Diese beiden Giganten sind sich einig, überraschenderweise einig. Auch darin, wie die AfD, die in Deutschland und Brandenburg auf dem Vormarsch ist, gestoppt werden könnte. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprachen sich am Dienstag unisono dafür aus, drängende Probleme schnell und gemeinsam zu lösen und Zustimmungsprozesse zu beschleunigen, um verloren gegangenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Anlass war Merz‘ Antrittsbesuch in Potsdam, sein erster in einem ostdeutschen Bundesland, nachdem er zuvor in Bremen, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen gewesen war.
„Wir müssen zeigen, dass der Staat funktioniert. Dass wir in der Lage sind, die Probleme zu lösen“, sagte Merz bei einem Auftritt mit Woidke in der Potsdamer Staatskanzlei. Es waren Sätze, die vom brandenburgischen Regierungschef stammen könnten. „Wir brauchen Mut, um gute Entscheidungen zu treffen“, sagte Woidke. Das ist es, was die Leute erwarten.
Zuvor hatte sich die Kanzlerin gemeinsam mit dem Landeskabinett aus SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) getroffen. Dass hier der BSW mitregiert, der seine bisherige Unterstützung für die Ukraine aufgeben will, eine Neuauszählung der Bundestagswahl fordert und die CDU/SPD-Koalition im Bund stürzen will, war kein Thema.
Demokratie braucht Zeit. Demokratie ist Kompromiss.
Kanzler Friedrich Merz (CDU)
Als Beispiele für notwendige Problemlösungen nannte Merz die Infrastruktur, die Sicherung der Rentensysteme und die Begrenzung der Migration sowie die für Brandenburg wichtige PCK-Raffinerie in Schwedt. Die Situation dort sei „derzeit geklärt“, sagte Merz. Die Bundesregierung behält die PCK jedoch weiterhin im Auge.
Angesichts der schlechten Stimmung in der Bevölkerung wies Merz darauf hin, dass der Rechtspopulismus in vielen Teilen der Welt Probleme bereite; er erwähnte auch Polen und Frankreich. „Wir sind keine Ausnahme.“ Eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der Demokratie und ihren Mechanismen zur Bewältigung von Herausforderungen hat sich breit gemacht. Demokratische Politik muss stärker gefördert werden. „Demokratie braucht Zeit, Demokratie ist Kompromiss“, sagte Merz. Das sei etwas, „das die Menschen vielleicht nicht mehr so sehr akzeptieren wie in den vergangenen Jahren.“
Merz vertritt in Sachen Migration einen härteren Kurs
Auf die konkrete Frage, ob sich der Schutzwall gegen die AfD derzeit auch in seiner Partei auflöse, bekräftigte Merz seinen Anspruch gegenüber CDU und CSU: „Wir sind der Schutzwall.“ Woidke wollte es so nicht stehen lassen und ergänzte: „In Brandenburg sind wir das.“ Die Trends zeigen, wie relativ und volatil dies geworden ist. Bundesweit liegt die AfD, die vor der Landtagswahl im vergangenen Jahr weitgehend als Ostphänomen galt, inzwischen auf Augenhöhe mit der CDU/CSU. In Brandenburg hatte die rechtsextreme Partei – Ausnahmen waren Woidkes Sieg bei der Landtagswahl 2024 und der Oberbürgermeisterwahl am vergangenen Wochenende – die Kommunal-, Europa- und zuletzt die Bundestagswahl in Folge gewonnen.
Allen Umfragen der letzten Jahre zufolge steht die AfD kurz davor, stärkste Kraft im Land zu werden. Zugleich machte Merz deutlich, dass er in anderen politischen Fragen einen härteren Kurs einschlage – etwa in der Migrationspolitik. Wir seien in dieser Frage schon „sehr weit“, sagte die Kanzlerin. Die Zahl der Asylanträge ist rückläufig – im August 2025 gab es rund 60 Prozent weniger Anträge als im Vorjahresmonat. „Aber wir sehen das Problem natürlich weiterhin im Stadtbild“, sagte Merz. Deshalb arbeitet der Bundesinnenminister derzeit daran, Rückführungen in großem Umfang zu ermöglichen.
