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Linker Antisemitismus: Die Linkspartei wehrt sich gegen Vorwürfe des Antisemitismus

Am Jahrestag der Novemberpogrome im nationalsozialistischen Deutschland warnte die Linkspartei vor zunehmendem Antisemitismus. In einer gemeinsamen Erklärung vom 9. November schrieben die vier Vorsitzenden der Bundespartei und der Bundestagsfraktion: „Der heutige Tag erinnert uns: Aufrichtiges Gedenken verpflichtet uns zu mehr als nur zum Erinnern.“ Das bedeutet, sich aktiv an der Seite von Juden und allen zu stellen, die für eine Gesellschaft kämpfen, in der… Antisemitismus hat keinen Platz.

Gleichzeitig distanzierte sich die Partei von dem Vorwurf, dass es in der politischen Linken antisemitische Tendenzen gebe. Das sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Clara Bünger SpiegelAntisemitismus ist in allen gesellschaftlichen Milieus und politischen Spektren präsent, nicht nur im linken Lager.

Bünger verwies auch auf die aktuelle Datenlage: Die letzte Woche veröffentlichte Mitte-Studie zeige, dass antisemitische Einstellungen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen in der Gesellschaft weit verbreitet seien. In diesem Sinne sagte sie dies Spiegel: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit.“

Kritik von Gauck und dem israelischen Botschafter

Kritik am linken Antisemitismus kam unter anderem vom deutschen israelischen Botschafter Ron Prosor. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er, explizit linker Antisemitismus sei gefährlicher als der rechte oder islamistische, „weil er seine Absichten verschleiert“. Er bewegt sich „immer an der Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung – und hat diese Grenze inzwischen deutlich überschritten.“

Prosor nannte ausdrücklich Universitäten und Theater als Orte in Europa, an denen Israel Tag für Tag dämonisiert und delegitimiert wird. „Die Folgen spüren alle Juden“, sagte Prosor. Es sei immer noch ein Skandal, dass ein israelischer Dirigent von einem Festival in Belgien ausgeladen wurde, „aber der Raum dessen, was gesagt werden kann, verschiebt sich.“ Prosor spielte damit auf das Flanders Festival Gent und das für September geplante Gastspiel der Münchner Philharmoniker unter dem israelischen Dirigenten Lahav Shani an, das jedoch abgesagt wurde. Als Grund wurde angegeben, dass Shani auch das Israel Philharmonic Orchestra leitet und seine Haltung gegenüber der israelischen Regierung unklar sei.

Auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck beklagte, dass beispielsweise der linke Antisemitismus in Deutschland und der Antisemitismus aus der arabischen Welt vernachlässigt würden. „Egal, woher Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit kommen: Wir brauchen mehr Entschlossenheit beim Schutz der Menschenwürde“, sagte er der Tagesspiegel.

Van Aken spricht auch von einem Phänomen der Mehrheitsgesellschaft

Linken-Fraktionschef Jan van Aken kritisierte den ehemaligen Bundespräsidenten für seine Äußerungen und dementierte, dass explizit weniger von linkem Antisemitismus oder Hass aus der arabischen Welt die Rede sei. Antisemitismus ist in Deutschland vor allem ein Phänomen der Mehrheitsgesellschaft, das auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt. „Wenn es Übergriffe auf Juden gibt, erfährt man davon meist über die Presse, egal wer sie begangen hat, und das ist gut so. Insofern passt es zu jedem – uns und ehemaligen Bundespräsidenten –, den Antisemitismus nicht anderen in die Schuhe zu schieben, sondern im eigenen Umfeld und im eigenen Dorf kritisch und wachsam zu sein.“

In der Vergangenheit, insbesondere vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts, wurde die Linkspartei müssen sich mehrfach mit Kritik am eigenen Lager auseinandersetzen. Die Parteiführung kritisierte kürzlich einen Beschluss der Jugendorganisation Solid, in dem Israel als „koloniales und rassistisches Staatsprojekt“ dargestellt wird, das von seinen Anfängen bis heute von der Eroberung neuer Gebiete und der Vertreibung der Bevölkerung geprägt sei. Die Parteivorsitzenden bezeichneten den Antrag als nicht mit den Positionen der Linken vereinbar. Zudem sah sich der von der Linken eingesetzte brandenburgische Antisemitismusbeauftragte Andreas Büttner wegen seiner pro-israelischen Haltung innerparteilichen Anfeindungen ausgesetzt.

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