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Sportmedizin klassifiziert
Aktualisiert am 3. November 2025, 17:27 Uhr

Lamine Yamal kämpft mit einer anhaltenden Verletzung und der Barcelona-Star muss sich möglicherweise sogar einer Operation unterziehen.
© IMAGO/PsnewZ/Acero
Barça-Superstar Lamine Yamal soll unter Pubalgie leiden. Die Verletzung ist besonders tückisch und der 18-Jährige wird möglicherweise seine gesamte Karriere lang mit dem Problem zu kämpfen haben. Laut einem Sportmediziner kann auch ein vorzeitiges Karriereende möglich sein.
Lamine Yamal goss mit seinen Provokationen gegen Real Madrid vor dem Clásico ordentlich Öl ins Feuer. Nach dem Schlusspfiff waren der 18-Jährige und Real-Star Vinícius Júnior die beiden Hauptakteure in einer völlig unnötigen Rudelformation, inklusive wiederholter Sticheleien von beiden Seiten.
Was deutlich in den Hintergrund gedrängt wurde, war Yamals Auftritt gegen die „Königlichen“. Denn beim 2:1-Sieg von Real blieb der spanische Offensivstar größtenteils blass und unauffällig. Wer genau hinsah, hätte es auch bemerkt
Yamal verpasste im September vier Spiele
Das ist kein Zufall, denn es ist kein Geheimnis, dass der Spanier seit Wochen mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hat. Im September verpasste er verletzungsbedingt den Champions-League-Auftakt gegen Newcastle und drei Ligaspiele, Anfang Oktober musste er ein weiteres Spiel in der Liga verpassen.
Über die Art der Verletzung hält sich der Klub weitgehend zurück, doch laut dem spanischen „Sport“ soll Yamal an Pubalgie, also einer Schambeinentzündung, leiden.
„In seltenen Fällen kann es tatsächlich zum Karriereende führen.“
Das Tückische daran ist, dass die Verletzung mehrere Ursachen haben kann, sie aber im Gegensatz zu einer Muskelverletzung nach der Heilung nicht „ausgeheilt“ ist, sondern im schlimmsten Fall immer wieder auftreten und sogar chronisch verlaufen kann. Laut der „Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin“ könnte die Verletzung möglicherweise „längere Trainingsausfälle nach sich ziehen und sogar das Karriereende bedeuten“.
Schambeinentzündung: Schmerzen vor allem in der Leistengegend
- Bei der Pubalgie verspürt der Betroffene starke Schmerzen in der Leiste und im Unterbauch. Der Schmerz strahlt meist in den Bauch und die Adduktoren aus. Eine Schambeinentzündung kann konservativ oder operativ behandelt werden.
„In seltenen Fällen kann es sogar zum Karriereende führen – wenn man es nicht in den Griff bekommt“, erklärt Sportmediziner Asst. Prof. Dr. med. Ingo Tusk im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Krankheit sei nicht unheilbar, „aber sie kann sehr langwierig und für die medizinische Abteilung äußerst herausfordernd sein.“

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Das Problem laut Tusk: Die Beschwerden könnten viele verschiedene Ursachen haben. „Man muss prüfen, ob Fußfehlstellungen, Beckenfehlstellungen oder andere Fehlstellungen vorliegen – es können auch die Kniegelenke sein. Dafür kann es viele Gründe geben.“ Dass Yamal an einer Schambeinentzündung leidet, wundert den Arzt nicht wirklich – „er ist natürlich noch sehr jung und hat schon sehr früh angefangen, sich selbst viel zu belasten.“
Was Pubalgie so hartnäckig und knifflig macht
Was Pubalgie so hartnäckig macht, ist die Tatsache, dass sie theoretisch immer wieder auftreten kann, selbst wenn man sie überwunden hat. Es sei wichtig, die Ursache zu finden, sagt Tusk. „Dann kann man es gezielt angehen und hat es ganz gut im Griff.“ So habe er selbst bereits Spieler mit speziellen Einlagen versorgt und „dann wurde die Schambeinentzündung plötzlich viel besser.“
Besonders heikel auch: Das Verletzungsmuster lässt sich oft nicht ganz eindeutig zeichnen: „Es ist keine klare Sache wie zum Beispiel ein Bänderriss, bei dem man sagt: ‚Okay, wir wissen, wie wir das behandeln müssen.‘“ Aber es geht in alle möglichen Richtungen“, erklärt Tusk. Sie könnten versuchen, mit Injektionen oder Stoßwellentherapie zu behandeln. „Am Ende wird es auch eine Operation geben, aber die wird sicher zu einem Ende kommen.“
Auch Lionel Messi litt unter einer Schambeinentzündung
Laut einem anderen „Sport“-Bericht will Yamal eine Operation unbedingt vermeiden. Die Beschwerden sollten in den nächsten Wochen weiterhin konservativ behandelt werden. Dennoch hatte der Teenager dem Bericht zufolge neben der Diagnose der Mannschaftsärzte bereits eine Zweitmeinung eines anderen Arztes eingeholt. Klar ist aber auch: Sollten die Schmerzen nicht nachlassen, wird Yamal auf jeden Fall über eine Operation nachdenken.
