

AUDIO: NDR Kultur-Literaturredakteur Joachim Dicks über László Krasznahorkai (6 Min.)
Stand: 9. Oktober 2025 14:13 Uhr
László Krasznahorkai erhält den Nobelpreis für Literatur 2025. Das gab die Schwedische Akademie in Stockholm am Donnerstag bekannt. Der 71-Jährige ist nach Imre Kertesz erst der zweite Ungar, dem diese Ehre zuteil wird.
Die Schwedische Akademie lobte Krasznahorkais „fesselndes und visionäres Werk, das die Kraft der Kunst inmitten apokalyptischer Schrecken bekräftigt“. Seine Bücher sind für ihren düsteren, oft apokalyptischen Stil und ihre komplexe Sprache bekannt. Susan Sontag bezeichnete den Autor daher als „Meister der Apokalypse“.
Die Schwedische Akademie lobte ihn für seine „außergewöhnliche sprachliche Vitalität“, für seinen „kraftvollen, musikalisch inspirierten epischen Stil“ und die „große lyrische Schönheit“ seiner Werke. In seinen Texten untersucht Krasznahorkai, wie demokratische Gesellschaften durch die Gefahr von Populismus und Gewalt bedroht sind. Im Zentrum von „Melancholie des Widerstands“ steht beispielsweise ein seltsamer Wanderzirkus – er zeigt, wie Menschen unter dem Vorwand, sich gegen Gefahren von außen zu wehren, ihre eigene Freiheit aufgeben.
Zwischen Nazis und Bewohnern – ein Roman spielt auch in Deutschland
Krasznahorkai hat Thüringen vor einigen Jahren auf die literarische Weltkarte gebracht: In seinem Buch „Herscht 07769“ versucht ein junger Mann, zwischen Nazis und Bewohnern einer Kleinstadt in der thüringischen Provinz zu vermitteln. Ein Buch, das aktueller kaum sein könnte, aber einfach zu lesen ist es nicht, es besteht nur aus einem einzigen Satz.
Der Schriftsteller und Drehbuchautor wurde am 5. Januar 1954 in Gyula als Sohn eines Anwalts geboren. Er studierte zunächst Rechtswissenschaften in Szeged, später Ungaristik und Philosophie in Budapest. Mittlerweile lebt er die meiste Zeit des Jahres in Wien und Triest. Sein 1985 erschienener Debütroman „Satanstango“ und viele andere Werke wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet und einige wurden von Bela Tarr verfilmt.
Frühphase mit apokalyptischen, düsteren und grüblerischen Romanen
Seine Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Der Ungar hatte bereits 2015 den renommierten Booker International Prize erhalten. In seiner frühen Schaffensphase in den 1980er Jahren schrieb er apokalyptische, düstere, grüblerische Romane, die in Kleinstädten spielten und kleine Leute schilderten. „Satantango“ zum Beispiel ist eine düster-komische Geschichte über eine verlassene ungarische Stadt, deren betrunkene Bewohner im Bann eines Besuchers stehen, bei dem es sich möglicherweise um den Teufel handelt.
In seiner späten Schaffensphase beschäftigte er sich viel mit Sehnsüchten. So zum Beispiel in dem 2010 auf Deutsch erschienenen Buch „Seiobo on Earth“, in dem er beschreibt, wie es in jeder Epoche und in jeder Kultur perfekte Dinge gab und gibt: den regungslos im Fluss stehenden Reiher, die Grimasse einer No-Maske, die Zerbrechlichkeit einer Buddha-Statue.
Preisverleihung am 10. Dezember
Die Preisverleihung erfolgt am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Die Auszeichnungen sind derzeit mit elf Millionen schwedischen Kronen dotiert, was etwa einer Million Euro entspricht.
Seit 1901 wurden Literaturnobelpreise 118 Mal an insgesamt 122 Preisträger verliehen. Erster Preisträger war 1901 die französische Dichterin und Essayistin Sully Prudhomme (1837–1907). Deutschsprachige Autoren wurden bisher 13 Mal geehrt, darunter Thomas Mann (1929), Heinrich Böll (1972), Günter Grass (1999), Herta Müller (2009) und zuletzt Peter Handke (2019).