Berlin. Was lange umstritten war, ist seit Freitag offiziell. Die Bundeswehr bleibt bis zum 31. Mai 2024 im westafrikanischen Krisenstaat Mali. Das hat der Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen der Ampelgruppen SPD, Die Grünen und FDP beschlossen. Genauso sicher ist jedoch, dass die bis zu 1.400 Soldaten, die unter dem Dach der UN-Mission Minusma arbeiten, spätestens an diesem Tag das Land, das doppelt so groß ist wie Afghanistan, endgültig verlassen haben werden.
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Damit endet der zweite große Auslandseinsatz der Bundeswehr innerhalb von drei Jahren. Markus Kaim, Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, geht noch einen Schritt weiter. „Das Ende des Mali-Einsatzes markiert das Ende der Ära der Auslandseinsätze überhaupt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Damit geht auch für die Bundeswehr eine Ära zu Ende. Jetzt steht die Landes- und Bündnisverteidigung wieder im Vordergrund.“
Zerbrochene Illusionen
Mit Blick auf die zunehmende Präsenz Russlands und Chinas in Afrika fügte Kaim beispielsweise hinzu: „Man muss sich dem geopolitischen Kampf stellen. Aber vielleicht sind Auslandseinsätze dafür nicht das richtige Instrument. Auf jeden Fall können wir unsere Ziele in Mali nicht erreichen.“
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Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, der 1989 durch Europa verlief, schien auf dem alten Kontinent eine Zeit des Friedens anzubrechen. Der damit verbundene Optimismus lässt sich deutlich am Zustand der Bundeswehr ablesen, die heute auf 183.000 Soldaten geschrumpft ist und deren Bewaffnung niemanden mehr wirklich interessiert.
Stattdessen gaben der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens und später das Erstarken des islamistischen Terrors, der in Afghanistan, Syrien und dem Irak Zufluchtsorte fand, Anlass zur Sorge. Die Expertengemeinschaft für Sicherheitspolitik war sich einig, dass dies der neue Schwerpunkt sein muss. Die Stichworte waren: Out of Area (außerhalb des NATO-Gebiets) und Nation Building. Dahinter stand die Überzeugung, dass Staaten wie Afghanistan auf einen demokratischen Weg geführt werden könnten.
Doch der Schein täuschte. Die ethnischen Konflikte in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo sind bestenfalls eingefroren. In Afghanistan wurden die Taliban nach den Anschlägen in New York und Washington 2001 gestürzt. Sie hatten der Terrororganisation Al-Kaida eine Heimat geboten. Nur: Das Pendel schwang zurück. Trotz massiver westlicher Militärpräsenz gewannen die Taliban wieder an Boden – und übernahmen im Sommer 2021 nach der Flucht westlicher Truppen die Macht zurück.
Krisenradar
RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren im neuen wöchentlichen Sicherheitslage-Newsletter – jeden Mittwoch – die Entwicklung globaler Krisen.
Wie vor 1989
In Mali ist das Bild ähnlich. Ziel war es, die Islamisten zurückzudrängen und das Land zu demokratisieren. Stattdessen führte das Militär einen Putsch durch. Es ist unwahrscheinlich, dass es Wahlen geben wird. Darüber hinaus geriet die von Assimi Goita angeführte Junta unter den Einfluss der russischen Söldnergruppe Wagner und begann, westliche Truppen zu behindern, sodass diese nahezu handlungsunfähig wurden. Mit anderen Worten: Der Westen steht vor den Ruinen seiner Politik in zwei der ärmsten Länder der Welt. Gleichzeitig sieht er sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erneut bedroht – ähnlich wie vor 1989.
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Sicherlich gibt es noch einige Auslandseinsätze mit kleineren Kontingenten: etwa im Kosovo, im Südsudan, in Jordanien und im Irak. Der Schwerpunkt des Engagements der deutschen Streitkräfte hat sich jedoch auf die Ostflanke der NATO verlagert – auf die baltischen Staaten, Polen, die Slowakei und Rumänien. Diese Verschiebung weist auf den Verlauf der Weltgeschichte hin.
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