Leipzig. „Du hörst nicht zu, was ich dir gerade sage.“ Peter Huke spricht freundlich, aber bestimmt. Das muss er, denn der Mann am Fahrersitz des Gelenkbusses hat nicht die geringste Ahnung, wie man mit einem 18 Meter langen Fahrzeug umgeht. „Sehen Sie die umgeworfenen Kegel im Rückspiegel?“ Huke fügt hinzu. „Stellen Sie sich vor, es wären Fußgänger gewesen. Dann weißt du, was du gerade getan hast.“
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Der Mann am Steuer lächelt schmerzerfüllt und nimmt sofort den rechten Fuß vom Gaspedal. „Wir wollen die nächste Haltestelle erreichen“, kommentiert Fahrlehrer Huke den spürbaren Geschwindigkeitsverlust und muss lachen. Von nun an verläuft die Tour auf dem Gelände des Technikzentrums Heiterblick der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) einigermaßen gut.

Am Steuer eines 18 Meter langen Gelenkbusses zu sitzen – für manche ist es die Erfüllung eines Kindheitstraums, für andere vielleicht der Beginn einer neuen Karriere. Interessent Daniel Böhr fährt zu einer mit Pylonen markierten Zwischenhaltestelle.
Quelle: Dominic Welters
Der Aushilfsfahrer, fast geschockt von den Folgen seines anfänglichen Fauxpas, macht nicht mehr so viele Fehler. „Es ist schön, beide Hände am Lenkrad zu haben“, bestätigt Huke und freut sich über die ersten Lernerfolge mit dem Eleven. „Und auch in der nächsten Rechtskurve gilt: Wir lassen uns Zeit, bevor wir abbiegen. Bitte denken Sie daran, dass Sie zwei Meter vor der Vorderachse sitzen.“
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Eine schnelle Vollbremsung mit knapp 30 Kilometern pro Stunde, damit auch dem letzten Laien klar wird, welche unglaublichen Kräfte am Werk sind, wenn ein Bus abrupt zum Stehen kommt, und dann ist die zehnminütige Proberunde um den Platz zu Ende. „Erst mal gar nicht so schlecht“, resümiert der LVB-Trainer und rät dem sichtlich erleichterten Endfünfziger, seine Kontaktdaten bei seinen Kollegen im Empfangszelt zu hinterlassen. „Mensch, das könnte was sein“, sagt Huke zum Abschied – und wendet sich dann an Lena Roggisch.
Entwickeln Sie ein wenig Gespür für die Fahrschule
Der 23-Jährige will auch einen leeren Gelenkbus fahren. Doch den „Stallgeruch“ bringt sie mit, denn seit Juli gehört die Schönefelderin zum Auszubildendenkreis des Verkehrsunternehmens. Sie strebt einen Abschluss als Fahrfachfrau an. „Im Jahr 2025 startet die Fahrschule. Ich will mal ein bisschen reinschnuppern“, sagt sie vor ihrem Rundkurs, der Fahrlehrer Huke besonders gefallen wird.
Tim Kuhnhardt wird vor Beginn der Testfahrt von LVB-Disponent Sandy Kläge eingewiesen.
Quelle: Dominic Welters
Auch Lena Roggischs Freund Tim Kuhnhardt, Student der Elektrotechnik, gibt Huke am Ende den Daumen nach oben. Busfahrer will der 23-Jährige nicht werden, „aber um herauszufinden, womit meine Freundin ihren Lebensunterhalt verdienen wird, war diese Chance Gold wert“, sagt er. Die entsprechende Gelegenheit heißt Recruiting-Event und wird seit 2023 von der LVB regelmäßig durchgeführt – mit dem Ziel, Menschen zu rekrutieren, die andere weiterbringen.
Bisher hat die LVB in diesem Jahr rund 190 Fahrer rekrutiert
Die Leipziger Verkehrsbetriebe benötigen jedes Jahr 200 bis 300 neue Fahrer für Busse und Bahnen. Bisher haben sie im Jahr 2024 rund 190 eingestellt. Der öffentliche Nahverkehr, wie er sich sowohl kleine als auch große Politiker wünschen, soll endlich starten. Das Land strebt eine Verkehrswende an und die Stadt Leipzig baut ihr künftiges Streckennetz sukzessive aus. „Aber wie in allen Branchen haben auch wir Transportdienstleister mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen“, sagt Katrin Lukas, Geschäftsführerin Personal und Fahrdienste der LVB.
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Deshalb richtet sich die Rekrutierungsaktion an diesem sonnigen Oktobersamstag im Heiterblick nicht nur an potenzielle Azubis wie Lena Roggisch, sondern noch mehr an mögliche Neueinsteiger. Letztere könnten nach einer professionellen „Schnellbesohlung“ dazu beitragen, dass der öffentliche Busverkehr in Leipzig Fahrt aufnimmt. „Wenn du als Kind etwas Großes bewegen wolltest: Bei uns kannst du es schaffen“, sagt Arbeitsdirektor Lukas, der sofort den passenden Slogan parat hat.
