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Luxuskauf in Parchim? Streit um Sternbergs Steinway-Flügel | NDR.de – Nachrichten

Luxuskauf in Parchim? Streit um Sternbergs Steinway-Flügel | NDR.de – Nachrichten

Stand: 16.09.2024 12:54

Die CDU-Fraktion im Landkreis Ludwigslust-Parchim kritisiert den Kauf eines Steinway-Konzertflügels aus der Kreiskasse. Fraktionschef Geier verurteilt einen „unnötigen Luxuskauf“. Landrat Sternberg (SPD) weist die Kritik zurück.

von Stefan Ludmann

Er greift nach den Sternen am Orchesterhimmel: Als „Nr. 1 auf den Bühnen dieser Welt“ preist Steinway & Sons sein Modell D 274 an. Der Konzertflügel gehört zur Spitzenklasse. Pianisten wie Lang Lang und Christoph Eschenbach würden damit ihr „Bestes“ geben, heißt es im Online-Werbetext. In der Chefetage der Kreisverwaltung Ludwigslust-Parchim hat er offenbar die gewünschte Wirkung erzielt: Eben jener Flügel – „schwarz poliert, Baujahr 2018, generalüberholt“ – steht seit Anfang Januar 2023 im Kreistag, genauer: im sogenannten Solitär, einem neuen Multifunktionsgebäude am Standort Parchim.

Leasingraten von 138.000 Euro

Der Landkreis hat ihn gekauft – laut Bericht des Rechnungshofs unterzeichnete Landrat Stefan Sternberg (SPD) den Pachtvertrag am 9. Januar 2023. Der Flügel weist monatliche Pachtraten auf, die mit Mieten für gehobenen Wohnraum vergleichbar sind. Rund 1.900 Euro muss der Landkreis dafür bezahlen, im Jahr sind das knapp 23.000 Euro. Über die gesamte Pachtdauer bis 2028 fallen insgesamt 138.000 Euro an. In den öffentlichen Haushalten 2022 und 2023 spielt der Flügel allerdings keine Rolle.

Flügel begeistert die Pianistenszene

Ziel des Kaufs: Der Solitär soll als Konzertort mit maximal 650 Sitzplätzen attraktiver werden. Der Steinway-Flügel soll zudem die großen Namen der Pianistenszene anlocken, etwa im Rahmen des MV-Festivals. „Kultur im ländlichen Raum liegt uns sehr am Herzen“, heißt es auf Anfrage aus dem Landratsamt. Der Solitär sei nicht nur ein Treffpunkt der Kreisverwaltung, sondern auch ein Ort, an dem „hochwertige Kultur erlebbar“ sei.

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Der Kauf erscheint nicht im Budget

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Kreises hat sich den Kauf genau angeschaut. Das Ergebnis klingt alles andere als harmonisch: „Das Ziel, Geld zu sparen, wurde mit diesem Kauf verfehlt“, schreiben die Prüfer in einem Gutachten. Im Kern bemängeln die Prüfer, dass der Kauf ohne Zustimmung des Kreistages und seiner Ausschüsse erfolgt sei. Die Ausgaben seien schlicht unter dem Titel „Verpachtung“ versteckt worden. Das sei ein Verstoß gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit.

Mittelklasse-Konzertflügel empfohlen

Zudem sei nicht klar, welche Zwecke der Landkreis mit dem Kauf verfolgt. Konzerte hätten bisher jedenfalls kaum stattgefunden, schreiben die Prüfer Ende 2023. Ihr nicht-öffentliches Gutachten liegt dem NDR vor. Der Kauf über Leasing sei nicht wirtschaftlich – insbesondere, weil der Landkreis kein garantiertes Ankaufsrecht am Ende der Leasingzeit 2028 habe. Das Fazit der Prüfer: Ein kleinerer Mittelklasse-Konzertflügel hätte es ebenso gut getan – zum Beispiel einer von Yamaha.

Kritik aus der CDU-Bundestagsfraktion

Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat für knapp 140.000 Euro einen Konzertflügel der Spitzenklasse erworben.

