Militär übernimmt Regierung – Präsident Rajoelina floh

Putsch in Antananarivo

Militär kündigt Machtübernahme in Madagaskar an

In Madagaskar kommt es zu politischen Unruhen, der Präsident ist geflohen. Jetzt greift das Militär ein.

Das Militär hat in Madagaskar die Macht übernommen. Eine Eliteeinheit der Armee gab am Dienstag in der Hauptstadt Antananarivo bekannt, dass sie mit sofortiger Wirkung die Führung des Landes übernehmen und alle Institutionen außer dem Unterhaus des Parlaments auflösen werde. Die Verfassung sei außer Kraft gesetzt und das Präsidialamt durch einen Präsidialrat aus Vertretern der Armee und der Gendarmerie ersetzt worden, berichteten mehrere Nachrichtenagenturen übereinstimmend.

Der Übernahme folgten wochenlange Proteste und eine Verschärfung der politischen Krise. Der 2023 wiedergewählte Präsident Andry Rajoelina löste am Dienstagmorgen das Parlament auf – offenbar um eine bevorstehende Abstimmung über seine Absetzung zu verhindern. Doch kurz darauf stimmte das Unterhaus dennoch für seine Amtsenthebung. Wenige Minuten später gab das Militär bekannt, dass es die Kontrolle übernommen hatte.

Rajoelina soll am Wochenende ins Ausland gereist sein. Militärischen Quellen und Diplomaten zufolge verließ er das Land an Bord eines französischen Militärflugzeugs. In einer Ansprache von unbekanntem Ort aus erklärte der 51-Jährige, dass er sich in Sicherheit bringen müsse, weil sein Leben in Gefahr sei.

Der entscheidende Wandel erfolgte mit dem Seitenwechsel der Eliteeinheit Capsat. Am Wochenende stellte sich die Sondereinheit offen auf die Seite der Demonstranten, die seit Ende September gegen die Regierung protestieren. Capsat übernahm die Führung des Militärs, setzte den bisherigen Armeechef ab und kündigte an, die politische Ordnung des Landes neu zu ordnen. Auch die Polizei und die Gendarmerie erklärten, dass sie den Schritt unterstützten.

Auslöser der Massenproteste waren zunächst tagelange Stromausfälle und Engpässe in der Wasserversorgung. Innerhalb weniger Tage weiteten sich die Demonstrationen zu einer landesweiten Bewegung gegen Korruption, Misswirtschaft und schlechte Lebensbedingungen aus. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Proteste mindestens 22 Menschen getötet und mehr als hundert verletzt.

Am Dienstag versammelten sich erneut Tausende Menschen im Zentrum von Antananarivo. Viele bezeichneten den Flüchtling Rajoelina aufgrund seiner doppelten Staatsbürgerschaft und seiner Nähe zu Frankreich als „Marionette“ der ehemaligen Kolonialmacht. Der französische Präsident Emmanuel Macron mahnte, die verfassungsmäßige Ordnung müsse respektiert werden. Die berechtigten Anliegen junger Menschen sollten nicht von militärischen Gruppen vereinnahmt werden.

Madagaskar ist mit rund 30 Millionen Einwohnern eines der ärmsten Länder der Welt. Drei Viertel der Bevölkerung leben in Armut und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist seit der Unabhängigkeit 1960 deutlich gesunken.