Knapp eine Woche nach den aufsehenerregenden Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zu „Problemen im Stadtbild“ wird weiterhin über die migrationspolitischen Äußerungen des CDU-Chefs debattiert. Vor allem von Linken und Grünen gibt es starken Widerstand.
Der Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, Cem Özdemir, schlägt einen gemäßigteren Ton an – obwohl er Merz für seine pauschale Wortwahl kritisiert und die Kanzlerin an seine besondere Verantwortung erinnert.
„Er ist kein teilnehmender Beobachter, sondern der Kanzler des Landes“, sagte Özdemir am Sonntagabend in der ARD im „Bericht aus Berlin“. Damit könne Merz „einen Beitrag zur Reduzierung irregulärer Migration leisten“.
Zudem hätte Merz „beide Sicherheitsprobleme besser aufgezeigt“, warnt Özdemir. Einerseits sei es im Osten ein Problem, „wenn man nicht wie ein Nachkomme der Wikinger aussieht“. Andererseits gebe es im Westen „offensichtlich ein Problem mit irregulärer Migration“.
Viele Menschen scheuen nachts den öffentlichen Nahverkehr (…) Das sind einfach unerträgliche Zustände und damit müssen wir klarkommen.
Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg
Özdemir beklagte zudem, dass Merz mit seinen Äußerungen die falschen Leute anspreche. „Er hätte besser darüber gesprochen, dass wir das Problem der irregulären Migration lösen müssen“, sagte der Grünen-Politiker.
Özdemir fordert ein „sensibles“ Vorgehen
Zugleich unterstützte Özdemir grundsätzlich die sicherheitspolitische Debatte. Allerdings müsse man sich dem Thema „unglaublich sensibel“ nähern, denn „wir reden über Menschen“. Daher sollten keine Verallgemeinerungen vorgenommen werden.
Allerdings sei „völlig klar“, dass es nicht sein kann, dass „ein solches Problem nicht angegangen wird“ – schließlich herrsche laut Umfragen eine große Verunsicherung in der Öffentlichkeit.
„Viele Menschen schrecken nachts vor öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, vor allem Frauen haben Angst, spätabends noch zu Bahnhöfen zu gehen. Das sind einfach unerträgliche Zustände, damit müssen wir klarkommen“, sagte die ehemalige Bundesministerin. „Wenn wir es nicht tun, dann ist es im Grunde ein Aufruf, die AfD zu wählen.“
Grünen-Chef übt scharfe Kritik an Merz
Deutlich härtere Worte kamen am Montag von Özdemirs Parteichefin Franziska Brantner. Es sei inakzeptabel und unverantwortlich, dass eine Kanzlerin „Millionen Deutsche einfach unter Generalverdacht stellt“, sagte der Grünen-Chef.
„Wir brauchen eine Kanzlerin, die verbindet, und keine Kanzlerin, die in rätselhaften Sätzen spricht, die alle unter Verdacht stellen und dann auf irgendwelche Töchter verweist“, sagte Brantner.
Zuvor hatte Merz seine „Stadtbild“-Aussage vehement verteidigt. „Ich habe nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich möchte es noch einmal betonen: Wir müssen etwas daran ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, etwas daran zu ändern, und wir werden diese Politik fortsetzen.“
Wer seine Töchter frage, werde auf die Frage, was er mit seinen Aussagen meinte, vermutlich „eine ziemlich klare und präzise Antwort“ bekommen, sagte Merz nach einer zweitägigen Strategiesitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. (TL)