Ein mysteriöses seismisches Signal hielt Experten neun Tage lang in Atem. Auslöser war der Klimawandel.
Grönland – Im September 2023 stießen Wissenschaftler weltweit auf ein mysteriöses seismisches Signal, das neun Tage anhielt und auf Sensoren in aller Welt sichtbar war. „Wir waren fassungslos – das Signal war anders als alle zuvor aufgezeichneten. Statt des für Erdbeben typischen hochfrequenten Rumpelns war es ein monotones Summen, das nur eine einzige Schwingungsfrequenz enthielt“, berichten die Geologen Kristian Svennevig und Stephen Hicks.
Die beiden Forscher sind Teil eines großen internationalen Teams, das das mysteriöse Phänomen untersucht und nun eine Studie darüber in der Zeitschrift veröffentlicht hat Wissenschaft „Als wir uns auf dieses wissenschaftliche Abenteuer begaben, waren alle verwirrt und niemand hatte die geringste Ahnung, was dieses Signal verursacht hatte“, sagte Svennevig, der Leiter der Studie. „Nur durch eine große interdisziplinäre und internationale Anstrengung ist es uns gelungen, dieses Rätsel zu lösen.“
Überraschende Erklärung für seltsame Schwingungen der Erde
Die Ergebnisse dieser Studie bieten eine überraschende Erklärung. Das Forscherteam konnte das seismische Signal auf einen gewaltigen Erdrutsch im abgelegenen Dickson-Fjord in Grönland zurückführen. Über 25 Millionen Kubikmeter Felsgestein und Eis waren in den Fjord gestürzt – genug Masse, um 10.000 olympische Schwimmbecken zu füllen.
Dieser gewaltige Erdrutsch löste einen Mega-Tsunami aus, dessen Welle eine Höhe von 200 Metern erreichte. Zum Vergleich: Die Welle des südostasiatischen Tsunamis von 2004 war etwa 30 Meter hoch, und die Welle, die 2011 das japanische Atomkraftwerk in Fukushima traf, war 14 Meter hoch.
Megatsunami in der Nähe von Grönland verursachte eine neun Tage andauernde „erschütternde Welle“
Doch das war noch nicht alles: Der Megatsunami erzeugte eine sogenannte „Schaukelwelle“ – eine Welle, die im Laufe von neun Tagen etwa 10.000 Mal im Fjord hin und her schaukelte. Dies erklärte das seltsame seismische Signal und die Vibration der Erde über neun Tage.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Ursache des Erdrutschs der Klimawandel ist. „Abgesehen vom Wahnsinn dieses wissenschaftlichen Wunders unterstreicht dieses Ereignis eine tiefere und beunruhigendere Wahrheit“, betonen Svennevig und Hicks in einem Gastbeitrag auf dem Portal Das Gespräch. „Der Klimawandel verändert unseren Planeten und unsere wissenschaftlichen Methoden auf eine Weise, die wir gerade erst zu verstehen beginnen.“
Klimawandel verursacht Erdbeben mit globalen Auswirkungen
Noch vor einem Jahr hätten Wissenschaftler die Vorstellung, dass eine Erdbebenwelle neun Tage andauern würde, als „absurd“ abgetan. „Und doch werden diese bislang undenkbaren Ereignisse zu unserer Realität“, sagen die beiden Geologen. Die Forscher sind sich sicher, dass der Klimawandel erstmals ein seismisches Ereignis mit globalen Auswirkungen verursacht hat. „Der Erdrutsch in Grönland versetzte die Erde in Schwingungen, die den Planeten erschütterten und seismische Wellen erzeugten, die sich innerhalb einer Stunde nach dem Ereignis rund um den Globus ausbreiteten. Kein Teil des Bodens unter unseren Füßen war gegen diese Erschütterungen immun“, schreiben Svennevig und Hicks.
Sie vermuten, dass dies „nicht der letzte Erdrutsch-Megasunami“ war, da der Klimawandel den Permafrost weiter erwärmt und die Gletscher dünner werden lässt. Die Forscher warnen: „Während wir das Klima unseres Planeten weiter verändern, müssen wir auf unerwartete Phänomene vorbereitet sein, die unser bisheriges Verständnis in Frage stellen und neue Denkweisen erfordern. Der Boden unter uns bebt, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn.“ (Tab)