Mercedes will autonomes Fahren bis 95 Kilometer pro Stunde anbieten

Mercedes will autonomes Fahren bis 95 Kilometer pro Stunde anbieten

Autobahn 8, Ulm Richtung Stuttgart. Hinter den Reisenden liegt der Albabstieg. Direkt hinter einem LKW fährt auf der rechten Spur eine Mercedes S-Klasse. Der Blick des Fahrers ist auf ein Nachrichtenmagazin gerichtet, das er mit den Händen neben dem Lenkrad hält. Auf dem Bildschirm ist eine Geschwindigkeit von knapp 100 Kilometern pro Stunde zu sehen. Ein Anblick, der im nächsten Jahr Realität wird, und das nicht nur auf Baden-Württembergs Autobahnen: Der Autobauer Mercedes hofft, dass das Kraftfahrtbundesamt die „Drive Pilot“ genannte Software bis Jahresende für hochautomatisiertes Fahren bis zu einer Geschwindigkeit von 95 Kilometern pro Stunde zertifiziert.

Mercedes wäre damit das erste Unternehmen weltweit, das hochautomatisiertes Fahren auf Level drei der fünfstufigen Skala bei dieser Geschwindigkeit möglich macht. „Anders als bisher kann das System auch im fließenden Verkehr auf der deutschen Autobahn ohne Stau aktiviert werden“, sagt Technikvorstand Markus Schäfer. „Mit diesem Meilenstein unterstreicht Mercedes seine Vorreiterrolle auf dem Weg zum autonomen Fahren.“ Beim automatisierten Fahren auf Level zwei trägt der Fahrer noch die volle Verantwortung, die Systeme unterstützen ihn lediglich. Auf Level drei übernimmt das Auto die Fahraufgabe, während sich der Fahrer auf andere Dinge konzentrieren kann.

Mercedes wird dieses System zunächst in seinem Luxusmodell S-Klasse für 5950 Euro anbieten. Im elektrischen Pendant EQS ist es etwas teurer. Alle Bestandskunden, die frühere Versionen des „Drive Pilot“ nutzen, erhalten die aktuelle Version als kostenloses Update. „Für uns ist das ein Moonshot“, sagt ein Sprecher. „Einfach, weil der Schritt von Level zwei auf Level drei riesig ist – gerade bei diesen Geschwindigkeiten.“ Man könne die Zeit im Auto nun sehr effizient nutzen. Man könne Filme schauen, E-Mails bearbeiten oder auch Bücher lesen. „Das Ziel von Mercedes ist, bis Ende des Jahrzehnts automatisiertes Fahren auf Level drei bis zu einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde anzubieten“, erklärt der Sprecher.

Auch BMW und Tesla arbeiten am autonomen Fahren

Damit das System funktioniert, braucht das Auto ein vorausfahrendes Fahrzeug, mit dem sich der „Drive Pilot“ quasi verbindet; der Fahrer muss immer innerhalb von zehn Sekunden wieder die Kontrolle übernehmen können. Auf den Markt kommt das System nächstes Jahr, zunächst in Deutschland, vorausgesetzt, die Zulassung verläuft wie von Mercedes erwartet.

Auch der Autobauer BMW bietet ein Fahrsystem der Stufe drei an, das allerdings nur für Geschwindigkeiten bis 60 Kilometer pro Stunde zugelassen ist – und bislang auch nur auf freigegebenen Strecken des Autobahnnetzes. Allerdings haben die Bayern angekündigt, die Autos ihrer „Neuen Klasse“ auf hochautomatisiertes Fahren auf Stufe drei vorzubereiten. Das erste Modell dieser Baureihe kommt Ende 2025 auf den Markt. Entwicklungschef Frank Weber hatte jüngst gesagt, die „Neue Klasse“ werde über Funktionen der Stufe drei „bei erhöhter Geschwindigkeit“ verfügen. Der neue BMW 5er ist das erste Fahrzeug, das für teilautomatisiertes Fahren auf Stufe zwei bis zu einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn zugelassen ist. Der Fahrer kann dabei die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber weiterhin seine ganze Aufmerksamkeit auf den Verkehr richten.

Auch Tesla sieht im autonomen Fahren ein wichtiges Zukunftsgeschäft. Aktuell hat das Unternehmen zwei Fahrerassistenzsysteme auf dem Markt: die serienmäßig in allen Neuwagen verbaute Funktion „Autopilot“ und das aufwändigere und kostenpflichtige „Full Self-Driving“-System. Tesla wurde oft dafür kritisiert, dass die Namen dieser Technologien irreführend seien, denn sie ermöglichen kein vollautonomes Fahren. Sie fallen unter Level zwei auf der fünfstufigen Autonomieskala. Auch das „Autopilot“-System wurde in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Unfällen in Verbindung gebracht und war deshalb Gegenstand von Untersuchungen amerikanischer Verkehrssicherheitsbehörden. CEO Elon Musk verteidigte die Technologie allerdings mit der Begründung, sie mache den Verkehr sicherer.

Über Fahrerassistenzsysteme hinaus hat er auch Pläne für Robotertaxis. 2019 kündigte er an, dass Tesla im kommenden Jahr eine Million solcher Fahrzeuge auf der Straße haben werde. Noch ist das Zukunftsmusik. Doch nun plant Tesla für den 10. Oktober ein Event, bei dem ein Robotertaxi enthüllt werden soll. Die Branche wartet gespannt darauf. Musk sagte kürzlich, dass allein die autonomen Fahraktivitäten eines Tages zwischen fünf und zehn Billionen Dollar zu Teslas Börsenwert beitragen könnten.

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