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„Nicht einmal China verbietet Verbrennungsmotoren“

Herr Franz, Mahle hat in den letzten Jahren harte Sparprogramme durchgesetzt. Wie gut ist das Unternehmen für die kommenden Jahre aufgestellt?


Nach dem Verlustjahr 2022 haben wir das Unternehmen stabilisiert und angesichts der gesamtwirtschaftlichen Situation ordentliche Ergebnisse geliefert. Wir haben unsere neue Strategie auf den Weg gebracht und arbeiten seit Jahren daran, kosteneffizienter und produktiver zu werden und gleichzeitig die Transformation zu bewältigen.

Das war alles, bevor US-Präsident Donald Trump sein Amt antrat. Wie hat sich das wirtschaftliche Umfeld seitdem verändert?


Die US-Zölle von 15 Prozent gelten nicht nur für Autos, sondern auch für Autoteile, was den Export in die USA deutlich erschwert. Darüber hinaus hat eine Verschlechterung des Wechselkurses eine ähnliche Auswirkung. Wir haben in China einen Wettbewerb, der nicht nur auf der Kostenseite, sondern auch auf der Technologieseite stattfindet. Lieferketten geraten immer wieder unter Druck. Der europäische Fahrzeugmarkt schrumpft, weltweit erleben wir eine Stagnation. Darüber hinaus herrscht Stillstand in der entscheidenden Frage, ob das für 2035 geplante Verbrennungsverbot der EU durch eine offenere Regelung ersetzt wird.



Kolben sind vor dem Mahle-Hauptsitz in Bad Cannstatt zu sehen. Der Verbrennungsmotor spielt weiterhin eine wichtige Rolle. Foto: Mahle

Was bedeutet diese Häufung von Stressfaktoren für Mahle?

Wir haben unsere Pläne angepasst und müssen nun einen Schritt gehen, den wir nicht geplant hatten, der aber notwendig ist. Wir müssen unsere Kapazitäten in indirekten Bereichen reduzieren, also in der Verwaltung, aber auch in Forschung und Entwicklung.

Ein neues Sparprogramm?

Ab dem nächsten Jahr wollen wir weltweit zusätzlich 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Dabei handelt es sich nicht um vorübergehende Maßnahmen – wir brauchen das Sparvolumen dauerhaft, da wir in den nächsten fünf Jahren keine Erholung der Märkte sehen. Besonders betroffen sind Nordamerika und Europa.

Was bedeutet das für die Mitarbeiter?

Die Einsparungen sollen zu einem Drittel aus Sachkosten und zu zwei Dritteln aus Personalkosten bestehen. Das entspricht weltweit rund 1.000 Stellen, die wir abbauen werden.

Die Unternehmenszentrale und ein Großteil der Verwaltung befinden sich in Stuttgart. Ist dieser Standort von den Einsparungen besonders betroffen?

Die Hälfte der Kosteneinsparungen kommt aus Deutschland und der Großteil davon tatsächlich aus Stuttgart.

Wie soll der Abbau umgesetzt werden?

Darüber werden wir mit den Arbeitnehmervertretern sprechen. Wir gehen zielgerichtet und verantwortungsvoll vor. Einen Teil der Personalkosteneinsparungen wollen wir durch eine Reduzierung der laufenden Gehälter erreichen. Klar ist aber auch, dass damit allein nicht das nötige Einsparvolumen erreicht werden kann. Abhängig von den Ergebnissen der Gespräche gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass von den Kürzungen eine mittlere dreistellige Zahl an Arbeitsplätzen in Deutschland betroffen sein wird. Die Umsetzung sollte nach Möglichkeit durch Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme erfolgen. Wir beginnen umgehend Gespräche mit dem Betriebsrat und möchten, dass die Mitarbeiter schnell Klarheit haben.

Die Produktion ist von den Sparmaßnahmen nicht betroffen?

Nein, denn wir passen die Beschäftigung immer sehr zeitnah an die Auslastung an.

Mahle lebt von Innovation – wie passt das zu Einsparungen bei Forschern und Entwicklern?

Wir sind ein Unternehmen, das von Technologie angetrieben wird und Technologie vorantreibt. Allerdings sehen wir auch, dass sich viele Kundenprojekte, an denen wir arbeiten, aufgrund der Marktschwäche verzögern, verschieben oder ganz absagen. Das bedeutet, dass es an Verkäufen mangelt. Es ist daher unerlässlich, bei der Entwicklung Geld zu sparen – auch wenn es schmerzhaft ist.

Wann möchten Sie diese Einsparungen erzielen?

Es ist notwendig, dass diese Einsparungen bereits im Jahr 2026 ihre volle Wirkung entfalten, um unsere Ergebnisse trotz schwacher Märkte deutlich zu verbessern. Wir können uns keine langwierigen Verhandlungen leisten.

