Kiel. Jetzt geht das Tauziehen erst richtig los: Einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss zu schärferen Sicherheits- und Abschiebebestimmungen ist in Schleswig-Holstein eine Debatte über die Umsetzbarkeit der Maßnahmen entbrannt. Die Landräte fordern Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und seine Regierung unisono auf, die Verantwortung für Abschiebungen zentral vom Kreis auf die Landesebene zu verlagern. Bisher ist dies nur für Wiederholungs- und Intensivtäter vorgesehen.
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„Wir müssen unsere Kompetenzen und Erfahrungen bündeln, statt sie auf 16 Einzelbehörden zu verteilen“, sagt Kreistagschef Henning Görtz (CDU) aus Stormarn. „Nur das Land hat die Möglichkeit, eine schlagkräftige Einheit mit der nötigen Expertise aufzubauen.“ Rückführungen seien rechtlich und praktisch schwierig, qualifiziertes Personal sei schwer zu finden. „Wir müssen ehrlich zugeben, dass die Kreisausländerbehörden die Zahl der Abschiebungen in absehbarer Zeit nicht deutlich steigern können.“
Abschiebungen in andere EU-Länder: Landesregierung will „Erfolgsquote“ erhöhen
Doch genau das ist das erklärte Ziel. Die schwarz-grüne Landesregierung räumte jüngst ein, dass es ein Defizit bei den Abschiebungen gebe. Die Ausländerbehörden sollen als ersten Schritt 1,5 Millionen Euro zusätzlich erhalten, um den Personalbestand aufzustocken. Die „Erfolgsquote“ der sogenannten Dublin-Überstellungen soll erhöht und die Abschiebehaftanstalt in Glückstadt voll ausgelastet werden. Ob das alles klappen wird? Die Kommunen bezweifeln es.
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Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) hatte den Städten und Gemeinden versichert, ihnen keine Menschen mehr ohne Bleibeperspektive zuzuweisen. Die Realität sieht anders aus, erkennen die Landräte nun. Nach dem Dublin-Verfahren müssen Migranten ihren Asylantrag in dem EU-Staat stellen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten. Tun sie dies nicht und reisen stattdessen weiter, können sie binnen sechs Monaten dorthin abgeschoben werden.
Vorwurf der Kreise: Land schiebt Probleme auf Kommunen ab
Timo Gaarz (CDU), der ostholsteinische Landrat, berichtet, er habe immer wieder erlebt, dass Dublin-Fälle kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist auf die Kreise verteilt wurden, ohne dass überhaupt eine Verlegung beantragt worden sei. „Niemand muss sich wundern, wenn diese Menschen dauerhaft bei uns bleiben.“ Sein Dithmarscher Kollege Thorben Schütt (CDU) pocht darauf, dass Zusagen eingehalten würden und diese Menschen in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes blieben. „Von dort aus sind Rückführungen viel einfacher und Probleme werden nicht auf die Kommunen abgewälzt.“
Die Kritik ist Wasser auf die Mühlen der Opposition. „Es ist höchste Zeit, dass der für Migration zuständige Minister endlich umdenkt“, sagt FDP-Innenpolitiker Bernd Buchholz. Seine Fraktion hat das Thema einer Zentralisierung des Abschiebemanagements für kommende Woche in den Landtag eingebracht.
Wer soll das alles machen? Kritik von der Polizei
Druck kommt auch von anderer Seite. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt die Absicht der Landesregierung, die gesetzlichen Kompetenzen von Polizei und Verfassungsschutz auszuweiten. Dabei gehe es unter anderem um den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bei Ermittlungen, den einfacheren Datenaustausch zwischen den Behörden insbesondere bei Abschiebefragen und die Absicht, islamistischen Influencern noch stärker ins Auge zu fassen. „Am Ende müssen aber alle KI-Entscheidungen weiterhin von Menschen getroffen und getroffen werden“, sagt GdP-Landeschef Torsten Jäger. Die geplante Zentralisierung in der Strafverfolgung „darf nicht dazu führen, dass der Bereich vernachlässigt wird“. Mehr Personal sei deshalb nötig. „Das ist relevant für unseren Erfolg.“
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Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren seine Landespolizei aufgestockt, von 6.800 Beamten im Jahr 2019 auf aktuell 7.382. Zudem befindet sich eine zweite Polizeieinheit im Aufbau.
CN