Oftmals wird eine Lyme-Borreliose fehldiagnostiziert – ein Arzt klärt auf

Oftmals wird eine Lyme-Borreliose fehldiagnostiziert – ein Arzt klärt auf

Neben FSME können Zecken auch die Lyme-Borreliose übertragen. Doch den Patienten werden immer wieder falsche Diagnosen gestellt, berichtet ein Arzt. Welche Symptome auf die Erkrankung hinweisen, wie man sie testen kann – und wann Patienten Vorsicht walten lassen sollten.

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Zecken kommen längst nicht mehr nur in Wäldern oder Berglandschaften vor. Sie kommen auch in Städten und Gemeinden, in Gärten und Parks vor. Normalerweise warten sie im hohen Gras und lassen sich im Vorbeigehen abschütteln. Wenn sie dann beißen, können sie die durch Zecken übertragene Enzephalitis, kurz FSME, oder die Lyme-Borreliose, auch Lyme-Borreliose genannt, übertragen.

Die Hauptüberträger der Lyme-Borreliose in Deutschland

  • Gewöhnlicher Waldbock (Ixodes ricinus)
  • Taiga-Zecke (Ixodes persulcatus)
  • Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus)

„Im Gegensatz zur FSME, bei der es sich um eine Viruserkrankung handelt, handelt es sich bei der Lyme-Borreliose um eine bakterielle Erkrankung. Bei den Bakterien handelt es sich um sogenannte Spirochäten, die ein bisschen wie Korkenzieher aussehen“, erklärt Markus Frühwein, Allgemeinmediziner aus München.

Ein Biss einer infizierten Zecke geht nicht immer mit einer Übertragung einher

Schätzungen zufolge ist in Deutschland je nach Region jede dritte Zecke mit Borrelien (einer Bakteriengattung aus der Gruppe der Spirochäten) infiziert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie übertragen werden, wenn Sie von einer infizierten Zecke gebissen werden.

Laut Frühwein gibt es hier einen großen Unterschied im Vergleich zur FSME: „Die Frühsommer-Meningoenzephalitis befindet sich in den Speicheldrüsen der Zecke und wird daher sofort beim Biss übertragen. Bei der Borreliose kann die Infektion viele Stunden andauern.“

„Je früher Sie eine Zecke finden und entfernen, desto besser.“

Dr. Markus Frühwein

Denn der Erreger befindet sich im Darm einer infizierten Zecke „und wird sozusagen erst ausgewürgt und geht dann erst über.“ Dies kann normalerweise 12 bis 24 Stunden dauern.

Frühwein empfiehlt daher: „Je früher man eine Zecke entdeckt und entfernt, desto besser.“ Wichtig ist, sie nicht zu quetschen, zu verdrehen oder gar in Brand zu setzen, sondern sie sauber herauszuziehen, sonst erhöht sich die Ansteckungsgefahr.“ „

Borrelien
Eine Mikrofotografie von Borrelien.

© picture-alliance / OKAPIA KG, Deutschland/Dr.Gary Gaugler

Es ist nicht möglich, genau zu beziffern, wie viele Menschen sich jedes Jahr mit Lyme-Borreliose infizieren oder in den letzten Jahren infiziert wurden. Im Gegensatz zur FSME ist die Lyme-Borreliose in den meisten Bundesländern nicht meldepflichtig.

Wie das Bundesgesundheitsministerium schreibt, sind jedes Jahr etwa 3 von 10.000 Menschen betroffen. Laut Frühwein liegt die Seroprävalenz bei über 60-Jährigen bei 20 bis 25 Prozent: „Das bedeutet, dass viele von ihnen in irgendeiner Form Kontakt mit Borrelien hatten.“ Für das Robert Koch-Institut (RKI) ist es „unbestritten, dass die Lyme-Borreliose eine ernst zu nehmende Volkskrankheit ist.“

Lyme-Borreliose und ihre vielen Symptome

Wer einen Zeckenstich erlitten hat, sollte in den folgenden Tagen und Wochen besonders wachsam sein. „Die Einstichstelle sollte beobachtet werden und bei auftretenden Rötungen, insbesondere wenn diese sich ausbreiten, sollte ein Arzt aufgesucht werden“, rät Frühwein.

