Vor dem Oberlandesgericht Dresden hat ein neues Kapitel in der Aufarbeitung des NSU-Komplexes begonnen. Angeklagt ist Susann Eminger aus Zwickau. Sie soll Beate Zschäpe und ihre Komplizen unterstützt haben. Nach dem großen Münchner NSU-Prozess im Jahr 2018 untersucht das Gericht nun erneut, welche Helfer das Terrortrio im Hintergrund unterstützt haben.
Vor dem Oberlandesgericht Dresden hat ein weiterer Prozess im Zusammenhang mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) begonnen. Angeklagte ist Susann Eminger aus Zwickau, die Ehefrau eines bereits im Münchner NSU-Prozess verurteilten Unterstützers. Zu den Vorwürfen schwieg der Angeklagte zunächst. Sein Mandant werde sich „vorerst nicht äußern“, sagte einer ihrer Anwälte vor Gericht.
Zuvor hatte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft die Anklage gegen den 44-Jährigen verlesen. Der Prozess wurde daraufhin auf Freitag vertagt. Dann werden die ersten Zeugen vernommen – Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes.
Vor Beginn des Prozesses in Dresden gegen die mutmaßliche NSU-Unterstützerin Susann Eminger demonstrierten rund 40 Menschen vor dem Gerichtsgebäude und forderten Entschädigungen für die Angehörigen der NSU-Opfer. Die Gruppe nannte sich NSU Watch.
Vorwurf: Die Identität von Beate Zschäpe geliehen
Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe wirft dem Angeklagten in drei Fällen Unterstützung der Terrororganisation NSU sowie Beihilfe zu besonders schwerer räuberischer Erpressung vor. Laut Anklage soll die Angeklagte ihrer Freundin, der verurteilten NSU-Mittäterin Beate Zschäpe, unter anderem für Arztbesuche ihre Krankenversicherungskarte zur Verfügung gestellt haben. Nach Angaben des Gerichts war Zschäpe im Prozess Anfang Dezember und Ende Januar als Zeugin geladen.
Mehr als sieben Jahre nach der Urteilsverkündung in München beginnt der zweite Strafprozess rund um das Terrornetzwerk NSU. MDR SACHSEN beantwortet die wichtigsten Fragen zum Gerichtsverfahren.
Wer steht in Dresden vor Gericht?
Angeklagte ist Susann Eminger, Ehefrau von André Eminger, der im Münchner NSU-Prozess 2018 wegen Unterstützung einer Terrororganisation zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Er hat seine Strafe bereits abgesessen. Für den Prozess gegen Susann Eminger sind bis Juni 2026 Dutzende Verhandlungstage angesetzt.
Worum geht es bei diesem Verfahren?
Der Generalbundesanwalt wirft Susann Eminger vor, mehrfach die Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ unterstützt und Beihilfe zu einer besonders schweren räuberischen Erpressung geleistet zu haben.
Im Einzelnen sollte es:
- Beate Zschäpe gab ihre Krankenversicherungskarte ab, damit sie unerkannt an Arztterminen teilnehmen konnte,
- zur Beschaffung von Bahnkarten für Zschäpe und Uwe Böhnhardt ihre Personalien zur Verfügung gestellt haben,
- Im Oktober 2011 fuhren Zschäpe und Böhnhardt zu einem Wohnmobil, das der NSU kurz darauf für den letzten Raubüberfall in Eisenach nutzte.
Was droht dem Angeklagten?
Bei einer Verurteilung wegen Unterstützung einer Terrororganisation drohe Susann Eminger eine mehrjährige Haftstrafe. Sie ist derzeit auf freiem Fuß.
Warum kommt dieser Fall jetzt vor diesem? Oberlandesgericht Dresden?
Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden hatte ursprünglich im Oktober 2024 beschlossen, den Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nicht zuzulassen. Aus Sicht des Senats konnte der Verdacht, dass Susann Eminger von den NSU-Morden wusste, nicht hinreichend bewiesen werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob diese Entscheidung jedoch im April 2025 auf. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass Susann Eminger zumindest wissentlich Hilfe geleistet hat, obwohl sie von den gewalttätigen und rassistischen Zielen des NSU wusste. Das bedeutet, dass nun ein anderer Senat des Oberlandesgerichts Dresden über die Anklage verhandeln muss.
Warum gilt der Fall als Teil des NSU-Ermittlungen?
Zwischen 2000 und 2007 ermordete der NSU neun Männer mit türkischen und griechischen Wurzeln sowie eine Polizistin, verübte zwei Bombenanschläge und verübte 15 Raubüberfälle. Der Hauptprozess in München gegen Beate Zschäpe und vier Unterstützer endete 2018.
Doch Angehörige der Opfer forderten stets, dass die Ermittlungen mit diesem Urteil nicht enden dürften. Der Dresdner Prozess gegen Susann Eminger ist der erste neue NSU-Prozess auf Bundesebene seit dem Münchner Urteil und gilt als einer der letzten juristischen Nachwirkungen des NSU-Komplexes.
MDR (kbe)/afp
Dieses Thema im Programm:
MDR SACHSEN – Das Sachsenradio | Nachrichten | 6. November 2025 | 11:00 Uhr
