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Mieter haben sich in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich gegen hohe Mietforderungen der Heimstaden-Immobiliengruppe gewehrt. Ein gemeinsamer Streitpunkt: „umfassende Modernisierung“.
Der skandinavische Immobilienkonzern Heimstaden mit Sitz im schwedischen Malmö ist seit 2018 in Deutschland aktiv. Das Unternehmen verfügt über mehr als 20.000 Wohnungen in Berlin. Wiebke und Simon wohnen zusammen. Das Paar verdient gut und ist ein zahlungskräftiger Mieter. Dennoch hatten sie 120 Anfragen verschickt, bevor sie das Angebot für die Wohnung in Berlin-Neukölln erhielten: drei Zimmer für 21 Euro pro Quadratmeter, kalt. Die beiden wagten den Schritt, obwohl ihnen die Miete viel zu hoch vorkam.
„Laut Mietspiegel dürften wir in diesem Bereich bei rund neun Euro netto liegen“, sagt Wiebke. Im Mietvertrag begründete der Immobilienkonzern Heimstaden die Höhe mit einer „Neuvermietung nach umfassender Modernisierung“ – und erklärte, dass der Mietendeckel in solchen Fällen nicht gelte. Erst als der Umzugsstress nachgelassen hatte, ließ das Paar von einem Anwalt prüfen, ob die Wohnung wirklich „umfassend modernisiert“ sei.
Ihr Anwalt war der Ansicht, dass eine Reihe von Kriterien für eine umfassende Modernisierung nicht erfüllt seien. Wiebke und Simon, deren Namen zu ihrem Schutz geändert wurden, zogen vor Gericht. Heimstaden gab nach. Statt 1.400 Euro Grundmiete zahlen sie nun rund 700 Euro im Monat.
Was bedeutet „umfassende Modernisierung“?
Für eine „umfassende Modernisierung“ gibt es klare Vorgaben zu Investitionskosten und Wohnungsausstattung. Sie wurden vom Bundesgerichtshof im Jahr 2020 festgestellt. Die Kosten für die Modernisierung müssen mindestens ein Drittel der Kosten für einen vergleichbaren Neubau betragen. Darüber hinaus muss die Wohnung in mehreren qualitativen Kriterien einem Neubau ähneln – in Bezug auf Heizung, Fenster, Elektrik, Sanitärausstattung, Bodenbeläge, Isolierung.
In mehreren umstrittenen Fällen wurde Heimstaden die Ehre zuteil rbb-Auskunft auch von Juristen mit dem Hinweis: Auf den Ausnahmetatbestand der „umfassenden Modernisierung“ könne sich das Unternehmen nicht berufen. Weder wurden in den evaluierten Fällen die Kosten erreicht, noch wurden die qualitativen Kriterien erfüllt.
Heimstaden weist Vorwürfe zurück
Zum Vorwurf, Heimstaden verstoße in vielen Fällen gegen die Vorgaben des Mietendeckels bei Neuvermietungen, sagte Sprecher Michael Lippitsch schriftlich: „Heimstaden hält sich an alle einschlägigen Gesetze und respektiert die Regeln des sogenannten Mietendeckels.“ Zudem gehe es bei der Inanspruchnahme der Ausnahme vom Mietendeckel nicht nur um die „Höhe der Investition pro Quadratmeter“, sagte Lippitsch in seiner Antwort rbb.
„Auch die Höhe der Neubaukosten schwankt stark“ und es gelte, „das qualitative Kriterium, also den Zustand, den eine modernisierte Wohnung erreicht, zu berücksichtigen.“ Dabei wird auch der Rat externer Fachanwälte eingeholt.
In Berlin ist Heimstaden nach Vonovia der zweitgrößte private Wohnungseigentümer, nachdem das Unternehmen 2021 das Portfolio des schwedischen Immobilienkonzerns Akelius übernommen hatte. Kosten: neun Milliarden Euro.