„Borreliose ist eine Multisystemerkrankung, die viele Bereiche des Körpers betreffen kann.“

Dr. Markus Frühwein

Die Lyme-Borreliose bringt typische Symptome mit sich, aber auch solche, die nicht unmittelbar mit der Krankheit verbunden sind. Die Lyme-Borreliose ist eine Multisystemerkrankung, die viele Bereiche des Körpers betreffen kann. Grundsätzlich werde zwischen Früh- und Spätformen unterschieden, sagt der Mediziner.

Zu den frühen Symptomen können gehören:

  • Erythema migrans: Hierbei handelt es sich um einen roten Hautfleck, der einige Tage oder Wochen nach einem Biss an der Einstichstelle erscheint. Der Fleck breitet sich meist ringförmig aus. „Es kann sogar über den gesamten Körper wandern“, sagt Frühwein. Daher der Name Wanderrote. Auch ein Erythema migrans könne wie ein Bluterguss aussehen, sagt der Arzt. „Die Bandbreite ist groß. Entscheidend ist: Es gab eine Zecke und jetzt bildet sich etwas darum herum.“
Wenn um den Zeckenstich herum eine wandernde Rötung auftritt, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.

© Getty Images/anakopa
  • Borrelien-LymphozytomeDiese vereinzelten Schwellungen kommen laut Aussage des Arztes vor allem bei Kindern vor und treten häufig an den Ohrläppchen oder im Genitalbereich auf.
  • Grippeähnlich Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Muskelschmerzen.
  • Lyme-Arthritis: Hierbei handelt es sich um eine bakterielle Gelenkentzündung. Sie treten meist am Knie auf und gehen mit starker Schwellung, Rötung und Schmerzen einher.
  • Neuroborreliose mit Beteiligung des Gehirns und der Hirnhäute oder Entzündung des Herzens (Lyme-Karditis) und anderer Körperbereiche. Dabei kann es auch zu einer Gesichtslähmung mit Gesichtslähmung kommen, „so dass eine Gesichtshälfte wie bei einem Schlaganfall herabhängt“, erklärt Frühwein.

Was ist Neuroborreliose?

  • Neuroborreliose ist eine Form der Lyme-Borreliose, bei der Borrelien das Nervensystem befallen. Dies kommt bei etwa drei von 100 Betroffenen vor. Die Symptome treten meist einige Wochen bis Monate nach dem Biss auf. Es kann unter anderem zu Entzündungen des Gehirns und des Rückenmarks kommen.

Nach Angaben des Arztes sind Spätformen der Lyme-Borreliose sehr selten. Allerdings könnten sie zu schwereren Verläufen führen, beispielsweise mit Gangstörungen oder Blasenstörungen. „Es kann Monate oder Jahre dauern, bis sich Symptome einer Neuroborreliose entwickeln“, sagt Frühwein.

In der Spätphase kann es auch zu einer sogenannten Acrodermatitis chronica atrophicans kommen. „Dadurch entstehen dunkle Hautveränderungen, meist an den Streckseiten der Beine, wo die Haut mit der Zeit sozusagen verkümmert.“

Arzt warnt: Lyme-Borreliose ist zur „Trendkrankheit“ geworden.

Im Interview mit unserer Redaktion berichtete der Münchner Arzt, dass seiner Meinung nach bei Patienten mit chronischen Erkrankungen eine Überdiagnose der Lyme-Borreliose vorliegt.

„Leider gibt es eine Vielzahl von Symptomen, darunter Müdigkeit und Gelenkschmerzen. Dies hat dazu geführt, dass sich die Lyme-Borreliose im letzten Jahrzehnt zu einer ‚Trendkrankheit‘ entwickelt hat“, sagt er. Bei einigen, die müde und erschöpft waren, wurde Lyme-Borreliose diagnostiziert.

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Ein Fehler, den er häufiger sieht, ist, dass Patienten nur aufgrund eines positiven ELISA-Tests, einem Screening-Test, diagnostiziert werden. behandelt werden, auch wenn die Symptome nicht übereinstimmen. Der Test findet „nahezu jeden, der Lyme-Borreliose hat oder hatte“.

