DDie republikanische Kongressabgeordnete Maria Elvira Salazar aus Florida veröffentlichte die Zeichnung eines Engels, der Donald Trump vor einer Kugel beschützt. „Wenn Gott mit dir ist, wer kann dann gegen dich sein?“, schrieb sie auf Spanisch. Salazar ist nur eine von vielen Unterstützern des Ex-Präsidenten, die schnell eine klare Erklärung dafür hatten, warum die Kugel des 20-jährigen Schützen Thomas Matthews Crooks Trumps rechtes Ohr nur streifte: Sie führen göttliche Fügung – „die Hand Gottes“ – als Grund dafür an, dass der Ex-Präsident den Mordanschlag während einer Kundgebung in Butler, Pennsylvania, überlebte.
Trumps Tochter Ivanka wiederum sagte nach dem Attentat, sie glaube, ihre vor zwei Jahren verstorbene Mutter Ivana – Trumps erste Frau – habe während der Schießerei über ihren Vater gewacht. Der republikanische Kongressabgeordnete Carlos Antonio Giménez aus Florida sagte gegenüber Fox News, Trump habe durch „Gottes Gnade“ überlebt, während Parteikollege Cory Mills sagte, „göttliches Eingreifen“ und Gottes „schützende Hand“ hätten den ehemaligen Präsidenten am Leben gehalten.
Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Gestern hat Gott Präsident Trump beschützt.“ Trump selbst lobte Gott dafür, dass er ihm das Leben gerettet hatte, und schrieb am frühen Sonntagmorgen: „Gott allein hat das Undenkbare verhindert.“ Die einflussreiche pro-Trump-Lobbygruppe MAGA Inc. schrieb am Sonntag in einer Botschaft an ihre Anhänger, dass „Gottes Gnade“ Trump vor „der Kugel eines Feiglings“ bewahrt habe.
Die Kommentare seiner Verbündeten markieren einen außergewöhnlichen Moment in der amerikanischen Politik und für Trump, der diese Woche auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee offiziell als Kandidat der Partei nominiert wird. Die Unterstützung seiner Anhänger – darunter viele hochrangige republikanische Funktionäre – für göttliche Intervention stärkt Trumps Position in der Partei, nicht nur als Parteivorsitzender, sondern auch als jemand, der von einer höheren Macht auserwählt wurde, das Land zu retten.
Religion spielt in der amerikanischen Gesellschaft eine zentrale Rolle – auch wenn der Anteil der Kirchenmitglieder in den vergangenen drei Jahrzehnten von rund 70 Prozent auf unter 50 Prozent gesunken ist. Auf jedem Dollarschein ist der Slogan „In God we Trust“ aufgedruckt. Die ersten europäischen Siedler in den USA waren Anhänger der calvinistischen Lehre, in der die Auserwähltheit durch Gott eine zentrale Rolle spielt.
In der Gegenwart bilden gläubige evangelikale Christen eine ganz wichtige Basis von Donald Trumps Wählerschaft. Bei der Wahl 2016 hatten 77 Prozent dieser Gruppe für Donald Trump gestimmt, 2020 waren es sogar 84 Prozent. Das erklärt auch die Tendenz republikanischer Politiker, nach dem Attentat von göttlicher Intervention zu sprechen.
„Gestern geschahen Wunder, und ich glaube, dass auch die Hand Gottes dabei war“, sagte der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Steve Scalise, am Sonntag bei Fox & Friends Weekend. Der Politiker verglich den Mordanschlag mit seiner persönlichen Erfahrung, als er 2017 beim Training mit dem republikanischen Kongress-Baseballteam angeschossen wurde. „Nur einen Zentimeter weiter und wir würden ein ganz anderes Gespräch führen.“
Auch der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Vivek Ramaswamy, ein überzeugter Trump-Anhänger, bezeichnete die Flugbahn der Kugel als „göttliche Vorsehung“. Ramaswamy fügte hinzu, die Kugel sei „nur einen Atemzug davon entfernt gewesen, eine Nation zu töten“.
„Moment extremer moralischer Klarheit“
Die Republikaner betonten zwar, dass Gott die Hand ausgestreckt und den Angriff verhindert habe, machten aber gleichzeitig aggressive Rhetorik für den Angriff verantwortlich. „Gott hat letzte Nacht unsere Republik gerettet. Extreme Stimmen haben das Feuer in Amerika geschürt“, schrieb der gemäßigte Republikaner Brandon Williams aus New York auf X. „Dieses Foto wird als Moment extremer moralischer Klarheit in die Geschichte eingehen – ein trotziges Aufbegehren gegen extremen Hass.“
Das Bild von Trump mit erhobener Faust und Blut im Gesicht machte den ehemaligen Präsidenten in den Augen seiner Anhänger bereits zum Märtyrer. Auch historische Parallelen zur amerikanischen Geschichte und ihren Heldenfiguren wurden gezogen. Johnson erinnerte daran, dass Gott einst den späteren ersten US-Präsidenten George Washington vor einem Hinterhalt beschützte – der Vorfall im Jahr 1755 ereignete sich ebenfalls in Pennsylvania.
Ein weiteres historisches Beispiel für angebliche göttliche Intervention kam mir in den Sinn, als der republikanische Kongressabgeordnete Mike Collins aus Georgia auf X schrieb: „Gott hat Ronald Reagan aus einem bestimmten Grund verschont. Gott hat Donald Trump aus einem bestimmten Grund verschont. Gott verfehlt niemanden.“ Der ehemalige republikanische Präsident Reagan überlebte 1981 einen Mordanschlag, als er vor dem Hilton Hotel in Washington mehrfach angeschossen wurde.
Peter Westmacott, von 2012 bis 2016 britischer Botschafter in Washington, sagte gegenüber der WELT-Partnerpublikation „Politico“, die ebenfalls im Axel-Springer-Verlag erscheint, Trumps Anhänger betrachteten das Überleben des früheren Präsidenten als „Manna vom Himmel“.
Zunächst sei er entsetzt gewesen. Doch dann habe er sehr schnell – und es tue ihm leid, das zu sagen, denn eigentlich sei es zynisch – erkannt, dass es Trump helfen könne: „Es ist hilfreich für die Opferrolle, die Märtyrer-Inszenierung, auf die Donald Trump während seines Wahlkampfs gesetzt hat.“
Mitwirkende: Kelly Garrity, Samantha Latson und Mason Boycott-Owen
Dieser Text erschien zuerst in der WELT-Partnerpublikation POLITICO. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Klaus Geiger.