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Maybrit Illner: Grünen-Chef Brantner wirft der Regierung mangelnden Reformeifer vor

Maybrit Illner: Grünen-Chef Brantner wirft der Regierung mangelnden Reformeifer vor

TV-Rezension
Maybrit Illner

Aktualisiert am 10. Oktober 2025, 6:29 Uhr

Bürgergelder sollen zur Grundsicherung werden und Zahlungsverweigerern ein Leistungsstopp angedroht werden. Maybrit Illner besprach am Donnerstagabend die jüngste Vereinbarung der Regierung. Die Gruppe war sich einig, dass es sich dabei lediglich um symbolische Politik handelte. Vor allem Franziska Brantner ärgerte sich darüber, dass die Union das Geld, das sie zuletzt noch nicht für die Ampel zahlen wollte, nun für diese Symbolpolitik verschwendet.

Diese TV-Rezension spiegelt Christian Vocks persönliche Sicht auf die Sendung wider. Es basiert auf Ihren eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Erfahren Sie, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema von „Maybrit Illner“

15 Minuten später als üblich gestartet Maybrit Illner ihre Diskussionsgruppe am Donnerstagabend. Angesichts des aktuellen Nahost-Friedensplans wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn an diesem Abend der Gaza-Krieg Thema gewesen wäre, doch die „maybrit illner“-Redaktion entschied sich für ein nur unwesentlich weniger aktuelles Thema: „Schwarz-Rotes Abkommen – Reformherbst?“ fragte der Moderator nach der gerade zu Ende gegangenen Koalitionsausschusssitzung.

Das waren die Gäste

  • Carsten Linnemann (CDU). Linnemann ist CDU-Generalsekretär und freut sich über die Einigung zur Reform des Bürgergeldes. „Der Druck war groß“, sagte Linnemann, denn sie mussten liefern. Vor allem sein Abschlussgespräch mit Bärbel Bas von der SPD sei „wirklich relevant“ gewesen. Schlechtes Reden über die aktive Rente sei „typisch deutsch“. „Probieren wir es mal zwei Jahre lang aus“, forderte Linnemann, dann bekommen wir vielleicht ein neues Mindset, nämlich, „dass Arbeiten im Alter toll sein kann.“ Linnemann stellte fest, dass das Fenster für Reformen derzeit offener sei als je zuvor.
  • Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen). Der Parteichef warf der Regierung mangelnden Reformeifer vor und sagte: „Sie feiern sich dafür, dass Sie nicht mit Nichts Schluss gemacht haben.“ Die Grünen seien, anders als die damalige CDU, bereit, große Reformen im Renten-, Gesundheits- oder Staatsbereich zu unterstützen, „aber es wird nicht genutzt, das macht mich wütend“, sagte Brantner. Derzeit verteuert die Regierung die Rente lediglich, etwa durch Schenkungen an Markus Söder wie die Mütterrente.
  • Jens Südekum. Der Ökonom ist persönlicher Beauftragter des Bundesfinanzministers für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und geht davon aus, dass der große Stimmungsumschwung im Jahr 2026 mit dem Konjunkturaufschwung kommen wird. Laut Südekum war die Reform der Bürgerrente eher eine Symbolpolitik, da die Sanktionen nur 0,6 Prozent der Leistungsempfänger treffen. Die Reformen, die wirklich Geld gespart haben, müssen noch kommen. „In den Haushalten 2027, 28, 29 müssen riesige Summen aufgebracht werden.“
  • Giovanni di Lorenzo. Der Chefredakteur der „Zeit“ fand es gut, dass sich Union und SPD überhaupt auf etwas geeinigt hätten. In der Bevölkerung herrscht ein Ungerechtigkeitsgefühl wegen Menschen, die das Sozialsystem ausbeuten oder wegen Managern, die versagt haben und trotzdem riesige Bonuszahlungen erhalten haben. Jetzt müssten echte Reformen umgesetzt werden, sagte di Lorenzo, denn „wenn wir es bei symbolischen Aktionen belassen, wird das sicherlich nicht ausreichen.“ Die Menschen würden keine „Knabbereien“ und gleichzeitig Reformen haben wollen, die alle betreffen.
  • Kerstin Münstermann. Münstermann ist Leiter der Parlamentsredaktion der „Rheinischen Post“. Sie sagte, sie habe Zweifel, ob sich die beiden Parteien wirklich einigen könnten. Deshalb sagte Münstermann: „Der Herbst der Reformen (…) ist mittlerweile zumindest ein Herbst des Zusammenhaltens geworden.“

