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Wer bei ihm bürgernah bestellt, bekommt sie auch. Als Friedrich Merz beim traditionellen Gillamoos-Frühschoppen in Niederbayern die Bühne betrat, signalisierte sein Outfit bereits: Seht, hier kommt ein Mann aus dem Volk.
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Merz trug eine schicke hellbraune Jacke, ein legeres Kostüm ohne Kragen. Bis 2020 kam Merz etwas anders durch die Kurve, mit teuren schwarzen Schuhen und dunklen Maßanzügen. Manche sagen, es passte besser zu ihm. Tatsächlich ist Merz im Herzen ein Modernisierer und Globalisierer. Er war jahrelang Aufsichtsratschef und Lobbyist des US-Finanzkonzerns Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt.
Merkel hätte das nie gesagt, Kohl auch nicht
Es spielt keine Rolle, die Zeiten ändern sich und damit auch die Leistungen. So nun Gillamoos, eine Kirmes in Abensberg im Kreis Kelheim. Als gäbe es nichts Schöneres, hob Merz immer wieder seinen Bierkrug für Fernsehteams und Fotografen. Die Menschen vor Ort sollten ihn sympathisch finden. Nur dann, weiß Merz, können gute Bilder entstehen. Und weil ihm alles Visuelle nicht reichte, feierte er in seiner Rede auch das Einfache und Provinzielle, zeigte mit dem Finger auf das ach so ferne, fremde Berlin und sagte dann einen Satz, der noch nachklingen wird: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos.“ ist Deutschland, meine Damen und Herren.“
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Ernsthaft, fast feierlich blickte Merz in diesem Moment auf sein applaudierendes Publikum – als hätte er gerade etwas Wichtiges geschafft und endlich eine Wahrheit ausgesprochen, deren Zeit gekommen ist. Der Spruch ist haarsträubender Blödsinn: Warum sollte nicht ein Berliner Bezirk zu Deutschland gehören – ein kleines Volksfest in Niederbayern aber schon?
Mit Trommeln dieser Art hilft Merz niemandem, weder dem Land noch seiner Gewerkschaft. Hat der CDU-Vorsitzende aus den Augen verloren, dass seine eigene Partei seit April Regierender Bürgermeister von Berlin ist? Als Kai Wegners Regierungssprecherin Christine Richter auf Merz angesprochen wurde, griff sie zu diplomatischen Formeln: „Wir mögen Kreuzberg und Deutschland und das Sauerland und Gillamoos. Und ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut.“
Ein weiterer sommerlicher Fehltritt von Merz
Aber die Sache lässt sich nicht einfach weglachen. Wie jeder weiß, ist Kreuzberg von Migranten geprägt. Dennoch wäre Angela Merkel allein nie auf die Idee gekommen zu sagen, Kreuzberg gehöre nicht zu Deutschland. Selbst Helmut Kohl hätte das nie gesagt. So zu reden ist falsch. Es ist übrigens auch nicht konservativ.
Im Janker: Friedrich Merz (links) und Markus Söder trinken auf der Bühne beim politischen Frühschoppen in Gillamoos ein Bier.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
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Ein weiterer sommerlicher Fehltritt des CDU-Vorsitzenden kann sich sehen lassen. Irgendwie kann man das verstehen, Merz will dringend die AfD zerschlagen, die unglaublich gewachsen ist. Doch seine immer wieder wechselnde Ungeschicklichkeit hat den gegenteiligen Effekt.
Im Juli erweckte Merz bei einem ZDF-Interview im Sauerland den Eindruck, er wolle die kommunale Ebene generell für eine Zusammenarbeit mit der AfD freistellen. Am nächsten Tag gingen die Wellen im CDU-Präsidium hoch – dann war von „Missverständnissen“ die Rede. Tagelang mussten Mitarbeiter der Parteizentrale die Aussagen des Vorsitzenden erläutern.
Mittlerweile ist es ähnlich. Auch hier ist Merz ohne Feindeinwirkung von der Fahrbahn abgekommen und erhält nun erste Hilfe in Form von nachträglichen Deutungen und Aufklärungen. Ein Sprecher sagte am Dienstag, Merz wolle sich lediglich darauf berufen, dass „nach der amtlichen Bevölkerungsstatistik etwa sieben von zehn Bürgern in Deutschland in Dörfern und Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern leben“. Das bedeutet, dass die Lebensrealität der meisten Menschen natürlich eine andere ist als die der Stadtbewohner. Wer beispielsweise auf dem Land lebt, ist deutlich stärker auf das Auto angewiesen.
Der Kampf gegen die AfD ist anders
Aber warum redet Merz von Kreuzberg und nicht von Berlin? Seien wir ehrlich: Er wollte offensichtlich einen Bezirk ins Visier nehmen, in dem es überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Doch wenn der Bundesvorsitzende einer Deutschen Volkspartei auf diese Weise die Bierzelte in Stimmung bringt, bekämpft er die AfD nicht, sondern äfft sie nach – mit der Gefahr, dass die Menschen dann lieber für das Original stimmen. Zumal ihnen Merz stilistisch vielleicht nicht ganz real vorkommt.
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Der Kampf gegen die AfD ist anders, er ist schwieriger und komplizierter. Dazu gehört, Probleme in dröhnenden Reden mit schwappendem Bierkrug nicht nur zu beschreiben, sondern zu lösen. Hier muss die politische Mitte in Deutschland dringend etwas liefern, statt die Verantwortung nur zwischen Union und Ampel hin und her zu schieben.
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Ein Migrantenviertel Berlins: Abendstimmung auf der Admiralbrücke in Kreuzberg.
© Quelle: Annette Riedl/dpa-Zentralbild/ZB
Eigentlich müsste die CDU viel kooperativer und innovativer agieren als unter Merz. Drei Beispiele: Warum wird erstens nicht schon lange in überparteilichen demokratischen Runden eine realistische neue Asylpolitik entworfen, die tatsächlich eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bekommen könnte?
Voraussetzung wäre ein seriöser neuer Pitch. Selbst eine klug geführte Debatte über eine bessere Kriminalitätsbekämpfung könnte am Ende zu überraschend konservativen Lösungen führen. Gerade die moderne Gesellschaft würde von einem neuen Ja zum alten Konzept von Recht und Ordnung profitieren, das jeder unterschreiben würde, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Religion. Drittens würde auch eine allgemeine Wehrpflicht, wie sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ins Leben gerufen hat, zu einem ungeahnten neuen Zusammenkommen beitragen.
Ohne das Streben nach Zusammenhalt wird das alles nicht gelingen. Eigentlich ist es ganz einfach: Gillamoos gehört zu Deutschland, Kreuzberg aber auch. Bisher prägte eine kooperative, integrative Grundausrichtung die Geschichte der Bundesrepublik. Wenn ein CDU-Bundesvorsitzender sich stattdessen für die Spaltung entscheidet und um schnellen Applaus willen ganze Bezirke Berlins abschreibt, schlägt er ein hässliches neues Kapitel auf. Dann wird am Ende der Zusammenhalt durch Zynismus ersetzt.
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