
  
Oberammergau
Christian Stückl auf dem Weg zur Passion 2030
Ein alter Bekannter gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Leitung der Oberammergauer Passionsspiele im Jahr 2030. Doch Christian Stückl musste noch eine Hürde nehmen.
Regisseur Christian Stückl macht sich auf den Weg zu seiner fünften Leidenschaft: Als er bei einer Bürgerversammlung seine Ideen für die Oberammergauer Passionsspiele 2030 vorstellte, gab es für den 62-Jährigen nichts als Applaus. Im Anschluss an seine Ausführungen stellte eine Frau aus Oberammergau nur eine Frage – und sie wollte nur wissen, was sie verpasst hatte, weil sie etwas verspätet angekommen war.
  
  
„Keine Menschen, die so leidenschaftlich ihrer Leidenschaft nachgehen“
  
Damit hätte entschieden werden sollen, was erst an diesem Mittwoch im Oberammergauer Gemeinderat offiziell beschlossen wird: Stückl wird in knapp sechs Jahren erneut Regisseur des weltberühmten Passionsspiels in der 5.000-Einwohner-Stadt sein. „Das Ergebnis steht noch nicht fest, aber es wird so kommen, wie es soll“, sagte Bürgermeister Andreas Rödl (CSU). Es gebe „wenige oder keine Menschen, die ihrer Leidenschaft so leidenschaftlich nachgehen.“ „Die Community kann sich zurücklehnen und entspannen – wir wissen, dass es funktioniert.“
Zuvor hatte Stückl etwa eine Dreiviertelstunde lang gesprochen – wobei er nach eigenen Angaben nicht weiß, „ob ich mich bewerben soll oder ob man davon ausgeht, dass ich mich bewerben werde.“ Für ihn jedoch: „Ich halte mich weder für alt noch für untauglich“ und würde es „wirklich gerne noch einmal machen.“
  
  
  
  
Seit fast 40 Jahren leitet Stückl die Spiele, die auf ein jahrhundertealtes Pestgelübde zurückgehen. Im Jahr 1634 wütete die Pest; Damals gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre das Leiden und Sterben Christi zu vollziehen, wenn sonst niemand an der Pest sterben würde. Mehr als 400.000 Besucher kamen zur Passion 2022 – ein Millionengeschäft für die Kleinstadt.
Aber dieses Mal war etwas anders. Um die Vergabe der Spielleitung gab es im Dorf viel Getöse. Zum ersten Mal in der fast 400-jährigen Geschichte des weit über die Grenzen Deutschlands bekannten Laienspiels beschloss der Gemeinderat ein offizielles Bewerbungsverfahren, zu dessen Bestandteil auch Stückls Vortrag auf der Bürgerversammlung gehörte.
  
Stückl: Die jungen Leute kennen Jesus nicht mehr
  
Darin sprach er davon, dass im Jahr 2030 die Gestalt Jesu das Wichtigste sein werde. Denn: „80 Prozent der Jugendlichen können mit der Jesusfigur nichts mehr anfangen.“ In Zeiten der Theaterkrise kommt es vor allem darauf an, junge Menschen zu begeistern.
  
  
  
Außerdem möchte er einen neuen Blick auf die weiblichen Figuren in der Geschichte von Jesu Tod werfen – und vielleicht zunächst mit der evangelischen Theologin und ehemaligen EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann über die Frauen in der Bibel sprechen. Und er wollte jede Form möglichen Antisemitismus beseitigen. „Wo versteckt sich der Antisemitismus? Und wie bekommt man ihn raus?“
„Wir werden sehen, wie es weitergeht, wenn es soweit ist“
  
Er werde wohl „wieder mit der gleichen Mannschaft zusammenarbeiten“, sagte Stückl und nannte auch den Namen seines Stellvertreters Abdullah Karaca, der sich Berichten zufolge ursprünglich ebenfalls für die Stelle als Spielleiter bewerben wollte, nun aber wohl weiter mit ihm zusammenarbeiten will Stückl.
  
  
  
Wie das Ganze bei den nächsten Passionsspielen in rund fünfeinhalb Jahren aussehen wird, hat Stückl noch nicht gesagt: „Wir werden sehen, wie es läuft, wenn es läuft.“
Nach diesem Abend ist es jedoch weitgehend unmöglich, dass es ohne ihn klappt.
dpa
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