„Allerdings handelt es sich oft um ein falsch positives Ergebnis. Aber das Gute ist: Wir finden jeden, der tatsächlich an Lyme-Borreliose erkrankt ist.“ Fällt der ELISA-Test positiv aus, muss ein weiterer Test durchgeführt werden, ein Immunoblot-Test (IB). „Das ist sozusagen ein Bestätigungstest nach einem positiven ELISA“, sagt Frühwein.

Zudem gebe es einen „weit verbreiteten Irrglauben“: Manche, die unter Gelenkschmerzen leiden, würden sich auf Borreliose testen lassen – „und wenn der Test positiv ausfällt, wollen sie sich behandeln lassen.“ Allerdings weist Frühwein darauf hin, dass Lyme-Arthritis nichts mit klassischen Gelenkschmerzen zu tun hat, sondern eine offensichtliche Erkrankung wie ein dickes, rotes Knie sei.

„Ich habe schon einige Fälle gesehen, in denen Patienten dadurch ihr Leben ruiniert haben. Denn wenn man gut 5.000 bis 10.000 Euro in das Thema Borreliose investiert und sich diversen Therapien unterzogen hat, ist man nicht mehr bereit, diese zu geben.“ hoch.“

Dr. Markus Frühwein

Der Arzt berichtet weiter, dass einige Patienten aufgrund falsch positiver Ergebnisse und Annahmen „sehr lange, bis zu einem Jahr, mit wilden Mischungen verschiedener Antibiotika, Malariamittel und allem Möglichen behandelt“ werden. Viele müssten die Kosten selbst tragen.

„Ich habe schon einige Fälle gesehen, in denen Patienten dadurch ihr Leben ruiniert haben. Denn wenn man gut 5.000 bis 10.000 Euro in das Thema Borreliose investiert und sich verschiedenen Therapien unterzogen hat, ist man nicht mehr bereit, darauf zu verzichten“, berichtet Frühwein. Viele Menschen wollten nicht wahrhaben, dass die Symptome möglicherweise eine andere Ursache haben könnten.

Frühweins Rat: „Betroffene sollten Vorsicht walten lassen.“ Unter anderem würden alternative Behandlungsmethoden beworben, die oft weitgehend sinnlos, aber teuer seien, warnt er. „Man muss aufpassen, dass man bei Patienten mit anhaltenden Symptomen nicht eine andere Ursache übersieht und fälschlicherweise bei der Diagnose Lyme-Borreliose bleibt.“

Lyme-Borreliose erkennen und behandeln

Antikörpertests werden hauptsächlich für Lyme-Borreliose-Tests eingesetzt. Diese entwickelt das menschliche Immunsystem gegenüber einer Erstinfektion mit Borrelien nur verzögert. Deshalb können die Tests zu Beginn der Erkrankung negativ ausfallen.

Das bedeute auch, dass ein positiver Test nicht immer auf eine akute Infektion mit Borrelien zurückzuführen sei, so das RKI. Hohe Antikörperspiegel können nach einer früheren, möglicherweise unbemerkten Infektion noch viele Jahre bestehen bleiben.

In der Regel ist die Lyme-Borreliose gut behandelbar. Je nach Beschwerden wird sie zwei bis drei Wochen lang mit Antibiotika behandelt. Wenn eine anfängliche Antibiotikabehandlung nicht ausreicht, muss auf ein anderes Antibiotikum umgestellt werden.

Und was ist mit der „Zeckenimpfung“, wie sie im Volksmund genannt wird? Es wirkt nur gegen FSME. „Im Gegensatz zur Lyme-Borreliose ist FSME nicht behandelbar, kann weitaus schwerwiegendere bleibende Schäden verursachen und weist deutlich höhere Sterberaten auf“, sagt Frühwein, der die Impfung empfiehlt.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. med. Markus Nikolaus Frühwein arbeitet in München. Seine Spezialgebiete sind Allgemeinmedizin, Tropenmedizin, Reisemedizin, Ernährungsmedizin und Tauchmedizin.

Verwendete Quellen

Sie lauern im hohen Gras, im Unterholz und in Büschen: Zecken! Menschen und Hunde werden immer wieder von ihnen gestochen. Jetzt heißt es schnell handeln, um das Risiko einer Ansteckung mit Lindenborreliose und FSME zu minimieren.


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