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Damit griff Merz eine Formulierung auf, die CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bereits vor einigen Wochen in einem Interview mit dem „Merkur“ verwendet hatte. „Das Stadtbild muss sich noch einmal ändern. Es braucht einfach mehr Rückführungen“, sagte Söder. Weder er noch Merz konkretisierten, was genau mit diesem „Stadtbild“ gemeint ist – und welche Menschen darin offenbar stören sollen. Vize-CSU-Chef Manfred Weber, der auch Vorsitzender der Europäischen Volkspartei ist, versuchte später in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, Söders Aussage zu relativieren: „Bayern und Deutschland werden vielfältiger, unsere Städte werden ein Stück weit ihr Gesicht verändern“, sagte Weber. Es sei daher „unsere Aufgabe, den Menschen zu erklären, dass Deutschland Einwanderung braucht.“

© REUTERS/Christian Mang
Es war offensichtlich, dass Merz und Woidke gut miteinander auskamen. Die Kanzlerin und der Ministerpräsident, der Sauerländer und der Brandenburger, der schwarze und der rote Konservative. Beide sind auf Augenhöhe – Woidke, 1,95 Meter, Merz, 1,96 Meter. Vor ein paar Wochen traf sich Merz, wie er am Rande erwähnte, mit Woidke im Kanzleramt. Bei diesem Vier-Augen-Gespräch sollen beide eine Verbindung gefunden haben.
Das Protokollprogramm in Potsdam für Merz war eng, sogar sehr eng. Das Kabinett tagte nur knapp eine Stunde, mit kurzen Vorträgen von BSW-Ministerin Britta Müller zum Stand der Krankenhausreform. Vom eigentlichen Brandenburg sah die Kanzlerin, die am Vortag beim historischen Gaza-Gipfel in Ägypten war, eigentlich nichts. Er besuchte die Kindertagesstätte Fröbel in Babelsberg und das Hasso-Plattner-Institut, bevor sein Besuch nach einer Bootsfahrt im blau-weißen Konferenzboot der Wasserschutzpolizei über Berlin-Brandenburgische Gewässer an der symbolträchtigen Glienicker Brücke endete.
Hier wurde Merz bei seinem Auftritt vor Journalisten auch zum BSW befragt, der Brandenburg mitregiert, Russlands Botschafter im Landtag feiert und gegen den Bau des neuen Raketenabwehrsystems im brandenburgischen Holzdorf mobilisiert. Dann wurde die Kanzlerin grundsätzlich, ohne den BSW zu erwähnen: „Wir wollen uns wehren können, damit wir uns nicht wehren müssen“, sagte Merz.
„Das Urteil bleibt bestehen. Wir müssen uns bundesweit verteidigen können. Wenn niemand mehr etwas unternimmt, ist niemand mehr in der Lage, Sicherheit zu gewährleisten“, sagte die Kanzlerin. Russische Angriffe sind offenbar möglich. „Gerade um das zu verhindern, müssen solche Standorte entwickelt werden. Holzdorf ist ein kleiner Stein im großen Ganzen.“
Merz engagiert sich auf der ILA in Schönefeld
© REUTERS/Britta Pedersen
Bei dem Auftritt sprach Merz auch über die Zukunft der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse (ILA) und verwies überraschend klar darauf, dass die ILA weiterhin am Standort BER in der Hauptstadtregion bestehen bleiben werde.
„Wir beide wollen, dass die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung am BER weitergeführt und ausgebaut wird“, sagte Merz. Sie ist eine wichtige Industriemesse für Deutschland, die wichtigste für Brandenburg. „Und deshalb werde ich alles dafür tun, dass es diese Messe auch weiterhin gibt.“ Woidke dankte den Menschen für ihr „Engagement für Brandenburg“, bevor die Kolonne der Kanzlerin zurück nach Berlin eilte.