Der Schlagabtausch des Abends

Franziska Brantner stellte fest, dass die Angriffe der Union auf die Ampelregierung insbesondere nach den gebrochenen Wahlversprechen ihre Spuren hinterlassen hätten Friedrich MerzWer kann jetzt das Geld ausgeben, das er vor der Wahl an der Ampel nicht geben wollte? Gleichzeitig zeigte sich Brantner glaubwürdig in ihrem Wunsch, dass das Richtige getan wird und dass die Grünen bereit sind, mitzumachen.

Brantners innere Zerrissenheit klang dann so: „Als Bürger wünsche ich mir eigentlich nichts sehnlicher, als dass wir diese Reformen endlich durchziehen und dass es fair zugeht. Dass man sieht, dass wir alle mehr tun müssen, aber alle also dass es wirklich die Möglichkeit hat, diese Reform jetzt anzugehen und dann wird das Geld für Unsinn weggeworfen.“

Nun muss man nicht die gleiche Politik machen wollen wie die Grünen, schon gar nicht als Generalsekretär der CDU. Zu diesem Zeitpunkt hätte man zumindest den Mut haben können, Brantners Geste zumindest anzuerkennen. Doch Carsten Linnemann entschied sich dafür, statt einem Dankeswort viele belehrende Worte zu sagen: „Das Bürgergeld. Das haben Sie initiiert. (…) Frau Brantner, seien Sie einfach ehrlich und sagen Sie, dass Sie einen Fehler gemacht haben.“ Brantner musste Linnemann zunächst darauf hinweisen, dass die Union einst Bürgergelder genehmigt habe, Linnemann erhielt jedoch keinen Hinweis darauf, dass seine Antwort nichts mit Brantners Vorwurf zu tun hatte.

Die Offenbarung des Abends

Kerstin Münstermann kritisierte, was auch am Tisch herrschte, nämlich dass der gerade ausgehandelte Konsens noch lange nicht am Ende sei. „Es braucht ein großes Reformpaket“, sagte selbst Carsten Linnemann und setzte sich und seine Koalition unter Druck, dieses Paket umzusetzen. Trotz Linnemanns Worten und seinem glaubhaft demonstrierten Reformwillen kann man bezweifeln, ob das passieren wird, wenn man über Münstermanns Worte nachdenkt.

Der Journalist sagte: „All diese Diskussionen, die wir vor Jahren geführt haben, sind zurück. Warum? Weil es nie gelöst wurde.“ Laut Münstermann werde es immer darum gehen, den Menschen zu verkaufen: „Für Sie wird alles teurer und Sie bekommen höchstens den Status quo, aber besser wird es nicht. Das ist eine sehr schwierige Botschaft, die man einer Kanzlerin verkaufen kann.“

Der Erkenntnisgewinn

Die Erkenntnis der Gruppe, dass große Reformen bei Rente, Pflege oder Gesundheit nötig sind, ist nicht gerade überraschend, wie es bereits vor der Diskussion bei „Maybrit Illner“ allen klar gewesen sein dürfte. Zumindest wenn Sie sich mit dem demografischen Wandel auseinandergesetzt haben. Daher war die Frage, ob die aktuelle Regierung den Mut dazu haben wird, eigentlich die interessantere – aber auch eine rein theoretische.


Redaktionelle Empfehlungen


Zumindest lieferte der Abend zumindest einige Hinweise auf das Ausmaß der Reformbereitschaft der Merz-Regierung. Carsten Linnemann konnte an diesem Donnerstagabend seinen eigenen Willen glaubhaft demonstrieren, weshalb man sich umso mehr fragen kann, warum die Koalition dann so viel Wert auf die Streichung von Bürgergeldern und die neu eingeführten, deutlich härteren Sanktionen gelegt hat. Schließlich sind die finanziellen Einsparungen lächerlich gering, sodass die Vereinbarung rein symbolischen Charakter hat.

Eigentlich sollte man damit rechnen, dass die großen Probleme zuerst gelöst werden, gerade weil sie wehtun werden. Am Ende der Legislaturperiode, also kurz vor der nächsten Wahl, wird sich niemand mehr daran wagen.

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