Leipzig. Erstmals seit 14 Jahren ändert Leipzig den Grundsteuer-Hebesatz. Der Kommunalsteuersatz für Bau- und Gewerbeimmobilien („Grundsteuer B“) soll ab kommendem Jahr deutlich auf 450 Prozent sinken. Das gab Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) am Freitag bekannt. Seit 2011 liegt der Hebesatz in Leipzig bei 650 Prozent – und ist damit der höchste, den jemals eine Kommune in Sachsen ermittelt hat. Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Städte und Gemeinden. In Leipzig sind es 102 Millionen Euro pro Jahr.
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Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) wird ab dem kommenden Jahr den Hebesatz für die Grundsteuer B senken.
Quelle: Andre Kempner
Der Änderung war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorausgegangen. Es hatte das derzeitige Verfahren zur Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Wie alle Kommunen in Deutschland muss Leipzig das Urteil daher bis zum 1. Januar 2025 umsetzen.
Wer muss Grundsteuer zahlen?
Die Grundsteuer wird von den Gemeinden auf alle Grundstücke in ihrem Gebiet erhoben und ist von den jeweiligen Eigentümern zu entrichten. Es wird zwischen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen („Grundsteuer A“) und bebauten oder bebaubaren Wohn- und Gewerbeflächen („Grundsteuer B“) unterschieden. In Leipzig sind Grundstücks-, Haus- und Wohnungseigentümer von rund 177.000 sogenannten Wirtschaftseinheiten betroffen. Allerdings zahlen beispielsweise Eigentümer von vermieteten Wohngebäuden die Grundsteuer nicht aus eigener Tasche. Über die Nebenkostenabrechnung können Sie die Steuerlast auf Ihre Mieter umlegen.
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Warum wird die Grundsteuer reformiert?
Im Jahr 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht das in Deutschland angewandte Verfahren zur Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig, weil es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandle und damit gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Die Berechnung der Grundsteuer basierte bisher auf völlig veralteten Grundstückswerten, den sogenannten Richtwerten. Eigentlich müssten diese alle sechs Jahre von den Finanzämtern überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, was aufgrund des immensen Aufwands jedoch fast nie passierte. Das Ergebnis: Das Grundsteuerniveau in den neuen Bundesländern basiert häufig auf Daten aus dem Jahr 1935, während in den alten Bundesländern 1964 erneut eine Neufestsetzung vorgenommen wurde. Die Verfassungsrichter forderten eine rechtskonforme Besteuerung ab 2025. Deshalb die Steuer Die Büros haben alle Immobilien zum 1. Januar 2022 neu bewertet.
Wie wird die Grundsteuer berechnet?
Es handelt sich um einen dreistufigen Prozess. Auf Basis der aktualisierten Daten ermittelten die Finanzämter zunächst einen Immobilienwert für jede einzelne Immobilie. Dieser sogenannte Grundsteuerwert wird mit einem vom Freistaat Sachsen festgelegten Betrag (0,36 oder 0,72 Prozent, je nach Nutzung der Immobilie) multipliziert. Die daraus resultierende Grundsteuerbemessungsgrundlage dient letztlich als Grundlage für die Besteuerung durch die Gemeinden. Denn der Bemessungsbetrag wird mit einem von Stadt und Gemeinderat festgelegten Hebesatz multipliziert. Dividiert durch 100 ergibt das den genauen Steuerbetrag in Euro und Cent.
Gibt es Gewinner und Verlierer der Reform?
Der Stadtrat hatte sich zu Beginn des Jahres dazu verpflichtet, die Grundsteuerreform nicht zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen für den Stadthaushalt zu nutzen, sondern diese auf dem Niveau von 2024 – also bei 102 Millionen Euro – einzufrieren. „Daran hat sich der Finanzbürgermeister gehalten“, sagt Franziska Riekewald, die Fraktionschefin der Linken, gegenüber der LVZ. Grundlage des freiwilligen Engagements war ein Vorschlag ihrer Fraktion im Stadtrat.
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Die Linken-Fraktionschefin Franziska Riekewald zeigt sich mit dem Hebesatzvorschlag des Finanzbürgermeisters zufrieden.
