Nach der Entscheidung in der Kanzlerfrage für die Union gilt der Fokus von Sandra Maischberger einer möglichen schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene und dem richtigen Umgang mit der Migration – bis sich Carsten Linnemann flehend an Omid Nouripour wendet.
Mit Friedrich Merz als designiertem Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025 erhebt die Union Anspruch auf die Macht im Kanzleramt – doch gewinnt sie in einem Jahr die Bundestagswahl, wird die entscheidende Frage sein: Wer wird Koalitionspartner? Wer es angesichts der aktuellen Lage wohl nicht sein wird, gab der Politik-Talk von Sandra Maischberger einen Einblick.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Grünen-Chef Omid Nouripour lieferten sich eine hitzige Debatte über eine mögliche Koalition und Migration. Nach diesem Schlagabtausch ist eine schwarz-grüne Bundesregierung kaum noch vorstellbar.
Auch Petra Gerster, die langjährige Moderatorin der ZDF heute-Nachrichten, Michael Bröcker, Chefredakteur der „Table.Briefings“, und Yasmine M’Barek, die Herausgeberin der „Zeit“, äußerten sich zur aktuellen politischen Lage. Constantin Schreiber sprach mit Maischberger über „die Grenzen des Sagbaren“, Meinungsfreiheit und die deutsche Debattenkultur. Der Tagesschau-Sprecher forderte, die Menschen sollten „mehr auf die Inhalte hören und sich austauschen“.
Das Duell zwischen Linnemann und Nouripour ereignete sich kurz nach der Bekanntgabe, dass Markus Söder nicht mehr als Kanzler kandidiert und Friedrich Merz den Vortritt lässt. Der CDU-Generalsekretär und der Grünen-Chef stehen damit symbolisch für eine mögliche schwarz-grüne Koalition. Dass es dazu so bald kommen könnte, schloss Linnemann jedoch schnell aus. „Wenn wir jetzt verhandeln würden, wäre das im Moment schlicht nicht möglich“, stellte der Generalsekretär klar. Eine Regierung unter der Union müsse einen klaren Kurswechsel zur Ampel-Koalition vornehmen. „Es wäre kein Kurswechsel, wenn wir jetzt eine Koalition mit den Grünen bilden würden. Damit wäre nichts erreicht.“
Als Vertreter einer Regierungspartei bezog Omid Nouripour keine klare Position für oder gegen eine mögliche Koalition mit der Union, betonte aber die Notwendigkeit der Zusammenarbeit demokratischer Parteien in schwierigen Zeiten. „Gerade in Zeiten, in denen die Ränder stärker werden, ist es wirklich dringend notwendig, dass demokratische Parteien miteinander Regierungen bilden können. Ausgrenzung hilft dabei nicht“, sagte er.
„Ein Land muss wissen, wer im Land ist“
Besonders beim Thema Migration zeigten sich tiefe Differenzen zwischen Grünen und Union. „Die Grünen lehnen ernsthafte Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Migration ab“, warf Carsten Linnemann der Partei vor. Während die Grünen sich strikt gegen Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Flüchtlingen aussprachen, forderte die Union genau das. „Ein Land muss wissen, wer im Land ist“, betonte Linnemann.
Auch der Migrationsgipfel zwischen Regierung und Opposition vergangene Woche sei an der Ablehnungsfrage gescheitert, erklärte der Generalsekretär. Während SPD und FDP sich stärker aufnahmebereit gezeigt hätten, seien vor allem die Grünen gescheitert. Linnemann: „Allein in der Migrationsfrage ist es unmöglich, dass wir uns einigen.“
Nouripour nannte mehrere Gründe für die Haltung der Grünen gegen Grenzkontrollen und Zurückweisungen. „Die Polizei hat nicht das Personal, um 3.860 Kilometer abzudecken.“ Zudem seien Grenzkontrollen eine Belastung für die Bürger, die täglich über die Grenzen pendeln, um zu arbeiten oder einzukaufen. Linnemann pflichtete ihm bei und sagte, für den Binnenmarkt sei das „ein Fiasko, ganz klar. Aber für mich geht die Sicherheit vor.“
Der CDU-Generalsekretär betonte weiter: „Ein Land braucht Sicherheit. Und wenn wir dieses Migrationsproblem nicht wenigstens ansatzweise von der Mitte des Parlaments aus lösen, dann wird es die Mitte des Parlaments irgendwann nicht mehr geben – dann gibt es nur noch Ränder.“
„Bitte hör jetzt auf“
Nouripour räumte zwar ein, dass die Sicherheitslage angespannt sei, setzte aber andere Prioritäten und verwies dann auf Abschiebungen. „Wir müssen natürlich nicht so tun, als könnten wir Sicherheitsprobleme abschieben. Es gibt jede Menge Leute, die einfach ein großes Problem sind, die hier geboren und aufgewachsen sind. Wenn man immer nur über Abschiebungen spricht, spricht man nicht über die Radikalisierungsstrukturen, die es gegeben hat“, sagte er. Er warnte davor, die Augen vor den wahren Ursachen zu verschließen: „Wir können nicht so tun, als könnten wir einfach die Augen verschließen, den Kopf in den Sand stecken und dann wäre das Problem gelöst.“
In der Verteidigungspolitik herrschte zwischen beiden Parteien überraschende Einigkeit. Stationierung von US-Waffen in Deutschland und Langstreckenraketen für die Ukraine? Dafür sind Union und Grüne. In wirtschaftlichen Fragen gebe es allerdings erhebliche Differenzen, machte Linnemann deutlich.
Direkt an Nouripour gewandt forderte Linnemann dann das sofortige Ende der Ampel-Regierung. „Bitte machen Sie jetzt Schluss damit“, sagte er und bezog sich damit auf Nouripours Äußerungen im ARD-Sommerinterview, in denen er die Ampel-Koalition als „Übergangsregierung“ bezeichnet hatte. „Es hat keinen Sinn, noch ein Jahr Politik zu machen“, sagte Linnemann. Die Menschen wollten wieder „Stabilität und Orientierung“, doch die „Übergangsregierung“ sorge nur für „Chaos“.
Nouripour hingegen will an der Ampelkoalition festhalten. „Was ich nicht mehr machen will, ist zu sagen, Leute, es wird wieder harmonisch.“ Mit ironischem Seitenhieb spielte er noch einmal auf mögliche schwarz-grüne Koalitionsgespräche an. „Aber sollen wir jetzt einfach aufgeben und dann zu Koalitionsgesprächen zusammenkommen und dann steht Friedrich Merz wieder auf und rennt weg? Ich weiß nicht, ob das funktioniert.“
Die Gräben zwischen Grünen und Union sind tief, eine mögliche Koalition scheint ausgeschlossen. Doch die Wahl ist erst in einem Jahr, und bis dahin sind noch viele politische Ereignisse möglich. Ob das reicht, um am Ende eine Brücke zwischen den beiden Parteien zu bauen und zu einer schwarz-grünen Regierung zu führen, bleibt fraglich.