Bei Einwänden gibt das Unternehmen nach
Viele Heimstaden-Mieter bezweifelten in den letzten Jahren, ob der Konzern bei der Anmietung neuer Immobilien die relevanten Kriterien für eine umfassende Modernisierung einhielt und wandten sich deshalb an das Verbraucherportal Conny.de. Die Mietrechtsexperten haben für rbb24-Recherche Alle ihre Berlin-Heimstaden-Fälle von 2020 bis Mitte Oktober 2025 wurden ausgewertet. Es waren rund 2.000.
„In fast allen Fällen geht es um das Thema Modernisierung“, sagt Geschäftsführer Daniel Halmer. „Heimstaden argumentiert oft mit der sogenannten umfassenden Modernisierung, die eine Mietpreisbindung ausschließen würde. Damit kommen sie fast nie durch.“ In den meisten Fällen gelang es Conny, Mietminderungen von 300 bis 400 Euro durchzusetzen.
„Umfassende Modernisierungen werden regelmäßig versucht und so gut wie nie durchgeführt“, berichtet Rechtsanwalt Max Althoff. Damit meint er nicht nur Heimstaden, sondern auch viele andere Vermieter. Althoff war Experte im Bundestag zum Thema Mietpreisbremse. Er ist mit den Gepflogenheiten von Immobilienunternehmen vertraut und vertritt häufig Mieter. Die Fälle seien oft ähnlich, sagt Althoff: „Wir haben viele Fälle, in denen über diese umfassende Modernisierung bewusst die Unwahrheit erzählt wird.“
Der Mieterschutz Sich nicht daran zu halten, lohnt sich für Vermieter
rbb24-Recherche Es gibt Informationen, dass Heimstaden Hunderten von Gerichtsverfahren nachgegeben und die Miete gesenkt hat. Dennoch scheint das Unternehmen weiterhin überhöhte Mieten zu verlangen. rbb24-Recherche hat im Oktober aktuelle Wohnungsanzeigen von Heimstaden in Berlin ausgewertet. In 111 von 120 Anzeigen liegen die Mieten über den Mietpreisgrenzen. In den Anzeigen steht oft, dass es sich um den Erstbezug nach der Modernisierung handelt.
Die Frage, ob Heimstaden sich in diesen Fällen auch auf die Ausnahme vom Mietendeckel beruft, ließ der Pressesprecher unbeantwortet. Warum riskieren Vermieter immer wieder gerichtliche Auseinandersetzungen über die Frage der Miethöhe? „Die Antwort kann nur lauten: Weil es sich lohnt“, sagt Rechtsanwalt Max Althoff.
„Weil man Gewinne macht, indem man sich nicht an das Gesetz hält.“ Denn nur ein kleiner Teil der Mieter geht dagegen vor, der Rest zahlt mehrheitlich. Heimstaden betont in seiner Antwort auf die rbb: „Heimstaden hält sich an alle relevanten Gesetze und respektiert die Regeln der sogenannten Mietpreisbremse.“
Auch der Nachmieter profitiert
Wiebke und Simon sind froh, dass sie sich gewehrt haben. Bei ihnen hat die Mietpreisbremse funktioniert. Aber nur, weil sie sich mit zwei Einkünften die teure Miete leisten konnten und dann den Mut hatten, Heimstaden zu verklagen. „Menschen mit geringerem Einkommen haben nicht einmal die Möglichkeit, in diese Wohnung zu kommen“, sagt Wiebke. „Daher haben sie nicht einmal die Möglichkeit, sich einem solchen Verfahren zu unterziehen.“
Von ihrem Erfolg vor Gericht profitieren auch die Mieter, die nach ihnen in die Wohnung einziehen. Die Miete darf dann nicht wieder auf 21 Euro pro Quadratmeter erhöht werden, sondern nur im Rahmen des Mietendeckels.
