Lenny Krieg ist der große Star beim Berlin-Spiel der Atlanta Falcons – auch wenn er überhaupt nicht spielt. Bild: dpa / Andreas Gora
Analyse
Wenn die NFL Berlin besucht, wird auch Lenny Krieg, ein Deutscher, dabei sein. Doch auf seine Chance bei den Atlanta Falcons muss der 23-Jährige noch warten.
8. November 2025, 8:56 Uhr8. November 2025, 8:59 Uhr
Es war beeindruckend, wie die sechs Busse der Atlanta Falcons am Freitagmorgen mit Polizeieskorte zum Trainingsgelände in Berlin-Köpenick gebracht wurden.
Die Aufmerksamkeit vieler deutscher und amerikanischer Medienvertreter galt vor allem einem Spieler, der in dieser Saison noch nicht auf dem Feld stand: Lenny Krieg.
Nachdem er im März einen Dreijahresvertrag bei den Atlanta Falcons unterschrieben hatte, wurde er noch vor Saisonbeginn entlassen.
Doch der Traum von der NFL ist nicht geplatzt. Krieg, der die Kicker-Position spielt, wurde im Rahmen des International Pathway Program – einem NFL-Entwicklungsprogramm für ausländische Talente – in die Übungsgruppe der Falcons aufgenommen. Aus einem Gehalt von rund einer Million US-Dollar pro Jahr wurden „nur“ 13.000 US-Dollar pro Woche, dennoch ist Krieg ein fester Bestandteil der Atlanta Falcons.
Und so wird er am Sonntag auch bei Atlantas Spiel gegen die Indianapolis Colts in seiner Heimatstadt Berlin dabei sein. Der Unterschied: Krieg verfolgt das Spiel gegen die Indianapolis Colts von der Tribüne aus.
Doch der 23-Jährige könnte eine glänzende Zukunft in der NFL haben. Denn im August tat sich in seinem Team eine Baustelle auf, die er langfristig schließen konnte.
„Diese Drucksituationen erlebt man nicht auf dem Trainingsplatz.“
Raheem Morris, Cheftrainer der Atlanta Falcons
Der Wettbewerb schwächt sich ab – Krieg wartet auf NFL-Chance
Eine kurze Rezension. Seit 2019 ist Younghoe Koo der Mann der Georgia State-Franchise, wenn es darum geht, den Football durch die beiden Pfosten am Ende des Feldes zu schießen. Seine Trefferquote lag nie unter 86 Prozent – zumindest bis 2024.
Koo verwandelte letzte Saison nur schwache 73,5 Prozent seiner Versuche. Atlanta hielt zunächst am Leistungsträger fest, um ihn nach dem ersten Spieltag und einem gescheiterten Versuch freizustellen.
In „Touchdown & Tacheles: watson’s NFL Podcast“ sprechen unsere Moderatoren ausführlich über die Situation von Lenny Krieg.
In einem internen Wettbewerb konnte sich Lenny Krieg zunächst nicht gegen den erfahrenen Parker Romo durchsetzen, den die Falcons aus Minnesota verpflichtet hatten.
Doch Romo ist nach sieben Spielen wieder Geschichte. Nachdem er letztes Wochenende ein einfaches Field Goal verpasst hatte, das zum Spielausgleich geführt hätte, wurde auch er gefeuert. Atlanta verlor gegen die New England Patriots mit 23:24. Insgesamt verfehlte er in seiner Zeit drei Field Goals.
Zu diesem Zweck verpflichteten die Falcons den 30-jährigen Zane Gonzalez. Er spielte letzte Saison in den Playoffs mit den Washington Commanders.
Zane Gonzalez ist ein äußerst erfahrener NFL-Kicker. Bild: AP / Seth Wenig
Ein Rückschlag ist das für den Deutschen aber nicht: „Es gab im Vorfeld eine gute Kommunikation mit mir, was der Plan ist. Daher war es keine negative Überraschung, dass ein erfahrener Kicker geholt wurde. Trotzdem möchte natürlich jeder spielen – aber jeder hat seinen eigenen Weg und man muss einfach weiterarbeiten“, sagte er gegenüber Sport1.
Cheftrainer Raheem Morris machte deutlich, warum Lenny Krieg keine Chance bekam. „Am Ende des Tages muss man den Kick treffen. Diese Drucksituationen erlebt man nicht auf dem Trainingsplatz; man beschäftigt sich in Spielen mit ihnen.“
Sie trauen Lenny Krieg bei den Falcons das noch nicht zu. Denn der Deutsche besuchte kein US-College und konnte unter dem Jubel von 80.000 Fans in Drucksituationen oder bei starken Windböen sein Können nicht unter Beweis stellen. Zuletzt spielte er für Stuttgart Surge in der European League of Football.
Aber in Atlanta wissen sie genau, was sie an Lenny Krieg haben. Das merkten sie bereits bei seinem ersten Auftritt im April 2025.
Lenny Krieg hinterließ bei den NFL-Scouts einen bleibenden Eindruck
Für Verwunderung sorgte er beim Draft Combine, bei dem junge Talente von Teamscouts mit verschiedenen Aufgaben auf ihre NFL-Tauglichkeit überprüft werden.
Seine Technik bewerteten die Talentscouts als „mechanisch extrem sauber“. Er war der einzige Spieler, der alle 14 Versuche zwischen 25 und 55 Yards verwandelte.
Er spielte bis zu seinem 19. Lebensjahr Fußball und verfügt daher über eine völlig andere Schusstechnik als viele US-amerikanische Spieler. Allerdings war der Übergang zum Eier- statt Balltreten etwas unkonventionell: mit Tutorials auf YouTube und Instagram.
Lenny Krieg wartet auf eine Chance bei den Atlanta Falcons
Aber hier könnte ihm seine Arbeit im Trainingsteam zugute kommen. Der 23-Jährige kann sich ohne großen Druck an den Alltag in den USA und der NFL anpassen. Denn es ist für alle Spieler gleich – egal ob im Trainingskader oder im Aktivkader.
Und der Krieg lieferte bereits einen ersten Vorgeschmack. In der Vorbereitung für die Falcons erzielte er ein Field Goal aus 57 Yards – etwa von der Mittellinie.
Sportlich ist die Saison für Atlanta mit drei Siegen und fünf Niederlagen nahezu bedeutungslos. Die Wahrscheinlichkeit, in die Play-offs zu kommen, liegt bei lediglich zwölf Prozent. Doch die Verantwortlichen glauben immer noch an ihre Chance.
Angesichts der Halbwertszeit der Falcons-Kicker könnte es durchaus möglich sein, dass Lenny Krieg spätestens am Ende der Saison seine Chance bekommt.
„Es geht darum, so viel wie möglich zu lernen – von erfahrenen Spielern und Trainern.“ Ziel ist es, gut vorbereitet zu sein, wenn sich die Gelegenheit bietet„, erklärte Krieg im Interview mit Sport1.
