Da steht sie, die Dame mit dem grauen Kurzhaarschnitt. Ruhig und allein in der Nähe des berühmten Pier 39 in San Francisco. Sie wird Anfang 70 sein und hat nichts bei sich außer einem großen Schild, das sie den vielen Touristen entgegenhält, die an diesem sommerlichen Samstagmittag am Pier entlang flanieren. „Ich habe einen besseren Schrank von IKEA“, steht in blauen und gelben Buchstaben auf dem Karton.
Capital Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE-Zentralredaktion
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Die Leute lachen im Vorbeigehen, doch der Demonstrant bleibt ernst. Ihr Plakat (wörtlich übersetzt: „Ich habe einen besseren Schrank/Schrank von Ikea“) spielt mit dem Wort „Schrank“ und ist ein ironischer Vergleich: Selbst Ikea hat einen besseren Schrank zusammengestellt als die Regierung. Die Dame ist ein Vorbote dessen, was ein paar hundert Meter entfernt in großer Zahl passiert: Tausende Menschen haben sich auf dem Embarcadero Plaza gegenüber dem Ferry Building in San Francisco versammelt. Ohne ein politisches Statement ist kaum jemand da. Sie alle haben Schilder gemacht oder T-Shirts mit politischen Botschaften getragen.
Demonstranten gingen am Samstag in 2.700 US-Städten auf die Straße, um ihrer Wut über die Regierung von Donald Trump Ausdruck zu verleihen.
© AFP | Frederic J. Brown

US-Demonstrationen: Gegen Trump und die Einwanderungspolizei
Die Menschen sind Teil einer Bewegung, die am Samstag in den gesamten Vereinigten Staaten sichtbar und spürbar war: Millionen Menschen protestierten in zahlreichen Städten gegen Präsident Donald Trump. Unter dem Motto „Keine Könige“ gingen nach Angaben der Veranstalter insgesamt rund sieben Millionen Menschen in 2.700 Städten auf die Straße. Allein in San Francisco sollen sich 50.000 Menschen dem Protestmarsch angeschlossen haben. Sie werfen Trump vor, mit seinem Regierungsstil die USA wie ein König regieren zu wollen und die Demokratie zu gefährden. Andere Teilnehmer forderten die Abschaffung der Einwanderungspolizei ICE, die auf Anweisung von Trump seit Monaten hart gegen irreguläre Einwanderer vorgeht.
In San Francisco beteiligten sich laut Medienangaben 50.000 Menschen an dem Protestmarsch durch die Innenstadt. Auf dem Foto sind die Demonstranten auf der Market Street zu sehen.
© Stephen Lam/San Francisco Chronicle/AP/dpa | STEPHEN LAM
Um 14 Uhr fuhr der Zug von San Francisco los. Pete rennt auch mit. Der 62-Jährige sagt: „Die Regierung zerstört alles, wofür Amerika steht. Deshalb gehen wir heute auf die Straße!“ Auf seinem T-Shirt steht: „ICE abschaffen – Familien gehören zusammen.“ Eine Frau schreit: „Amerika wurde von Einwanderern geschaffen!“ Der Applaus gibt ihr Recht.
Abschlusskundgebung der „No Kings“-Demonstration in San Francisco: Menschen versammeln sich im Civic Center.
© Stephen Lam/San Francisco Chronicle/AP/dpa | STEPHEN LAM
Menschenbanner an der Pazifikküste von San Francisco
Der Protestmarsch in San Francisco führt von der Bay weg in die Stadt, über die Market Street, vorbei an Geschäftsgebäuden, Cafés und über Straßenbahngleise. Es scheint, als würde dieser Menschenzug nie enden. Am späten Nachmittag versammelt sich die Menschenmenge auf dem Civic Center Plaza vor dem Rathaus. Redner sprechen über Demokratie, über Rechte, über Gemeinschaft. Die Menge lauscht mit erhobenen Schildern und offenen Augen.
Ein riesiges menschliches Banner an der Pazifikküste von San Francisco. Der Slogan „Yes on 50“ bezieht sich auf den Plan, die Grenzen der kalifornischen Kongressbezirke neu zu ziehen, um die Wählerstimmen der Demokraten zu stärken und das Kräfteverhältnis mit den Republikanern anzupassen.
© AFP | LAURE ANDRILLON
Parallel zum Protestmarsch in der Stadt gibt es eine beeindruckende Szene am feinen Sandstrand an San Franciscos Pazifikküste: Auch hier haben sich Hunderte (wenn nicht Tausende) Menschen versammelt und zeigen, dass es viele davon gibt. Sie stehen Schulter an Schulter im Sand und bilden zusammen ein riesiges Banner, auf dem aus der Luft die Worte „NO KINGS YES ON 50“ zu lesen sind. „Yes on 50“ ist ein direkter Hinweis auf die Bemühungen, die Karten für die Kongressbezirke Kaliforniens neu zu zeichnen – mit dem erklärten Ziel, den Stimmen der Demokraten stärker Rechnung zu tragen und das Kräfteverhältnis gegenüber den Republikanern zu beeinflussen.
In der Innenstadt von San Francisco löste sich die Demonstration am späten Nachmittag auf. Nicht abrupt, sondern in kleinen Gruppen, die trotzdem plaudern, Fotos machen – und sich wieder die Hand geben. Sie alle wissen: Sie werden sich wiedersehen. Beim nächsten Protest.