![Nach Assads Sturz: Erdogans Ziele in Syrien Nach Assads Sturz: Erdogans Ziele in Syrien](https://i2.wp.com/www.fr.de/assets/images/36/425/36425347-der-tuerkische-praesident-recep-tayyip-erdogan-QPBG.jpg?w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
Die Türkei spielt in Syrien eine wichtige Rolle. Der türkische Präsident will kurdische Institutionen zerstören und neue Verhältnisse schaffen.
Ankara – Die Türkei ist seit Jahren in Syrien aktiv. Ankara besetzt verschiedene Städte des Landes und hat im Land mehrere Militärstützpunkte errichtet. Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad spricht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan über seine Ziele in Syrien. „Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir als Türkiye keine Schritte zulassen werden, die unsere nationale Sicherheit und Interessen gefährden würden“, sagte Erdogan auf X.
Die „separatistische Terrororganisation“ wolle die Chance nutzen, sagte Erdogan. Gemeint sind vor allem die autonome Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens sowie die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), in denen neben Kurden auch Araber sowie Christen und andere Minderheiten vertreten sind.
Nach Assads Sturz in Syrien: Erdogan spricht über seine eigenen Ziele
In der Vergangenheit hatte Erdogan die SDF und die autonome Selbstverwaltung immer wieder mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gleichgesetzt und ihr vorgeworfen, von dort aus Angriffe auf die Türkei zu verüben und das Gebiet als Rückzugsort zu nutzen. Die Türkei bombardiert das Gebiet seit Jahren massiv aus der Luft. Mit seinen Soldaten und vor allem verbündeten Dschihadisten werden „Militäreinsätze“ gegen Kurden durchgeführt.
![Nach Assads Sturz: Erdogans Ziele in Syrien Nach Assads Sturz: Erdogans Ziele in Syrien](https://www.fr.de/assets/images/36/425/36425347-der-tuerkische-praesident-recep-tayyip-erdogan-QPBG.jpg)
Bei den Opfern der Angriffe handelt es sich überwiegend um Zivilisten. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei einem jüngsten Angriff der Türkiye am Montagabend elf Zivilisten, darunter sechs Kinder, getötet. Der Drohnenangriff soll in einem Dorf in der Nähe von Ain Issa stattgefunden haben.
Nach dem Sturz Assads in Syrien: Erdogan bombardiert weiterhin kurdische Städte und Dörfer
Die Ziele der Türkiye sind für Dr. Kamal Sido, Nahostberater bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), ganz klar. „Erdogan hat bereits gezeigt, was er vorhat, als er die letzten kurdischen Dörfer im Norden von Aleppo und Tel Rifat angegriffen hat. Mit ihm verbündete Milizen haben dort Menschen enthauptet. Viele Menschen wurden erschossen und rund 200.000 Menschen mussten fliehen. Familien wurden auseinandergerissen, Männer verloren ihre Frauen und Frauen ihre Männer“, sagt Sido in einem Interview Fr.de aus IPPEN.MEDIA.
Auch nach der Flucht nach Minbic und in andere Gebiete im Norden Syriens (kurdisch: Rojava) müssen die Menschen immer noch Tod und Elend fürchten. Diese Gebiete würden weiterhin regelmäßig von der türkischen Luftwaffe und verbündeten Islamisten angegriffen, sagte der Menschenrechtsexperte.
Reaktionen auf den Sturz Assads in Syrien: SDF als Gegengewicht zu Dschihadisten sollten vernichtet werden
Vor allem Kurden geraten Erdogan ins Visier. „Viele Kurden mussten in den vergangenen Jahren mehrfach ihre Heimat verlassen. Diese Menschen wissen nicht mehr, wohin sie gehen sollen. Viele werden daher nach Europa kommen. Erdogan will die Autonomieverwaltung mit aller Kraft zerstören. Die Demokratischen Kräfte Syriens, die dieses Gebiet schützen und gegen die Terrormiliz IS kämpfen, sind die einzigen Kräfte, die ein Gegengewicht zu den Islamisten bilden können, und genau diese Kräfte werden dann angegriffen.
Ähnlich sieht es der ehemalige Abgeordnete der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Faysal Sariyildiz, im Interview mit unserer Redaktion. „Die Türkei hat zwei Ziele. Einerseits sollte die kurdische Präsenz und alle ihre Strukturen in der Region zerstört werden. „Das ist für die Erdogan-Regierung sehr wichtig, weil sie es als sehr wichtig für ihren Fortbestand ansieht“, sagt Sariyildiz. Die Kurden sollten sich Ankara unterwerfen.
Erdogan will in Syrien Großmachtfantasien ausleben
„Andererseits verfolgt Erdogan eine Expansionspolitik und Großmachtphantasien wie ein neues Osmanisches Reich. Und das will er in Syrien gemeinsam mit verbündeten Dschihadisten erreichen. Eine multiethnische autonome Selbstverwaltung, in der neben Kurden und Arabern auch ethnische und religiöse Minderheiten vertreten sind, ist für Erdogan ein Problem.“
Nicht umsonst schreibt Erdogan auf X: „Es gibt jetzt eine neue politische und diplomatische Realität in Syrien. Und Syrien gehört den Syrern mit all seinen ethnischen, konfessionellen und religiösen Elementen.“ Kurden und ihre Autonomierechte sollen davon offenbar ausgenommen sein. Zuletzt reichten mehrere deutsche Organisationen bei der Generalbundesanwaltschaft sogar Strafanzeige gegen Erdogan ein – wegen Kriegsverbrechen. (erpe)