Nach über 35 Jahren endet Anfang November die Ära der Boeing 757-300 bei Condor. Der Abschiedsflug startet und landet in Frankfurt, die Tickets für die Abschiedsparty erzielen Rekordpreise. Doch was macht dieses Flugzeug so besonders?
Abflug im Düsenflugzeug: Condor verabschiedet sich von der Boeing 757-300.
Bild © IMAGO / Jochen Tack
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00:39 Min|hessenschau.de
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Schaut man sich derzeit in den Planespotter-Foren um, wird schnell ein Thema deutlich: Am 5. November dieses Jahres wird eine in den Condor-Farben lackierte Boeing 757-300 zum letzten Mal von deutschem Boden starten und landen. Die Frankfurter Airline streicht den Ferienflieger nach über 35 Jahren aus ihrer Flotte und setzt künftig auf moderne und effizientere Flugzeuge. „Mit dem Abschied endet eine Ära“, sagte Condor-Geschäftsführer Christian Schmitt laut einer Mitteilung.
Was zunächst vernünftig und wie ein sehr nüchterner Bericht klingt, ist in der Welt der Luftfahrt und Flugzeugfans alles andere als das. „Für mich ist es ein Kunstwerk“, sagt ein User auf Reddit über die Boeing 757-300. Viele andere möchten dem „fliegenden Bleistift“, wie das Flugzeug wegen seiner schmalen und langen Form genannt wird, die letzte Ehre erweisen und das Flugzeug noch einmal sehen.
Abschied von Europa
An Flughäfen in den USA ist dies dank Delta und United Airlines weiterhin möglich, die das Modell derzeit nur für Inlandsflüge nutzen. Allerdings wird die 757-300 vermutlich (zumindest vorerst) komplett aus dem europäischen Luftraum verschwinden. Eine ukrainische Fluggesellschaft hat die Modelle noch im Portfolio, sie sind jedoch derzeit nicht im Einsatz. „Schade, dass sie geht. Ich würde sie gerne wiedersehen“, schreibt ein User in einem der Foren.
Und selbst Condor selbst hat offenbar Mühe, bei der offiziellen Trennungsverkündung emotional aufrecht zu bleiben. Der Abschied sei „nicht nur für Luftfahrtfans, sondern auch für viele Mitarbeiter von großer Bedeutung.“
Lang und ohne Schnickschnack
Doch was macht dieses Flugzeug eigentlich so besonders? Zunächst einmal: die Länge. Im Vergleich zum 757-Basismodell kamen noch einmal sieben zusätzliche Meter hinzu, was dem Flugzeug nicht nur eine sportliche Optik, sondern auch einfach mehr Platz verleiht. Da auf Schnickschnack wie weitläufige Business- oder First-Class-Kojen verzichtet wird, kann Condor an Bord des längsten Schmalrumpfflugzeugs der Welt, das nur 55 Mal gebaut wurde, insgesamt bis zu 275 Passagiere unterbringen (bald: finden). Die Mehrzahl der Sitzplätze ist eher eng, dafür gibt es am jeweiligen Zielort Luxus und Beinfreiheit.
Denn: Da die Kombination aus Einfachheit und Volumen vor allem in den üblichen Sommer-Sonnenscheinzielen gefragt war und ist, wurde die Boeing 757-300 bei Condor vor allem als Ferienflugzeug eingesetzt. Die Bezeichnung „Mallorca-Bomber“ bezieht sich nicht nur auf das Flugzeug, das sich in der Endphase befindet. Ins Bild passt, dass die letzten beiden regulären Flüge von Düsseldorf nach Palma (29. Oktober) und von Frankfurt nach Hurghada in Ägypten (2. November) gehen.
„Sehr effektives Arbeitstier“
„Er ist schlank und elegant, aber auch ein sehr effektives Arbeitstier“, beschreibt Luftfahrtjournalist und -experte Andreas Späth die Vorzüge des baldigen Frührentners, der bald nicht mehr fliegen wird. Das Feldpferd im Körper eines Springpferdes, um in der Sprache zu bleiben, wurde nicht umsonst von Spaeth in seinem Buch „Flugzeuglegenden“ gewürdigt. Und auch wenn Legenden niemals sterben, altern sie und werden von der nächsten Generation überholt.
Von den 20 Boeing 757-300 der Condor bleiben im Jahr 2025 sieben übrig, wie die Airline auf Anfrage mitteilte. Bald ist Schluss und die letzten Flugzeuge gehen zurück an die Leasinggesellschaft. Kabinenpersonal, bereiten Sie sich auf die Landung vor!
Condor veranstaltet über den Wolken eine Abschiedsparty
Bevor jedoch ein letztes Mal alle Tische angehoben und die Armlehnen umgeklappt werden müssen, wird die beliebte Maschine noch einmal gebührend gefeiert. Wie Condor mitteilte, soll der oben erwähnte Abschiedsflug am 5. November stattfinden. Der Abflug erfolgt um 10 Uhr in Frankfurt, die Abschiedsparty mit Bodenkontakt findet in Wien statt, bevor es auf dem Rückflug Richtung Hessen über den Wolken „die höchste Party der Welt“ gibt. Die Frage, ob der DJ Reinhard Mey bereits in seine Playlist aufgenommen hat, beantwortet sich vermutlich von selbst.
Doch nur die größten und wohlhabendsten Boeing-Fans bekommen die Chance zu testen, ob die Freiheit dort oben tatsächlich grenzenlos ist. Die insgesamt 75 verfügbaren Flugtickets wurden von Condor in einer umgekehrten Auktion zwischen dem 22. September und dem 6. Oktober zum Verkauf angeboten. Los ging es bei 1.000 Euro pro Stück, alle 30 Minuten sollte der Preis um 30 Euro sinken. Da die Ungeduld aller Interessenten laut einer Sprecherin „sehr groß“ war, kamen Schnäppchenjäger wohl nicht auf ihre Kosten.
Denn: Das Fotografieren von den bekannten Planespotter-Standorten rund um den Frankfurter Flughafen ist wie immer kostenlos möglich. Auch dort dürfte der Kampf um die besten Plätze groß sein.