Meinung
Der „Skandal“ um Werders Dešić ist beschämend
Werder Bremens Medina Dešić gerät wegen des Hochhaltens eines Plakats ins Kreuzfeuer und wird sexistisch beleidigt. Der Fall zeigt, was im deutschen Fußball falsch läuft.
Der Montenegrinischer Fußballspieler Medina Dešić erhielt Hassbotschaften, fühlte sich zu einer Entschuldigung verpflichtet und nun hat der DFB nach „Mopo“-Informationen sogar ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet.
Was hat der Spieler von Werder Bremen Schlimmes getan? Nun, sie hielt ein provokantes Plakat hoch.
Das ist passiert: Die Werder-Frauen hatten am Samstag gerade das Derby gegen den Rivalen Hamburger SV mit 2:0 gewonnen. Während der grün-weißen Jubelfeier nach dem Schlusspfiff schnappte sich Dešić ein Stück Pappe aus dem Lager der heimischen Fans und hielt es hoch – gut sichtbar für die 37.000 Menschen im Weserstadion und die Fernsehkameras. Zu sehen war das HSV-Logo umgeben von einem Haufen Kot.
Natürlich ist das eine bewusste Provokation. Und es ist in Ordnung, wenn Hamburgs Gemüter deswegen so hitzig werden. Einige HSV-Fans im Stadion reagierten auf die Aktion mit Pfiffen, wer kann es ihnen verdenken? Die Reaktionen in den folgenden Stunden und Tagen waren jedoch lächerlich und völlig übertrieben.
Die Spielerin entschuldigt sich – obwohl sie es nicht muss
Verärgerte HSV-Fans warfen Dešić in den sozialen Netzwerken Respektlosigkeit vor. Und auch einige Werder-Fans kritisierten die 32-Jährige für ihr Vorgehen. Dešić erhielt offenbar nach dem Spiel so viele Kommentare und Nachrichten, dass sie eine öffentliche Entschuldigung für notwendig hielt.
„Beim Derby hielt ich in einem Moment der Euphorie das daneben liegende Fanschild hoch“, schrieb der montenegrinische Nationalspieler Instagram. „Ich wollte niemanden beleidigen oder provozieren, mir gingen einfach die Emotionen aus. Es tut mir allen leid, die sich dadurch beleidigt gefühlt haben.“
Bremens Spielerin Medina Desic sorgte nach dem Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV mit einem provokanten Zeichen für Aufsehen. Zwei Tage später entschuldigte sich der Werder-Spieler öffentlich für die Plakataktion.#skysportwomen #desic pic.twitter.com/wTB4swRc3h
— Sky Sport (@SkySportDE) 13. Oktober 2025
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Es ist nicht Dešić, die sich selbst in Frage stellen sollte, sondern die Fans, die über ihre Neckereien empört sind. Solche Sticheleien gehören zu einem Derby dazu. Und wer es nicht aushält, möchte den Samstag vielleicht mit einer Teeparty verbringen.
Worüber wir im Fall Medina Dešić eigentlich empört sein müssten
Medina Desic hat diese hasserfüllte Nachricht in ihrer Instagram-Story gepostet © Screenshot Instagram
Der eigentliche Skandal besteht darin, dass der Spieler daraufhin in den sozialen Netzwerken heftig angegriffen und sexistisch beleidigt wurde. Dešić reagierte richtig und postete eine der Hassnachrichten, die sie erhalten hatte, in ihrer Instagram-Story. „Freue mich auf das Rückspiel, du Nu--e“, heißt es.
Eine Spielerin wird – zensiert, aber eindeutig – als „Nutte“ beschimpft und der DFB ermittelt wegen eines Stücks Pappe gegen sie. Man könnte kaum ein besseres Beispiel finden, um zu beschreiben, was im deutschen Fußball falsch läuft.
Im Männerfußball will man „echte Kerle“ und Spannungen. Als Marvin Ducksch, damals noch Werder-Spieler, nach dem 3:2-Auswärtssieg im letzten Nordderby gegen den Hamburger SV die Eckfahne mit der HSV-Fahne aus dem Boden riss und damit jubelte, wurde er von den Bremer Fans gefeiert. Es gab danach keinen Skandal mehr.
Marvin Ducksch (l.) feiert am 27. Februar 2022 mit der HSV-Eckfahne den Derbysieg im Hamburger Volksparkstadion. Danach gab es keinen Aufschrei mehr © nordphoto GmbH / Witke / Imago Images
Von Dešić hingegen wird erwartet, dass er zufrieden ist, ohne die Rivalität zwischen den Nordklubs auszuleben. Anstatt einen Spieler wegen eines Pappplakats zu verurteilen, wäre es an der Zeit, ernsthaft zu hinterfragen, wie im Fußball mit Hass und Doppelmoral umgegangen wird.
Transparenzhinweis: Der Autor dieses Textes ist Werder-Fan, wäre aber auch empört, wenn es um einen HSV-Spieler ginge.