mitten drin
In vielen Dörfern gibt es keine Bäckereien, Geschäfte oder Apotheken mehr. Ein Modellprojekt in Brandenburg soll herausfinden, ob die Versorgung abgelegener Orte mit Lieferdrohnen eine Lösung sein könnte.
Vanessa Japs muss blinzeln, schirmt die Augen mit der Hand ab und sucht nach dem tiefen Summen am Himmel. Es verrät: Die 14 Kilogramm schwere Lieferdrohne nähert sich. Sechs Propeller tragen eine Lieferbox über die Felder einer der am dünnsten besiedelten Regionen Deutschlands. Ihr Ziel: ein kleiner, eingezäunter Landeplatz zu Füßen von Testkunde Japs, Bürgermeister von Trieplatz, einem 80-Seelen-Dorf im Nordosten Brandenburgs. Japs nimmt an einem Modellprojekt teil, das herausfinden soll, wie sich abgelegene Dörfer per Luft besser anbinden lassen.
Essen und Drogerieprodukte an Bord
Dieter Pietsch lehnt am Fußballtor des Sportplatzes, auf dem der Projektträger „Stadt-Land-Drohne“ den neuen Start- und Landeplatz errichtet hat – etwa zehn Quadratmeter groß, eingezäunt, mit einem Sockel in der Mitte. Pietsch ist Rentner und hat sein ganzes Leben neben dem Sportplatz und am Trieplatz gelebt.
Nun staunen er und seine Frau Marlis, dass Lebensmittel und Drogeriewaren aus dem rund zehn Kilometer entfernten Wusterhausen/Dosse tatsächlich per Flugzeug zu ihnen transportiert werden können. „Gerade im Winter“, sagt Pietsch, „wenn Glatteis oder so was da ist: Wozu soll man dann Auto fahren? Das ist für ältere Leute ja auch nicht so einfach.“
Ganze Gerichte werden per Drohne geliefert
Bundesagrarministerium und EU wollen den unteren Luftraum bis 150 Meter für die Nahversorgung im ländlichen Raum öffnen. Das betrifft Orte wie Trieplatz: Durch das 80-Seelen-Dorf führt eine einzige Straße. Sie führt in den Ort hinein und endet im Ort. Sackgasse. Bäckerei, Metzgerei, Apotheke – all das gibt es hier nicht mehr. Also wird das Prinzip „Luftbrücke“ nun unterstützend eingesetzt?
Vanessa Japs öffnet die Transportbox der Lieferdrohne: „Es lief gut, würde ich sagen. Mal schauen, ob noch alles frisch ist. Die Donuts riechen auf jeden Fall lecker, die können wir gleich essen.“ Die beiden Pfannkuchen und das Roggenbrot hat sie etwa eine Stunde zuvor auf der Website des Projekts „Stadt-Land-Drohne“ bestellt. Sechs Geschäfte und Marktstände machen mit: ein Obst- und Gemüsehändler, eine Drogerie und sogar das „Akropolis“, ein griechisches Restaurant, das ganze Gerichte per Drohne verschicken will.
Wirtschaft nach Testbetrieb unsicher
Projektmitarbeiter Malte Hoffmann holt die Produkte auf dem Marktplatz in Wusterhausen/Dosse ab. 3,5 Kilogramm kann die Drohne liefern – das reicht für einen kleinen Sack Kartoffeln. Als Testkäufer muss Japs keine Lieferkosten zahlen. Wie es nach Ende Februar weitergeht, wenn das Modellprojekt endet, weiß allerdings noch niemand. „So viel Geld haben die Leute nicht“, sagt Diana Walter von der Bäckerei Kindt. „Vor allem auf dem Land.“ Mehr als ein, zwei Euro dürfe eine Lieferung eigentlich nicht kosten.
Rund eine halbe Million Euro hat das Projekt bereits gekostet, fast vollständig vom Bundeslandwirtschaftsministerium übernommen. Die Gemeinde Wusterhausen/Dosse muss nur einen vergleichsweise geringen Betrag beisteuern. Trotzdem sind nicht alle glücklich über das neue Projekt, Peter Fennel zum Beispiel: „Ich glaube, dass viele alte Leute damit überhaupt nicht klarkommen. Sinnvoller wäre es, wenn es einen kleinen Bus gäbe, der dreimal die Woche vorbeikommt, wo man einsteigen kann und sich die Leute unterhalten können. Die Drohne, tut mir leid, ist meiner Meinung nach Verschwendung von Steuergeldern.“
Drohnenpilot muss Flug überwachen
Für Projektleiter Robin Kellermann ist es vor allem Pionierarbeit. „Das Projekt ist sehr komplex“, sagt Kellermann. Man könne es sich vorstellen: Es ist nur eine Drohne, die von A nach B fliegt. „Aber der Teufel steckt im Detail: Von der Genehmigung dieses gesamten Prozesses über die technische Umsetzung, bis hin zum Bodenpersonal und der Bestellplattform und dem Mitnehmen der Bevölkerung vor Ort gibt es eine Menge unterschiedlicher Aufgaben.“
Zwar fliegt die Drohne autonom, allerdings muss ein Drohnenpilot den Flug von einem Kontrollzentrum aus überwachen und bei Gefahr eingreifen. Kellermann plant im Rahmen des Modellprojekts bis zu 300 Menschen zu beliefern – in drei Dörfern mit vier Lieferdrohnen, die eigens dafür angeschafft wurden.
Testkäuferin Japs ist optimistisch, dass Lieferdrohnen die Zukunft sind: „Unsere Gesellschaft bewegt sich immer mehr in Richtung digitaler und einfacher.“ Sie rechnet damit, dass sich das Modell dauerhaft umsetzen lässt. Und wenn nicht, fügt die Bürgermeisterin lachend mit Blick auf den neu gebauten Start- und Landeplatz am Trieplatz hinzu, „dann haben wir einen Betonklotz auf dem Sportplatz, der ist nicht so schön. Den müssen wir dann mit Blumen oder so bepflanzen.“