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Mutmaßlicher IS-Sympathisant: Neue Erkenntnisse über Terrorverdächtige werfen besorgniserregende Fragen auf

Am vergangenen Samstag trafen Spezialkräfte in Berlin-Neukölln ein. An drei Orten schlugen die Ermittler zu, auch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) war beteiligt. Ziel war die Festnahme des 22-jährigen Syrers: Abdalla R.

Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der Mann einen islamistisch motivierten Anschlag vorbereitete. Bei den Durchsuchungen wurden Materialien gefunden, die sich für den Bau von Sprengkörpern eignen könnten. Gegen den Syrer wurde nun ein Haftbefehl wegen der Vorbereitung eines schweren staatsgefährdenden Verbrechens erlassen.

Wie gefährlich der Verdächtige tatsächlich war, ist noch unklar. Doch die Umstände seines Aufenthaltes in Deutschland werfen heikle Fragen auf.

Nach allem, was wir bisher wissen, lebte Abdalla R. völlig unauffällig in Deutschland. Er kam erst im Dezember 2023 an. Im September 2024 erhielt er subsidiären Schutz, also eine befristete Aufenthaltserlaubnis für Menschen, denen in ihrem Herkunftsland ein schwerer Schaden droht.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen verlief das Asylverfahren „völlig normal“. Bei den Interviews durch die verantwortlichen Experten wurden gezielte, teilweise subtile Fragen einbezogen, um Anzeichen einer möglichen Radikalisierung zu erkennen. Es habe aber keine Auffälligkeiten gegeben, heißt es. „Er war ein unbeschriebenes Blatt“, sagte ein hochrangiger Sicherheitsbeamter gegenüber WELT.

Ein Blick in seine Asylakte zeigt, dass der Syrer zwei leicht unterschiedliche Pseudoidentitäten nutzte. Auch zwei unterschiedliche Geburtsdaten (Januar 2004 und März 2003) und Geburtsorte (Aleppo und Idlib) sind in den Akten zu finden.

Den Ermittlern zufolge gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann seine Identität bewusst verschwiegen hätte. Die Behörden gehen vielmehr davon aus, dass die Unterschiede auf Übersetzungs- oder Transkriptionsfehler bei der Aufnahme zurückzuführen sind. Es handelt sich um ein Phänomen, das in Verfahren mit arabischen Namensformen häufig vorkommt.

Auf einem Social-Media-Profil, das nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden Abdalla R. zugeordnet werden kann, soll der 22-Jährige in den vergangenen Monaten mehrfach zu Hass gegen „Ungläubige“ aufgerufen haben. Außerdem teilte er dschihadistische Inhalte und Hymnen mit Bezug zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Das Konto wurde nun gelöscht. Sicherheitskreisen zufolge waren die deutschen Behörden erst vor rund einer Woche durch einen Hinweis eines ausländischen Partnerdienstes auf den Mann aufmerksam geworden.

Die Informationen aus dem Ausland lösten eine sofortige Risikoeinschätzung aus. Als der Tatverdächtige offenbar bereits an Teile gelangte, die für den Bau eines Sprengsatzes geeignet sein könnten, beschlossen die Ermittler, diese zu beschlagnahmen. Am Samstag schlug das SEK schließlich gegen drei Berliner Adressen zu, die mit dem Mann in Verbindung stehen.

Zwei Szenarien für die Ermittler

Für die Sicherheitsbehörden stellen sich nun zwei wichtige Fragen. Beide gelten sicherheitspolitisch als brisant. Radikalisierte sich Abdalla R. erst in Deutschland? Dann wäre die Frage, wo und in welchem ​​Umfeld dies geschah und ob es über Online-Propaganda, persönliche Kontakte oder religiöse Gruppen geschah. Oder zweitens: Wurde der Mann bereits als Islamist nach Deutschland geschmuggelt?

Die Untersuchungen müssen in den kommenden Wochen zeigen, welche der beiden Varianten zutrifft. Klar ist: Diese Antworten sind für die Sicherheitsdienste von zentraler Bedeutung, auch mit Blick auf zukünftige Risikobewertungen.

„Der Erfolg der Ermittlungen zeigt, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden ist“, sagte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik-Meisel am Sonntag gegenüber WELT. Der Fall mache deutlich, wie schwierig es sei, potenzielle Bedrohungen zu erkennen, „wenn sie sich zunächst völlig unauffällig verhalten“.

Wir sind das WELT-Ermittlerteam: Haben Sie Hinweise für uns? Dann nehmen Sie gerne Kontakt auf, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (8SNK792J).

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