Trotz der Krise haben Sie in den letzten zwei Jahren recht ordentliche Ergebnisse erzielt.

Wir haben in der Tat schon einige Fortschritte im Jahresabschluss gesehen. Darin waren aber auch Einmaleffekte enthalten, die durch den Verkauf von Unternehmensteilen entstanden sind. Dies kann nicht endlos wiederholt werden. Wir müssen jetzt zu den Strukturen kommen.

Ist Mahles Regierung zu groß geworden?

Ein über Jahre gewachsenes Unternehmen baut entsprechende Strukturen auf. Dies müssen wir nun an das rückläufige Geschäftsvolumen anpassen. Wir haben unsere Führungs- und oberen Führungsebenen bereits deutlich verschlankt.

Wie sicher sind die Produktionsstandorte?

Ihre Aussichten hängen weniger von der aktuellen Umsatzsituation als vielmehr von der Perspektive der Transformation ab.

Sie fordern seit langem, das für 2035 geplante Verbot von Verbrennungsmotoren aufzuheben und die Technologien nicht der Autoindustrie vorzuschreiben. Was steht für Mahle auf dem Spiel?

Wenn der Verbrennungsmotor nicht abgeschafft oder weitestgehend flexibler gestaltet wird, haben Standorte, die stark auf diese Technologie angewiesen sind, kaum eine Chance.

Welchen Markt sehen Sie noch für den Verbrennungsmotor?

Realistisch gesehen werden im Jahr 2035 vielleicht 50 Prozent der weltweit produzierten Fahrzeuge batterieelektrisch sein. Der Rest besteht aus Hybriden und Range Extendern – alles Technologien mit Verbrennungskomponenten, bei denen Mahle stark vertreten ist. Nicht einmal China verbietet Verbrennungsmotoren. Solange es Nachfrage gibt, werden wir sie bedienen – mit Komponenten für klimaneutrale Motoren.

Wovon?

Wenn Fahrzeuge mit Verbrennungstechnologie in Europa nicht mehr verkauft werden dürfen, wird die Produktion in andere Teile der Welt verlagert. Wir verfügen bereits über ein globales Biomobilitätszentrum in Brasilien, wo wir gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern in vielen Teilen der Welt Motoren entwickeln, die mit Biokraftstoffen betrieben werden.

Über die Zukunft der einzelnen Standorte verhandeln sie schon seit Längerem. Trägt das nicht dazu bei, die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor zu verringern?

Wir kommen in unserem Transformationsdialog mit der Belegschaft und den Arbeitnehmervertretern gut voran und sehen auch die eine oder andere Chance, mit neuen Produkten Arbeitsplätze zu sichern. Klar ist aber auch, dass das Beschäftigungsvolumen, das der Verbrennungsmotor heute darstellt, durch kein anderes Geschäft unseres Unternehmens eins zu eins kompensiert werden kann.

Welche Bedeutung hat E-Mobilität für Mahle?

Wir haben viel investiert und entwickeln hocheffiziente Elektroantriebe und intelligentes Laden. Wir bieten im Thermomanagement alles aus einer Hand, von Komponenten über Module bis hin zum Gesamtsystem. Allerdings passen wir auch hier derzeit unsere Kapazitäten an, da sich die Nachfrage nicht entsprechend entwickelt. Derzeit zahlen wir für jedes Produkt, das ausschließlich für batterieelektrische Fahrzeuge entwickelt wurde, einen Aufpreis.

Nicht nur Mahle streicht Fachkräfte, sondern auch viele andere Automobilhersteller und Zulieferer. Wie sieht ihre Zukunft aus?

Diese Entwicklung ist Chance und Verpflichtung zugleich für die Gesamtwirtschaft und die Politik. Jetzt ist es wichtig, hochqualifiziertes Personal aus den Fabriken der Automobilzulieferer für das Wachstum in neuen Technologien einzusetzen: in der Biotechnologie, in der Robotik, in der künstlichen Intelligenz, aber auch in der Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungstechnik.

Wo sehen Sie hier die Rolle der Politik?

Baden-Württemberg ist das industrielle Zentrum Deutschlands und muss eine Vorbildfunktion übernehmen. Wir brauchen jetzt ein Sofortprogramm im Land, um die industrielle Kompetenz, die sich in den Mitarbeitern widerspiegelt, in die Zukunft zu führen. Dazu gehören auch bessere Rahmenbedingungen für die Industrie bei Energie, Arbeit und Steuern. Es muss eine intensive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Landespolitik und Arbeitsagenturen stattfinden, damit wir die Arbeitnehmer, die jetzt entlassen werden, nicht hängen lassen. Mahle trägt mit einem umfassenden Transformationsprogramm zu diesem Wandel bei. Wir alle müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln.

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