Lage „deutlich ernster“
Russischer Botschafter erhebt schwere Vorwürfe gegen Westen
17.09.2024, 15:03
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Immer wieder wird der Ruf nach Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg laut. Russlands Botschafter in Berlin ist jedoch skeptisch und weist die Vorschläge aus Kiew rundweg zurück. Zudem kommentiert er die Weltlage und zieht Vergleiche zum Kalten Krieg.
Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat den westlichen Staaten vorgeworfen, sich nicht an die Regeln zu halten. Die aktuelle Lage sei „viel ernster“ als zu Zeiten des Kalten Krieges, sagte er im Deutschlandfunk. Damals habe es Regeln gegeben, an die sich beide Seiten hielten. „Jetzt sehen wir, dass sich unsere westlichen Partner nicht an diese Regeln halten“, sagte der Vertreter Russlands, das seit zehn Jahren Krieg in der Ukraine führt und mehrere ukrainische Gebiete völkerrechtswidrig annektiert hat. Die Ukraine werde mit Waffen aller Art „übersättigt“, es gebe einen Wettbewerb, wer am meisten hergeben könne.
Der Botschafter verwies auf die aktuelle Diskussion um die von Kiew angestrebte Erlaubnis, westliche Langstreckenraketen für Angriffe auf russisches Territorium einzusetzen, um sich besser gegen russische Angriffe verteidigen zu können. „Das wäre für uns eine absolut neue Situation“, sagte Netschajew, „mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt.“ Mit einer solchen Erlaubnis stünden die Nato-Staaten „total im Konflikt mit Russland“ und würden klar zu Konfliktparteien.
Zugleich äußerte sich der Botschafter zurückhaltend, was mögliche Friedensverhandlungen im Krieg mit der Ukraine angeht. Zunächst müsse es einen Friedensplan geben, so Netschajew weiter. Erst wenn ein Text vorliege, könne Russland sehen, inwieweit dieser Plan seinen eigenen Vorstellungen entspreche. Sollte es sich dabei erneut um eine andere Version der Friedensformel des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj handeln, dann wäre das für Russland absolut inakzeptabel.
Netschajew verwies dabei auf Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich vor gut einer Woche in einem Sommerinterview mit dem ZDF für eine Beschleunigung der Bemühungen um einen Friedensschluss ausgesprochen hatte. Zu diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Krieges sagte der SPD-Politiker: „Es wird auf jeden Fall wieder eine Friedenskonferenz geben.“ Einen Termin nannte der Bundeskanzler nicht. Er und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seien sich aber „einig, dass es eine solche mit Beteiligung Russlands geben muss“.
Russland lehnt Abzug seiner Soldaten kategorisch ab
Selenskyjs Friedensformel setzt einen russischen Rückzug aus ukrainischem Territorium voraus, den Moskau kategorisch ablehnt. Seit Ende August wirbt Scholz offen für einen Friedensprozess im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Am Montag bekräftigte er bei einem Besuch in Kasachstan, dass er eine Friedenskonferenz unter Beteiligung Russlands unterstütze. Russland müsse allerdings einen Beitrag leisten, indem es seine Aggression einstelle. Von einem konkreten Friedensplan sprach der Kanzler bislang nicht.
Im Juni trafen sich Vertreter aus 93 Ländern zu einer ersten Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der Russland nicht eingeladen war. Russlands wichtigster Verbündeter China boykottierte die Konferenz. Ort und Datum der nächsten Konferenz stehen noch nicht fest.
Russland hat in seiner seit mehr als zweieinhalb Jahren andauernden Großoffensive inzwischen rund ein Fünftel der benachbarten Ukraine besetzt und erhebt Anspruch auf weitere Teile. Im Herbst 2022 annektierte Putin die Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja, die das russische Militär bislang allerdings nur teilweise kontrolliert. Kiew fordert zudem einen Abzug der russischen Streitkräfte von der 2014 annektierten Halbinsel Krim.