Unter Umständen kann eine Pubalgie auch durch eine Wachstumsphase des Betroffenen verursacht werden. Dies war unter anderem auch bei Superstar der Fall
Männer sind wahrscheinlich häufiger von Pubalgie betroffen
Der Sportarzt hat in der Vergangenheit zahlreiche Sportlerinnen betreut, unter anderem als Mannschaftsarzt der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft und des 1. FFC Frankfurt. Schambeinentzündungen bei Sportlern sind für ihn ein „Klassiker“, allerdings sind seiner Meinung nach Männer häufiger davon betroffen als Frauen.
Auch im Alter gibt es Unterschiede: Ihm zufolge leiden jüngere Spieler häufiger an Pubalgie als ältere. Erstens würden sie sich normalerweise selbst stärker belasten. Zweitens können sie im Gegensatz zu erfahreneren Spielern noch nicht so gut einschätzen, wie viel sie anstrengen können, um nicht zu überlasten.
„Manchmal kann man damit spielen, manchmal kommt man nicht einmal aus dem Bett, nach den Spielen ist man völlig erschöpft.“
Einer, der weiß, wie sehr man unter der Krankheit leiden kann, ist Ex-Fußballer Juan Francisco Martínez Modesto, besser bekannt als Nino. Der ehemalige Stürmer, der 2021 seine Karriere beendete und nun als Jugendtrainer beim FC Elche arbeitet, litt zuvor selbst an einer Schambeinentzündung und gab vor dem spanischen Ligaduell zwischen Barcelona und Elche am vergangenen Wochenende einen Einblick in den Alltag mit Pubalgie.
Er erlitt die Verletzung, als er 24 Jahre alt war. „Es ist sehr unangenehm und kompliziert. Man kann spielen, ist aber körperlich nicht zu 100 Prozent fit“, sagte er bei „Esports COPE“. Die Verletzung sei „sogar beim Aussteigen aus dem Auto und beim Husten oder Niesen“ ärgerlich gewesen, erklärte der ehemalige Stürmer: „Manchmal kann man damit spielen, manchmal kommt man nicht einmal aus dem Bett, nach den Spielen ist man völlig erschöpft.“
Eine Entzündung des Schambeins hindert einen Fachmann normalerweise daran, sein volles Potenzial auszuschöpfen. „Es ist eine Verletzung, die einen Spieler nicht am Spielen hindert“, erklärte der Arzt Dr. Pedro Luis Ripol gegenüber der spanischen „Marca“ – und brachte das Problem treffend auf den Punkt: „Aber sie verändert den Spieler. Sie macht ihn langsamer, weniger reaktionsschnell und deutlich schlechter in der Lage, den Ball zu schießen.“
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Gut möglich, dass Yamal derzeit etwas weniger Probleme mit seinem Schambein hat. Der 18-Jährige erzielte am Wochenende gegen Elche das Tor zum 1:0 und legte damit den Grundstein für den späteren 3:1-Sieg. Doch die Verletzung ist noch lange nicht vorbei. Die große Frage – und die große Sorge in Barcelona – lautet vielmehr: Wird Yamal seine Krankheit jemals wieder vollständig überwinden?
Über den Gesprächspartner
- Asst. Prof. Dr. med. Ingo Tusk ist Facharzt für Orthopädie, spezielle orthopädische Chirurgie und Sportmedizin. Tusk ist Chefarzt der Abteilung Sportorthopädie und Endprothetik am Rotkreuzkrankenhaus in Frankfurt am Main. Tusk ist außerdem Vizepräsident der Deutschen Sportärzte (DGSP).