Das Thema spielte am 7. März im Kreistag eine Rolle – die Kritik der CDU-Fraktion verhallte ungehört. Nun legte Fraktionschef Christian Geier noch nach. Es handele sich um eine „Riesensumme“, sagte der Christdemokrat. „Sparsamkeit sieht anders aus“, sagte er mit Blick auf den Kauf. Geier erinnerte daran, dass es sich um Steuergelder handele. „Die Mittel unserer Kommunen aus der Kreisumlage dürfen nicht für derartigen Luxus ausgegeben werden“, erklärte der Christdemokrat.

Einspruch aus dem Landratsamt

Landrat Sternberg sieht dagegen kein Problem: Sein Amt und die ihm direkt unterstellte Finanzabteilung widersprächen der Darstellung des firmeneigenen Rechnungshofs. Finanziell sei Leasing günstiger. Der Kreis könne das Klavier nach Ablauf der Leasingzeit für einen Restwert von 12.500 Euro kaufen. Verkaufe die Leasingfirma das Klavier stattdessen für mehr als 14.400 Euro weiter, könne der Kreis mit drei Viertel des Mehrerlöses rechnen.

Besondere Anforderungen der MV Festspiele

Sternberg verweist zudem auf die besonderen Anforderungen der MV Festspiele. Diese hätten bereits im Herbst 2021 „die Notwendigkeit eines Steinway D-Flügels betont, um den Saal für hochwertige Konzerte renommierter Künstler zur Verfügung stellen zu können“. Als Beleg liefert das Landratsamt eine Liste der Veranstaltungen und Konzerte im Solitär seit Anfang 2023. Daraus geht allerdings hervor, dass der Steinway-Flügel in den vergangenen beiden Jahren lediglich bei zwei Festkonzerten zum Einsatz kam, einmal im August 2023 und einmal im Juli 2024. Das bestätigten die MV Festspiele auf NDR-Anfrage.

2.300 Euro Kosten pro Veranstaltung

Zu den 20 Veranstaltungen, bei denen der Flügel angeblich zum Einsatz kam, zählt das Landratsamt auch das Seniorenfest, die Abiturfeier des Friedrich-Franz-Gymnasiums sowie das Sommerfest und den Jahresempfang des Landkreises. Bei den Leasingraten von umgerechnet 46.000 Euro für 2023 und 2024 wären das Kosten von 2.300 Euro je Veranstaltung. Dagegen erscheinen die Kosten für Pflege und Unterhalt minimal: Knapp 150 Euro sind bisher fällig. Auf Nachfrage, welche Klavierstücke bei welchem ​​Anlass gespielt wurden, konnte das Landratsamt keine Auskunft geben.

Solitaire für den Konzertgebrauch

Sternberg widerspricht auch dem Vorwurf der CDU, der Kauf sei ohne Mitwirkung der Gremien erfolgt. Die Nutzung des Solitärs für Konzerte sei „von Anfang an erklärtes Ziel der Kreisgremien“ gewesen, heißt es in einer Stellungnahme auf NDR-Anfrage. Der Kauf des Flügels sei „tatsächlich nicht dem Einfluss des Kreistages entzogen“ gewesen, und der Steinway stehe laut Sternberg für jedermann sichtbar im Kreistagessaal.

Steinway-Flügel unberührt beim Konzert

Der Landrat ist zuversichtlich: „Als wirtschaftsstarker Landkreis müssen wir uns nicht verstecken, ich will, dass es geordnet zugeht.“ Die CDU-Fraktion gibt sich damit nicht zufrieden. Sie wolle die Gremien fragen. Der Solitär war am vergangenen Freitagabend erneut Spielstätte des MV-Festivals. Der Steinway blieb allerdings, wie so oft, unangetastet: Sieben Blechbläser spielten beim Konzert. Der Steinway D 274 – „die Nr. 1 auf den Bühnen dieser Welt“ – stand verdeckt an der Seite.

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Nordmagazin | 16.09.2024 | 19:30

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