Die Offenbacher Kickers dominieren das Spitzenspiel gegen die Stuttgarter Kickers und setzen ein Zeichen im Kampf um den Aufstieg in die Regionalliga Südwest. Stimmung und Spielstil sind herausragend, die Zurückhaltung nach dem Abpfiff bemerkenswert.
Der OFC bleibt weiterhin die Messlatte in der Regionalliga.
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Am späten Freitagabend spielten sich im Offenbacher Stadion am Bieberer Berg Szenen ab, die fast an die Europameisterschaft erinnerten. Direkt nach dem Abpfiff des Regionalliga-Spitzenspiels zwischen dem OFC und den Stuttgarter Kickers strömten zahlreiche Kinder auf den Platz, um mit ihren Helden den 2:0-Sieg zu feiern. Ähnlich wie bei der EM wurden schnell die Smartphones gezückt, hier ein Selfie, dort eine Trikot-Wunschmeldung. Innerhalb von Sekunden entwickelte sich ein freudiges Durcheinander auf dem Platz.
Verein und Ordnungshüter pfiffen die jungen Fans schließlich zurück und sorgten mit einem warnenden Finger für Ordnung. Doch die Platzstürmung im XS-Format passte letztlich zum Abend und rundete ein perfektes Spiel der Offenbacher Kickers ab. „Freitagabend, Flutlicht, 10.500 Zuschauer, Sieg unentschieden, Tabellenspitze verteidigt. Besser geht’s nicht“, brachte es Torschütze Ron Berlinski treffend auf den Punkt. Feiern muss man eben, wenn es so weit ist.
Offenbach mit Startrekord
Der OFC, der in den vergangenen Jahren meist nur durch mutige Ankündigungen und spektakuläre Pleiten auf sich aufmerksam machte, scheint es in dieser Saison tatsächlich ernst zu meinen. Acht ungeschlagene Spiele zum Auftakt sind neuer Offenbacher Rekord in der Regionalliga Südwest, und der hochverdiente und nie gefährdete Sieg beim punktgleichen Namensvetter aus Stuttgart macht die Offenbacher Kickers zu einem der heißesten Aufstiegskandidaten. Kann es diesmal wirklich klappen?
Nimmt man die Partie vom Freitag als Maßstab, ist die Antwort eindeutig: Ja. Der OFC, der kurzfristig auf Kapitän und Organisator Marc Wachs verzichten musste, war den schwäbischen Gästen in allen Belangen überlegen und zeigte vor allem in der Offensive eine beeindruckende Leistung. Die erste Chance der Partie hatte Stuttgart, doch nach einem Pfostentreffer von David Kammerbauer (2. Minute) waren nur noch die Hessen im Spiel. „Wir hatten am Anfang Glück“, sagte OFC-Trainer Christian Neidhardt. „Dann sind wir aber richtig gut reingekommen.“ Und wie.
Offensive ist das Prunkstück des OFC
Spielmacher und Routinier Dima Nazarov, der pfeilschnelle Boubacar Barry, der ehemalige Frankfurter Onur Ünlücifci und Torjäger Berlinski leiteten Angriff um Angriff ein und kreierten immer wieder beste Chancen. Dass daraus bis zur Halbzeit nichts mehr wurde, bis auf Berlinskis frühes Traumtor, das einen Konter mit einem 20-Meter-Hammer in den Winkel krönte (9. Minute), ist ein Makel. Der Mix aus Härte (Nazarov), Tempo (Barry), Spielwitz (Ünlücifci) und Torgefährlichkeit (Berlinski) des Offenbacher Offensivquartetts ist in dieser Liga allerdings eine absolute Waffe. Der OFC ist nur schwer zu stoppen.
Dass nahezu jede Ecke gefährlich war – davon können andere Teams vom Main nur träumen – und sich auch die Reserven nahtlos einfügten, spricht für einen gut organisierten und gut aufgestellten Kader. Wachs‘ Fehlen fiel dank eines starken Startelf-Debüts von Youngster Almin Mesanovic überhaupt nicht auf. Das umjubelte Tor zum Endstand (90.) erzielte Joker Stephan Mensah. „Wir haben den Kader klein gehalten, ein paar Dinge verändert und auf Qualität gesetzt“, betonte Neidhardt. Das Ergebnis kann sich derzeit auf dem Platz sehen lassen.
Die Stimmung ist ein Pfund
Maßgeblichen Anteil am Aufstieg der Kickers hatten auch die Fans, das wurde am Freitagabend deutlich. 10.451 Zuschauer sind für Regionalliga-Verhältnisse ein absoluter Publikumsmagnet, und zumindest atmosphärisch sind die Kickers der 4. Liga längst entwachsen. „Unsere Gegner wollten den Bieberer Berg zum Schweigen bringen, das haben sie aber nicht geschafft. Der Berg hat richtig gebrannt“, sagte Neidhardt.
Gerade in der Schlussphase, als das ganze Stadion stillstand, entwickelten die Ränge zusätzliche Dynamik und Schwung. Die Emotionalität der Fans, die manchmal hemmend wirken kann, ist derzeit ein absolutes Verhandlungsargument. „Wie alle sich da eingebracht haben, war Wahnsinn“, sagte Neidhardt.
OFC verzichtet auf Kriegserklärungen
Gute Mannschaft, gute Stimmung, tolle Fans – all das gab es in Offenbach schon einmal. Neu ist allerdings, dass trotz aller Euphorie und angesichts des Drei-Punkte-Vorsprungs auf den Verfolger alle auf dem Boden bleiben und auf gewagte Kampfansage verzichten. „Die Saison ist noch sehr lang“, sagte Berlinski. „Die Tabelle ist schön, aber egal“, ergänzte Innenverteidiger Noel Knothe. „Es ist noch immer nur eine Momentaufnahme“, beendete Neidhardt alle Tagträumereien.
In dieser Saison hat der OFC eigentlich große Chancen, endlich den lang ersehnten Aufstieg zu schaffen. Doch nach acht Spieltagen ist es davon noch ein weiter Weg. „Wenn wir oben bleiben wollen, müssen wir weiter siegen“, betonte Neidhardt. Das Potenzial dafür sei vorhanden.