Instant Checkout“. Wann es soweit sein wird, ist noch unklar. Doch die Finanzmärkte sehen Potenzial: Nach der Ankündigung am Dienstag stiegen die Walmart-Aktien um fünf Prozent.

Mit dem „Instant Checkout“ kann der Nutzer Chat-GPT beauftragen, die beste Waschmaschine unter 1000 Franken zu finden oder Zahnpasta zu kaufen. Der Bot sollte außerdem die Vorlieben, den Lebensstil und das Budget seines Nutzers kennen – und entsprechend handeln.

Die Hemmschwelle, den Einkauf komplett einer KI zu überlassen, dürfte noch hoch sein. Doch vieles deutet darauf hin, dass Einkaufen bald anders aussehen wird.

Das Ende der Suchleiste?

Seit es das Internet gibt, dominiert der suchbasierte Einkauf: Ein Verbraucher weiß, was er möchte, sucht im Geschäft nach dem Produkt und legt es in den Warenkorb. Daraus könnte ein Dialog mit den KI-Agenten werden. Anstatt zu suchen, entdecken Verbraucher.

Walmart-Chef Doug McMillon sieht darin die nächste Evolutionsstufe des Online-Handels: „Seit vielen Jahren besteht das E-Commerce-Einkaufserlebnis aus einer Suchleiste und einer langen Liste mit Artikelantworten“, wird er in der Medienmitteilung zitiert. Das wird sich nun ändern.

Auch andere Unternehmen experimentieren mit KI-Shopping: Amazon, Google, Visa und Microsoft bauen Ökosysteme auf Basis eigener Agenten auf und Open AI hat bereits vor Walmart Kooperationen mit den Plattformen Etsy und Shopify angekündigt. Das Ziel ist für alle das gleiche: KI dort präsent zu machen, wo Kaufentscheidungen getroffen werden und Geld fließt.

Die Verbraucher scheinen bereits auf die neuen Angebote zu reagieren. Nach Angaben des Softwareunternehmens Adobe ist der Verkehr auf den Websites amerikanischer Einzelhändler in diesem Juli im Vergleich zum Vorjahr um 4.700 Prozent gestiegen.

Chat-GPT könnte Händler degradieren

Doch das KI-Ökosystem stellt die alten Spielregeln in Frage. Wenn Bots die Vorauswahl treffen, sehen die Leute nur, was das Programm zulässt. Unternehmen, die KI-Unternehmen keine sauberen Daten oder attraktive Preise liefern, werden verschwinden – noch bevor ein Kunde ihr Angebot gesehen hat. Es ist ein bekanntes Problem, das wir bereits von Google kennen: Das dortige Ranking entscheidet bereits darüber, welche Anbieter überhaupt wahrgenommen werden. Doch nun geht die Logik noch tiefer: Der Algorithmus erledigt den Einkauf selbst.

Das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) warnt davor, dass Einzelhändler „in agentengesteuerten Marktplätzen in eine untergeordnete Rolle gedrängt werden könnten“. Einzelhändler laufen Gefahr, die direkte Beziehung zu ihren Kunden zu verlieren, und auch ihre Markentreue könnte darunter leiden.

Auch für den Einzelhandel sieht McKinsey einen Wandel, weist aber gleichzeitig auf die Chancen für Verbraucher hin. KI-Bots könnten innerhalb von Sekunden unzählige Online-Shops durchsuchen, um das beste Produkt zum attraktivsten Preis zu finden. Das Beratungsunternehmen schätzt das wirtschaftliche Potenzial generativer KI für den Einzelhandel auf bis zu 390 Milliarden US-Dollar.

Eine Schwierigkeit besteht jedoch darin, KI in bestehende Systeme zu integrieren. Dies gilt auch für die Schweiz, wo derzeit Interesse an der Technologie, aber noch keine breitere Umsetzung besteht.

Migros setzt auf interne Systeme

Dies bestätigen Anfragen der großen Schweizer Detailhändler. Die Migros gibt an, KI derzeit vor allem intern einzusetzen. Der direkte Einsatz im Einkauf, beispielsweise durch personalisierte Produktempfehlungen oder automatisierte Einkaufslisten, werde geprüft, sei aber „noch nicht flächendeckend umgesetzt“.

Die Migros schreibt weiter, man wolle auch in Zukunft den Schwerpunkt auf „interne Systeme und Lösungen“ legen. „Damit minimieren wir mögliche Abhängigkeiten von Drittanbietern und schützen gleichzeitig die Daten unserer Kunden.“

Bei den anderen großen Einzelhändlern zeigt sich ein ähnliches Bild. Coop berichtet, dass es derzeit keine konkreten Projekte für KI-basiertes Einkaufen gibt. Und auch Lidl Schweiz erklärt, im direkten Kundenkontakt keine KI einzusetzen.

Während lokale Einzelhändler noch darüber nachdenken, wie stark sie KI in ihre Geschäftsmodelle integrieren wollen, treibt Open AI die Entwicklung in aller Offenheit voran: Chat-GPT soll vom nützlichen Tool zum täglichen Begleiter werden.

Chat-GPT möchte „Erwachsene wie Erwachsene behandeln“

Dazu passt eine weitere Ankündigung des Unternehmens vom Dienstag: Chat-GPT wird bald auch Erotik anbieten. Die Funktion werde ab Dezember für Erwachsene verfügbar sein, schrieb Open-AI-Chef Sam Altman am Dienstag auf X. Nähere Angaben machte er nicht. Auch nicht, ob das Angebot kostenpflichtig sein wird.

Altman begründet den Schritt mit dem Grundsatz, „erwachsene Nutzer wie Erwachsene behandeln zu wollen“. Damit reagiert er aber auch auf einen Trend seines Rivalen Elon Musk: Musks Chatbot Grok bietet seit langem sexualisierte Inhalte und leicht bekleidete animierte Avatare. Auch kleinere Anbieter haben Erotik-Chatbots im Angebot.

Altman kündigte außerdem eine überarbeitete Version von Chat-GPT an, die persönlicher gestaltet sein soll. „Wenn Sie möchten, dass Ihr Chat GPT sehr menschlich reagiert, viele Emojis verwendet oder sich wie ein Freund verhält, sollte Chat GPT das tun“, schrieb er.

Beide Ankündigungen – der Einstieg in die Erotik und das Food-Business – folgen der gleichen Logik: Open AI will näher an den Menschen heran. KI wird immer persönlicher und allgegenwärtiger. Und je mehr Chat-GPT in den Alltag seiner Nutzer eindringt, desto einfacher wird es früher oder später sein, mit dem Angebot Geld zu verdienen.

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