Quelle: Andre Kempner
Allerdings dürfte die neue Grundsteuer im Einzelfall unterschiedliche Auswirkungen haben. „Einige Eigentümer zahlen mehr, andere weniger“, sagte Finanzbürgermeister Bonew. Diesen Effekt fasste er in der allgemeinen Formel zusammen: „Je weiter vom Stadtzentrum entfernt und je weniger Wohneinheiten auf einem Grundstück vorhanden sind, desto höher wird die neue Grundsteuer ausfallen.“ Ein zentraler Grund für die steigenden Kosten am Stadtrand ist der Grundstückswert, der bislang häufig auf veralteten Immobiliendaten basiert. Das bedeutet, dass Privathäuser durch die Reform stärker belastet werden als Mehrfamilienhäuser. „Das wird auf jeden Fall für Ärger bei den Eigentümern sorgen“, ist Bonew überzeugt. „Das ist sehr bedauerlich, aber es ist das, was uns der Bundesgesetzgeber nach dem Urteil auferlegt hat.“
Das sieht auch der Linken-Politiker Riekewald so. „Menschen, die bereits zu DDR-Zeiten ein Haus hatten, werden dadurch überlastet, andere weniger belastet“, sagt sie. „Das ist ein grundlegender Reformfehler, den wir hier auf lokaler Ebene nicht beheben können.“ Eine noch deutlichere Senkung des Hebesatzes kommt für sie jedoch nicht in Frage. „Wir brauchen die Grundsteuer.“ Allerdings geht sie davon aus, dass die Reform weniger negative Auswirkungen auf den Vermietermarkt haben wird. In großen Mehrfamilienhäusern könnte die Steuerlast für einzelne Mieter sogar etwas sinken.
Réne Hobusch, der Präsident des Vereins Haus & Grund Sachsen, ist jedoch skeptisch. Er erwartet eine höhere Besteuerung von Eigentumswohnungen in innenstadtnahen Gebieten, wo es erst in den letzten Jahren zu Wertsteigerungen gekommen ist. Dann muss schnell die Grundsteuer vervierfacht werden, die der Mieter dann zahlen muss, wenn die Immobilie vermietet wird. Hobusch: „Bei einer kleinen Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung bedeutet das eine Erhöhung der Mehrkosten pro Quadratmeter um 40 bis 50 Cent.“
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Wie reagieren Immobilieneigentümer?
Der Verein Haus & Grund führt mehrere Musterverfahren gegen die neue Grundsteuer, eines davon wird in Köln bereits in der Hauptsache vor dem Bundesfinanzhof verhandelt. In Sachsen ist ein Musterverfahren aus Chemnitz anhängig. Verbandspräsident Hobusch, der selbst als Anwalt tätig ist, spricht von 20 bis 25 Fällen, die er selbst bearbeitet. Er hält die neuen Grundsteuerregelungen für unausgereift. „Das vom Freistaat Sachsen übernommene Rechtsmodell des damaligen Bundesfinanzministers und jetzigen Bundeskanzlers führt zu mehr Ungerechtigkeiten, als es bisherige Ungerechtigkeiten beseitigt“, erklärt er gegenüber der LVZ. „Die neue Grundsteuer ist nicht gerechter als die alte.“
René Hobusch, Präsident des Vereins Haus & Grund Sachsen: „Die neue Grundsteuer ist nicht gerechter als die alte.“
Quelle: Andre Kempner
Wann werden die Steuerbescheide für 2025 verschickt?
Damit die Änderung des Hebesatzes rechtzeitig zum 1. Januar 2025 in Kraft treten kann, muss der Stadtrat sie in seiner Sitzung im November beschließen. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz eine Mehrheit erhält, da der vorgeschlagene Hebesatz nicht zu einer Erhöhung der Grundsteuereinnahmen führt. Die Stadt wird dann im Januar und Februar Mitteilungen an alle Eigentümer verschicken.
Was passiert mit anhaltenden Widersprüchen?
Gegen Entscheidungen des Finanzamts sind derzeit 59.000 Einsprüche anhängig. Der Finanzbürgermeister geht davon aus, dass es auch in diesen Fällen noch ein bis zwei Jahre dauern wird, bis Rechtssicherheit herrscht. Dennoch erhalten auch diese Eigentümer Anfang 2025 ihre Grundsteuerbescheide von der Stadt Leipzig auf Basis der vom Finanzamt übermittelten Daten. Diese werden dann ggf. nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens berichtigt. Lediglich in 12.000 Fällen kann die Gemeinde die Grundsteuerbescheide nicht vollstrecken, weil die Betroffenen wegen gravierender Mängel bei der Grundstücksbewertung durch das Finanzamt eine Aussetzung der Vollstreckung beantragt haben.
LVZ
https://www.lvz.de/lokales/leipzig/leipzig-wird-grundsteuer-hebesatz-deutlich-senken-JWM6ZBD4HBC67OVTEQLJIAWREE.html