In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert. Das berichten übereinstimmend die österreichische Nachrichtenagentur APA und Der Standard. Am Vormittag äußerte sich Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger dazu auf einer Pressekonferenz. Sie habe am Morgen den ÖVP-Chef Karl Nehammer und anschließend den SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler sowie den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen über ihre Entscheidung informiert, sagte Meinl-Reisinger. Am Donnerstag hatten die Chefs der drei Parteien noch bis spätabends verhandelt.
Bei der Nationalratswahl Ende September war die rechtspopulistische FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent. FPÖ-Chef Herbert Kickl fand bei ÖVP und SPÖ aber keinen Partner für eine Regierungsbildung. Daher nahmen ÖVP, SPÖ und Neos im November Koalitionsverhandlungen auf.
Meinl-Reisinger nennt Renten als größten Streitpunkt
Schwierigkeiten bei den
Gesprächen waren bereits in den vergangenen Wochen bekannt geworden. Besonders
heikle Themen zwischen den Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen waren
unter anderem Wirtschaft und Steuern. ÖVP-Chef Karl Nehammer und die SPÖ hatten
deshalb ihrerseits zwischenzeitlich mit einem Abbruch der Verhandlungen
gedroht.
In den vergangenen Tagen habe es weitere Rückschritte gegeben, sagte Neos-Chefin Meinl-Reisinger auf der Pressekonferenz. Sie habe „bis gestern Nacht Vorschläge gemacht“, aber letztlich keine gemeinsamen Lösungen mit ÖVP und SPÖ gefunden. Als größten Streitpunkt bezeichnete sie das Thema Rente. Man brauche den sozialen Ausgleich, aber auch
den Ausgleich zwischen den Generationen. Wer Österreich „strukturell reformieren will“, müsse sich um den Föderalismus, das Gesundheitssystem und die Altersvorsorge kümmern.
Ihr hätten „mutige Vorhaben“ gefehlt, sagte Meinl-Reisinger weiter. Sie
kritisierte zudem, dass „man über den nächsten Wahltag hinausschauen“
müsse.
ÖVP-Generalsekretär sieht Verantwortung bei SPÖ
Nach der Pressekonferenz äußerte sich ÖVP-Generalsekretär
Christian Stocker. Laut ihm tragen nicht die Neos, sondern die SPÖ die
Verantwortung für die gescheiterten Koalitionsverhandlungen.
„Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt“, heißt es in einer Mitteilung Stockers, wie der Standard schreibt. Demnach hätten „in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ
überhandgenommen und damit erreicht, dass sich die Neos aus den
Verhandlungen zurückgezogen haben“. Auch Stocker hob in diesem Kontext das Thema Renten hervor.
Die FPÖ hat inzwischen Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer zum Rücktritt aufgefordert. „Die Menschen haben die Nase voll! Es ist Zeit für Ihren Rücktritt, Herr Nehammer“, schrieb FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Pressemitteilung. Die Menschen hätten weder Lust auf ein Zweiermodell mit der SPÖ noch auf „eine neue Verliererampel mit den Grünen anstelle der Neos“.
Von der SPÖ äußerte sich bislang der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Er sei „nicht unglücklich“ über das Ende der Gespräche und rechne mit einer Expertenregierung und anschließenden Neuwahlen, sagte er der Nachrichtenagentur APA. Doskozil war im Juni 2023 bei der Wahl um den Parteivorsitz Babler unterlegen und gilt als einer seiner größten internen Widersacher.
Der Grünen-Parteivorsitzende Werner Kogler forderte auf X von allen verhandelnden Parteien, dass sie sich „jetzt erklären“ müssten. ÖVP, SPÖ und Neos müssten darlegen, „warum sie die Republik monatelang warten lassen und dann nichts zustande bringen“. Jetzt sehe man eine Flucht aus der Verantwortung.