Sie bildeten das Empfangskomitee beim jüngsten LVB-Recruiting-Event (von links): Björn Baranowicz (Recruiter-Abteilung Bus), Petra Kirch (Recruiter-Abteilung Straßenbahn), Katrin Lukas (Arbeitsdirektorin), Sandy Kläge (Dispositionsleiterin) und Franziska Jacob ( Personalmarketing).
Quelle: Dominic Welters
Um den kleinen Schritt in ein neues Berufsleben zu wagen, braucht es zunächst ein paar wichtige Grundvoraussetzungen. Der Kandidat muss über einen Führerschein der Klasse B (PKW) verfügen, mindestens 21 Jahre alt und 1,60 Meter groß sein, ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Eintragung besitzen – und sich darüber im Klaren sein, „dass er Personen befördert, warum“ normale Drogen.“ „Konsum in Form von Alkohol oder Cannabis ist absolut tabu“, betont Unternehmenssprecher Marc Backhaus.
Wer auf einer Recruiting-Veranstaltung sein Interesse bekundet oder sich online auf die Stelle bewirbt, wird zunächst zu einem Telefoninterview durch das Transportunternehmen eingeladen. Im besten Fall folgt ein persönliches Gespräch, ein medizinischer Eignungstest und anschließend die Vertragsunterzeichnung.
Die Fahrerausbildung dauert etwa fünf bis sechs Monate
Die Phase als Fahrer in der Ausbildung dauert etwa fünf bis sechs Monate – je nachdem, wie schnell Ausbildung und Prüfung möglich sind. Das Unternehmen investiert innerhalb von knapp sechs Monaten in jeden Bewerber einen fünfstelligen Betrag; Darin enthalten ist das anfängliche Monatsgehalt von rund 3.000 Euro brutto.
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Nach der Ausbildung verdient ein Fahrer ab 3.117 Euro. Hinzu kommen Prämien, 30 Tage Urlaub und eine 38-Stunden-Woche für Vollzeitbeschäftigte. „Wir bei den Leipziger Verkehrsbetrieben zahlen nach Tarif – auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes“, betont Arbeitsdirektor Lukas. Darüber hinaus werden die Wünsche der Mitarbeiter bei der Dienstplanung weitgehend berücksichtigt. „Auch Teilzeitarbeit ist jederzeit möglich.“
Es macht Spaß, einen 300 PS starken Firmenwagen zu fahren und für den sicheren Transport von mehr als 100 Personen verantwortlich zu sein.
Sandige Beschwerden
Fahrdienstleiter bei den Leipziger Verkehrsbetrieben
Disponenten wie Sandy Kläge und Tino Kunze, beide Neulinge, schwärmen am Probetag im Heiterblick von der guten Atmosphäre innerhalb der LVB-Familie und den Möglichkeiten, sich darin schnell weiterzuentwickeln. Sandy Kläge beispielsweise war früher einmal in der Privatwirtschaft tätig und sammelte Erfahrungen in der Führung von Teams. Dann wollte sie raus aus der Buchhaltung und stieg 2019 als Führungskraft bei der LVB ein. Zwischenzeitlich absolvierte sie eine Ausbildung zur Bus- und Straßenbahnfahrerin. „Es macht Spaß, einen 300-PS-Firmenwagen zu fahren und für den sicheren Transport von mehr als 100 Personen verantwortlich zu sein“, sagt sie.
Von den rund 2.800 LVB-Mitarbeitern aus 44 Nationen ist etwas weniger als die Hälfte allein für das Fahren von Bussen und Bahnen zuständig. Die Suche nach neuem Personal führt oft über die Stadtgrenzen hinaus. Zuletzt war Personalleiter Lukas sogar in Vietnam. „Dort haben wir 14 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen.“ Im August 2025 würden die technikbegeisterten Asiaten nach Leipzig ziehen. Und 13 Auszubildende aus Vietnam seien in diesem Jahr bereits mit an Bord, sagt sie strahlend.
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Für 2025 sind mindestens fünf weitere Recruiting-Events geplant
Die jungen Vietnamesen und diejenigen, die nach einer Testbusfahrt durch das Depot an der Teslastraße auf den Geschmack kommen: Sie alle werden gebraucht. Mit 160 Millionen Fahrgästen feiern die Leipziger Verkehrsbetriebe in diesem Jahr einen neuen Verkehrsrekord. Das Deutschland-Ticket für den Nahverkehr, der Ausbau der Leipziger Bezirkslinien und das wachsende Interesse am Randgebiet-Flexa-Angebot sorgen dafür, dass der ÖPNV in der Messestadt weiter an Dynamik gewinnt. „Warum also nicht mit uns einen großen Unterschied machen?“ fragt LVB-Arbeitsdirektor Lukas und verweist auf die nächsten Recruiting-Events. Im Jahr 2025 werden es mindestens fünf sein – der nächste wird im März sein.
Mehr unter www.L.de/busfahrer
LVZ
https://www.lvz.de/lokales/leipzig/lvb-busfahrer-in-der-fahrschule-GNBOFOLJIFH7HJTUR5ODQ3DWXE.html
