Die ukrainische Armee setzte in der Nacht zum Samstag (1. November) ihre Angriffe auf Ziele tief im Inneren Russlands in der Region um die russische Hauptstadt Moskau fort. Während Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram immer wieder über einzelne angeblich abgeschossene Drohnen berichtete, meldeten die ukrainischen Streitkräfte erfolgreiche Angriffe. Im Fokus stand offenbar erneut die russische Energieinfrastruktur.
Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) gab bekannt, dass bei einem Angriff eine „wichtige russische militärische Treibstoffpipeline im Moskauer Oblast“ zerstört worden sei. Damit sei ein wichtiger Nachschubweg der russischen Armee vorerst lahmgelegt, hieß es in einer Mitteilung des Geheimdienstes.
Ukraine greift Pipeline an: „Erdbeben in der Region Moskau“
Dabei soll es sich um die „Koltsevoy-Pipeline“ handeln, eine 400 Kilometer lange Treibstoffader, die die russische Armee mit Benzin, Diesel und Kerosin aus drei angeschlossenen Raffinerien versorgt, berichtete die Zeitung „Kyiv Independent“. Nach ukrainischen Angaben wurden bei dem Angriff alle drei Treibstoffleitungen gleichzeitig zerstört.
Das HUR veröffentlichte Videomaterial zum Beweis des Angriffs. Dort ist eine gewaltige Explosion zu sehen. Die Aufnahmen können nicht unabhängig überprüft werden. Der Angriff sei ein „schwerer Schlag“ für die russische Militärlogistik, erklärte die HUR und sprach von einem „Erdbeben in der Region Moskau“.
Geheimdienstchef: „Angriffe haben mehr Wirkung als Sanktionen“
Geheimdienstchef Kyrylo Budanov zeigte sich zufrieden über den jüngsten Schlag gegen die russische Infrastruktur. „Unsere Angriffe hatten mehr Wirkung als die Sanktionen“, wurde Budanow von ukrainischen Zeitungen zitiert. „Es ist einfach eine mathematische Tatsache“, fügte der Geheimdienstchef hinzu, der in der Ukraine so etwas wie einen Kultstatus erlangt hat. „Wir haben Russland durch direkte Maßnahmen weitaus größeren Schaden zugefügt als durch jedes bisher eingesetzte Instrument der wirtschaftlichen Einflussnahme.“
Die jüngsten Angriffe sind Teil einer Reihe monatelanger ukrainischer Angriffe auf russische Gas- und Ölanlagen. Im Jahr 2025 habe die Ukraine fast 160 erfolgreiche Angriffe auf Raffinerien, Öldepots und andere Energieinfrastruktur verübt, sagte Wasyl Maljuk, Chef des Ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), am Freitag.
Wladimir Putins Energieinfrastruktur: „Legitime militärische Ziele“
„Das sind legitime militärische Ziele“, betonte er auf einer Pressekonferenz. „Die Ölförderung und -verarbeitung macht rund 90 Prozent des russischen Verteidigungsbudgets aus“, erklärte Maljuk. „Das sind die schmutzigen Petro-Rubel, mit denen der Krieg gegen uns finanziert wird.“
Unterdessen kündigte der Kommandeur der ukrainischen Drohnentruppe, Robert Brovdi, auf Facebook „Blackouts“ in Moskau und anderen russischen Städten an – und wählte dabei selbstgefällige Worte. Bereits am Freitagabend hatte es in der russischen Stadt Schukowski südöstlich von Moskau einen großflächigen Stromausfall gegeben, den die Stadtverwaltung jedoch mit einer automatischen Abschaltung des Systems begründete.
Die Ukraine verkündet „Blackouts“ in Russland – mit viel Häme
„Blackout – das ist nicht schlimm“, schrieb Brovdi am Samstag. „Es ist nur eine kleine Unannehmlichkeit – gewöhnen Sie sich daran“, heißt es in dem Facebook-Beitrag weiter. „Sie werden es tun: Streichhölzer, Taschenlampen, Kerzen“, fügte der Drohnenkommandant etwas boshaft hinzu. Russische Angriffe führen in der Ukraine immer wieder zu Stromausfällen.
Unterdessen gab es keine russische Bestätigung der von der Ukraine gemeldeten Angriffe. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete lediglich 98 außer Gefecht gesetzte ukrainische Drohnen über russischem Territorium.
Moskau bestätigt die ukrainischen Angriffe nicht
Seit Beginn des Krieges spricht Moskau allerdings immer wieder von Drohnenabschüssen. Wenn es infolge von Angriffen zu Großbränden kam, erklärt Moskau diese meist als „Trümmer“, die nach erfolgreichen Abschüssen entstanden seien – auch wenn bereits Aufnahmen kursieren, die auf erfolgreiche Drohnenangriffe hinweisen.
Auch über Nacht wurden erneut russische Angriffe auf die Ukraine gemeldet. Die ukrainische Luftwaffe zählte 223 ankommende russische Kampfdrohnen, von denen Berichten zufolge 206 neutralisiert wurden. In einer Gasaufbereitungsanlage in der ukrainischen Region Poltawa sei ein Feuer ausgebrochen, berichtete auch der Radiosender Suspilne. (mit dpa)
